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Eine schwarze Komödie rund um eine Gedenkstätte – geht das? Hauptdarsteller und Regisseur Cornelius Schwalm nimmt die Herausforderung an und schickt sein Publikum gemeinsam mit einem Teil eines Theaterensembles auf Recherchereise nach Polen.

Hotel Auschwitz (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Am Ende kommen Touristen

Ein heikleres Thema hätte Schauspieler Cornelius Schwalm für sein filmisches Regiedebüt kaum wählen können. Lachen im Angesicht des Holocaust, das bleibt für viele das letzte Tabu. Dessen ungeachtet funktioniert Schwalms schwarzer Humor vorzüglich, der Rest des Films läuft indes nicht immer ganz rund.

Von Beginn an beweist der Novize, der am Theater bereits seit Jahren Regie führt, inszenatorisches Geschick und ein gutes Gespür für Stimmungen. Hotel Auschwitz steigt wenige Tage vor der Recherchereise mitten hinein in die Proben zu Peter Weiss‘ Die Ermittlung (1965). Theaterregisseur Martin, den Schwalm selbst verkörpert, ist unzufrieden. Er korrigiert und erklärt, nimmt Hauptdarstellerin Sabine (Franziska Petri) zur Seite und kommt ihr bei einer Übung sehr nah, zu nah für den Geschmack ihres Kollegen Holger (Patrick von Blume). Schwalm zeigt diesen Balanceakt nur über Schnitte und Blicke, die jeder im Kinosaal ein wenig anders interpretieren mag. Ist Sabines Lächeln angenehm oder peinlich berührt? Hat sich Martin in der Anleitung seiner Schauspielerin korrekt verhalten oder eine rote Linie übertreten? Es sind diese Grenzüberschreitungen, für die sich der Film interessiert.

Mit einer Handvoll Auserwählter geht die Reise los. Neben Martin, Sabine und Holger sitzen Regieassistent Matti (Jörg Kleemann) und Fahrer Bronski (Oliver Bigalke) im Wagen. Schon auf dem Weg nach Polen führen die Protagonisten hochtrabende Gespräche, die nur vorgeblich um das Stück, um den Holocaust und dessen Aus- und Nachwirkung, in Wahrheit aber um eines jeden Ego kreisen. Martin, der jüngste Fritz-Kortner-Preisträger aller Zeiten, steht vor einem Wechsel an ein Hamburger Theater, das auch seinen Ensemblemitgliedern gut zu Gesicht stünde. Matti hat ein selbst verfasstes Theaterstück mit im Gepäck. Unverhohlen gerät die Unternehmung zur Bewerbungsfahrt, bei der hinter der Grenze nach Polen irgendwann keiner mehr Grenzen kennt.

Lachen in Auschwitz, geht das? Es funktioniert sogar ganz hervorragend, weil Schwalm nicht den Ort, sondern den falsch(verstanden)en Umgang damit, seine Figuren und den blasierten Theaterbetrieb verlacht. Schwalm gibt das Paradebeispiel eines Regisseurs, der seine Selbstzweifel mal mit (aufgesetzter) Selbstreflexion, mal mit zügelloser Aggression überspielt. Holger ist der zaudernde Opportunist und Sabine die undurchsichtige Karrieristin, die sich, von Holgers Verhalten enttäuscht, schließlich doch Martins Avancen hingibt. Ein schmieriger Machtmissbrauch, dem alle – auch gezwungenermaßen die Kinozuschauer*innen – tatenlos zusehen.

Diese himmelschreiende Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung reizt zum Lachen. Mehr als einmal bleibt es einem im Hals stecken. Im selben Atemzug, in dem die Gruppe deutsche Rüstungskonzerne (vermeintlich) scharfsinnig kritisiert, drehen sie gedankenverloren lustige Werbevideos. Sich der eigenen Gefühle füreinander im Unklaren überkommt Sabine und Holger zwischen den ehemaligen Krematorien die Lust. Nach dem Besuch gibt es erst einmal Grillwürstchen und Bier. Angesichts der Gräueltaten erscheinen die Existenzkrisen der Protagonisten umso lächerlicher.

Die Einzelszenen sind stark, Schwalms Geschichte ist dünn. Die Figuren bleiben Prototypen, die Handlung eine lose Abfolge exemplarischer Situationen, um alle Auswüchse der Erinnerungskultur abzudecken: Vom Holocaust-Zweifler Bronski bis zur polnischen Schauspielerin Goska (Katharina Bellena, die den Film koproduziert hat), die im Wald den Nazi-Trash The German Nightmare dreht, ist alles dabei. „Es weiß doch niemand, was uns jetzt erwartet, also, ‚s ist halt ein Experiment“, sagt Sabine auf der Hinfahrt. Ohne institutionelle Förderung mit geringem Budget produziert, gemeinsam mit seinen Schauspielern erarbeitet, vor Ort an Originalschauplätzen gedreht und in Teilen improvisiert, ist Hotel Auschwitz vor allem ein Experiment. Daran mag nicht alles geglückt sein, das Publikum weiß allerdings auch nie, was hinter der nächsten Ecke wartet.

Hotel Auschwitz (2018)

Martin, karrierebesessener Theaterregisseur, inszeniert „Die Ermittlung“ von Peter Weiss. Er unternimmt mit mit seinen Darstellern und dem Regieassistenten eine Recherchereise nach Auschwitz. Doch neben dem großen Thema verfolgen alle ihre eigenen, privaten Ziele. Als die polnisch-jüdische Trashikone Goska ins Geschehen einsteigt, eskaliert die Situation. EIne sehr schwarze Komödie.

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