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Schon wieder so ein Film über eine ziemlich beste Freundschaft, ebenfalls eine wahre Geschichte. Zwei ungleiche Männer lernen sich (widerwillig) kennen, der eine arbeitet für den anderen und Happy End. Aber kann Peter Farrelly erstmals ohne seinen Bruder auf dem Regiestuhl punkten?

Green Book - Eine besondere Freundschaft (2018)

Eine Filmkritik von Melanie Hoffmann

Roadmovie mit Abgründen

Die USA Anfang der 1960er: Der Italo-Amerikaner Tony Lip Vallelonga (Viggo Mortensen) bringt sich und seine kleine Familie als Türsteher mehr schlecht als recht durchs Leben. Als aber der Club, in dem er arbeitet, wegen Umbau einige Monate geschlossen wird, braucht er dringend einen anderen Job. Also heuert er bei Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) als Chauffeur an. Das wird sicher kein Traumjob für Tony. Weder freut er sich auf ein fremdes Auto, eine Uniform zu tragen lehnt er rundweg ab und dann noch für einen Schwarzen zu arbeiten? Der noch nicht einmal ein richtiger Arzt ist. Den Rassisten Tony kostet dies viel Überwindung.

Doch damit nicht genug: Die Fahrt geht durch die Südstaaten der USA zu Zeiten von Jim Crow, in denen der Jazzmusiker Don Shirley einige Auftritte hat. Um dort auch sicher unterzukommen, muss sich Tony des „Negro Motorist Green Book“ bedienen, welches Hotels und Restaurants auflistet, in denen Schwarze absteigen dürfen.

Die beiden ungleichen Männer sind sich anfangs spinnefeind. Musiker Shirley ist ein Gentleman mit feinen Manieren und ausgeprägter Bildung. Sein Fahrer hingegen ist ein ungehobelter Klotz, der gerade genug gelernt hat, um ein Auto fahren zu dürfen. Natürlich sind seine Qualitäten als Türsteher immer mal wieder gefragt, wenn akuter Rassismus seinen Dienstherren in Gefahr bringt. Und Shirley hilft Tony Lip bei der Korrespondenz nach Hause. Denn die Briefe, die Tony selbst fabriziert, sind kaum des Papiers würdig, auf dem sie verfasst sind. Sieht so Liebe in der Unterschicht aus? Nach und nach nähern sich die beiden an, bis eine Freundschaft entsteht.

Der Film kommt wie ein bunter Cupcake daher. Außen schön anzuschauen, aber bei näherer Betrachtung doch im Wesentlichen ein plumper Versuch satt zu machen. Der Rassismus tut hier selten weh, ist mehr Kulisse, quasi ein MacGuffin, um die beiden Protagonisten einander näher zu bringen. Eine ernsthafte Aufarbeitung findet nicht statt und zusätzlich suggeriert der Film schließlich noch, dass diese Welt ja zum Glück viele Jahrzehnte hinter uns liegt und damit offenbar überwunden ist.

Die in den USA von den Hinterbliebenen von Don Shirley geführte Diskussion darüber, dass die beiden Männer gar keine Freunde waren, sondern Shirley ihn als Angestellten sah, der es eben ablehnte, Uniform und Mütze zu tragen, verstärkt den schalen Beigeschmack und befördert den Eindruck, dass es sich hier um einen Film handelt, der mit einer großen Portion Kalkül auf dem Reißbrett entstand. Die Zutaten sind perfekt gemischt, um sowohl einen Crowdpleaser zu produzieren als auch die Award-Season ordentlich mitzubestimmen. Zumindest bei den Golden Globes durfte die Tragikomödie schon einmal drei Preise einheimsen.

Halb bedauernd, halb erfreut muss man wohl zugeben, dass dies bestens funktioniert. Letztlich kann man an den meisten Stellen nicht anders als zu lachen. Die beiden Hauptdarsteller Mahershala Ali und Viggo Mortensen verkörpern ihre Figuren so unfassbar sympathisch, dass man sie einfach lieben muss. Hier kommt auch die große Qualität von Peter Farrelly als Komödienregisseur zum Tragen. Auch wenn man Filme wie Dumm und Dümmer oder Verrückt nach Mary wahrlich nicht mit Green Book vergleichen kann, den Drive, das Timing, das hat Farrelly einfach drauf.

Green Book - Eine besondere Freundschaft (2018)

1962 wird der italienisch-stämmige Türsteher Tony Lip von dem Jazz-Pianisten Don Shirley als Chauffeur angeheuert, um ihn von New York bis in die Südstaaten zu kutschieren. Bei der Fahrt in den Süden erleben die beiden einiges, denn die Konzerttournee eines Afroamerikaners vor der Bürgerrechtsbewegung machte es notwendig, dass sie ihre Reise nach dem Negro Motorist Green Book planen mussten, einem Handbuch, das die wenigen Unterkünfte, Restaurants und Tankstellen verzeichnete, die auch schwarze Kunden bedienten.

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Meinungen

Rudi WIMMI · 03.03.2019

Das Problem der damaligen Zeit, die rassistische Oberschicht, wird gar nicht beleuchtet. Das bisschen Polizei und eine Kneipenschlägerei sowie der Herrenausstatter sind zu wenig, um den gesellschaftlichen Abstand zu vermitteln. Man kann sich die Zeit mit dem Streifen schon vertreiben, aber vom Sessel hat er mich nicht gehauen. Und drei Oscars ... schon gar nicht, weil es da Unterhaltsameres gab: deutsche Beiträge oder z.B. La La Land ... Mit Oscars haben sich die US-Amerikaner von ihrer Schuld befreit - wieder einmal; Und es will einfach nicht klappen.

Detlev Liebl · 16.02.2019

Nur zwei Fragen:
Shirleys Tour wurde vom Columbia Artist Management organisiert. Sind in diesem Fall die Unterkünfte nicht vorab gebucht? Und ist normalerweise nicht auch vertraglich vereinbart, dass die Akteure kostenlos Essen und Trinken bekommen?

Für mich wirkte der Film recht unecht...

Andrea · 22.01.2019

Wir waren heute mit einer größeren Gruppe in der Preview und ausnahmslos allen hat der Film sehr gefallen. Einfach großartig.
Kann mich Liolon nur anschließen.
Es gibt sehr viel zu lachen und dennoch ist der Hintergrund so ernst und gravierend.
Erschreckend auch die Rückentwicklung von 1962 zu heute. Trotzdem geht man hinterher einfach nur entspannt nach Hause.

Unbedingte Empfehlung!

Liolon · 31.12.2018

Zu Silvester ohne Vorankündigung gesehen! Treffer! Gute Mischung aus Drama und verstecktem Humor, Nachdenklichkeit und herzhaftem Lachen. Die Charaktere manchmal zu stark gezeichnet und trotzdem kein Feelgood Movie. Eine gelungene und empfehlenswerte Mischung.