Ginger & Rosa

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Freundschaft in Zeiten des Kalten Krieges

Was zunächst eine Geschichte von Freundschaft ist – und das auch bleibt –, ist vielschichtiger. Ginger & Rosa erzählt zunächst von zwei entdeckungsfreudigen Teenagern, die alles gemeinsam machen und sich dann binnen kurzer Zeit weit voneinander entfernen. Während die eine die Liebe zum anderen Geschlecht für sich entdeckt, wird die andere in der Zeit der Kuba-Krise zur politischen Aktivistin – und muss dann die schmerzliche Erfahrung machen, dass sie eben nicht nur ein zoon politikon ist, sondern ebenso Tochter, Freundin, Patenkind. Und dass gerade die Liebe ein wichtiges Elixier ist, das auch in ihrem Leben zwangsläufig eine große Rolle spielt.
Großbritannien 1962: Ginger (Elle Fanning) und Rosa (Alice Englert) wachsen zusammen auf. Ihre Mütter lagen gemeinsam mit Wehen im Krankenhaus und standen sich in den Jahren nach Kriegsende und in allen Höhen und Tiefen gegenseitig bei, so dass die beiden Mädchen zwangsläufig beste Freundinnen wurden. Ginger und Rosa erzählen sich alles, verbringen die Nachmittage und machen die ersten Erfahrungen gemeinsam – wie das Rauchen einer Zigarette oder die erste Teilnahme an einer Demo. Ihre Freundschaft, so scheint es, kann nichts erschüttern.

Natürlich wird diese Mädchenfreundschaft auf die Probe gestellt. Sehr schnell wird deutlich, dass sich die beiden Leben auseinander entwickeln. Während Rosa das Abenteuer beim männlichen Geschlecht sucht, entdeckt Ginger den Aktivismus für sich und will sich immer stärker politisch engagieren. Dies mag auch damit zu tun haben, dass der elterliche Segen schief hängt. Zum wiederholten Male trennen sich Gingers Eltern, da Roland (Alessandro Nivola) viel arbeitet und immer wieder dem Charme seiner Studentinnen verfällt und da Gingers Mutter Natalie (Christina Hendricks) in ihrem Hausfrauen-Dasein immer frustrierter wird. Liebe ist für Ginger deshalb keine Alternative, sie steht ihr skeptisch gegenüber, während Rosa von der ewigen und einzigen Liebe träumt.

Als sich Rosa und Gingers Vater Roland einander annähern und schließlich auch miteinander ins Bett gehen, bricht für Ginger eine Welt zusammen: Die Welt der Freundschaft genauso wie diejenige, die ihr Roland als Vater und Vorbild, Mentor und Gesellschaftsphilosoph in langen Gesprächen immer skizziert hat. Roland wird seiner Vorbildrolle enthoben und das Zusammenleben mit ihm zur Qual, die Ginger jedoch erduldet, anstatt sie aus sich herauszubrüllen. Dies gelingt ihr erst nach einer langen Phase des Schweigens. Während einer Demonstration gegen die Stationierung von Raketen auf Kuba wird Ginger verhaftet und verbringt schweigend und fast reglos ihre Zeit in der Zelle. Erst als ihr Patenonkel (Timothy Spall) und dessen Freundin May Bella (Annette Bening) sie aus der Reserve locken, gelingt es Ginger, ihre Gefühle loszuwerden. Und sie schockiert mit der Wahrheit um Roland und Rosa den Rest der Familie.

Elle Fanning überzeugt und beeindruckt in ihrer Rolle der Ginger. Sie beobachtet als Tochter mit wachen Augen den elterlichen Streit und scheint doch gleichzeitig Position zu beziehen. Sie stellt ihren Vater aber nicht zur Rede, als er ihr von seiner Beziehung zu Rosa erzählt, sondern lenkt das Gespräch hin zu neuen – gesellschaftlichen Themen, die nichts mehr zu tun haben mit dem familiären Drama. Sie spricht nicht über ihre Enttäuschung oder die Schmerzen, die das Paar aus Freundin und Vater in ihr verursachen. Aber man kann ihr dabei zuschauen, wie sie beides in sich hineinfrisst und im Innersten vergräbt. Zu Recht erhielt die 14-jährige Schauspielerin in Valladolid den Preis für die Beste Darstellerin, dem noch weitere Auszeichnungen folgen sollten.

Fast 50 Jahre nach der Kuba-Krise kommt ein Film in die Kinos, der sich mit der Jugend und der Anti-Kriegs-Bewegung in London 1962 beschäftigt. Dies ist einerseits mutig – denn welches Publikum interessieren heute die Ängste und Sorgen der Menschen von damals heute noch wirklich? Die Welt hat – auch dadurch, dass eben Konflikte wie der um Kuba nicht eskalierten – gelernt, mit der atomaren Bedrohung umzugehen. Andererseits ist es aber genau der Hintergrund, den die Geschichte um Ginger und Rosa und besonders die Figur Ginger braucht.

Der Film von Sally Potter (Rage, In stürmischen Zeiten, Orlando) lässt dem Zuschauer lange Zeit, sich einzufinden, und er lässt sein Ziel lange im Unklaren. Man muss sich einlassen auf die Geschichte und ihre Figuren, und tut man das, dann lohnt sich das auch. Denn hinter der vermeintlichen Geschichte um Freundschaft versteckt sich eine ganze Menge mehr, was man schlussendlich nicht recht zu bündeln weiß. In den 90 Minuten nimmt man eine Vielzahl an Impulsen und Themen mit aus dem Film, um noch ein Weilchen darüber nachzudenken. Was am Anfang zu wenig erscheint, ist am Ende fast zu viel. Und das macht den Film dann auch spannend.

Ginger & Rosa

Was zunächst eine Geschichte von Freundschaft ist – und das auch bleibt –, ist vielschichtiger. „Ginger & Rosa“ erzählt zunächst von zwei entdeckungsfreudigen Teenagern, die alles gemeinsam machen und sich dann binnen kurzer Zeit weit voneinander entfernen. Während die eine die Liebe zum anderen Geschlecht für sich entdeckt, wird die andere in der Zeit der Kuba-Krise zur politischen Aktivistin – und muss dann die schmerzliche Erfahrung machen, dass sie eben nicht nur ein zoon politikon ist, sondern ebenso Tochter, Freundin, Patenkind.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

wignanek-hp · 10.01.2014

Ein wunderbarer Film mit einer grandiosen Elle Fanning! Wirklich sehenswert.

Anny · 14.06.2013

schaue ich mir mal an.Hört sich gut an