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Alles an „Colette“ scheint allzu bekannt und vorhersehbar. Und doch ist Regisseur Wash Westmoreland eine behaglich-schöne Emanzipationsgeschichte der erfolgreichsten Autorin Frankreichs gelungen, die sich ganz auf deren Anfangsjahre konzentriert.

Colette (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Der Weg zu sich selbst

Ein Biopic über eine Frau, deren Leistung ihrem Mann zugeschrieben wird und die dagegen aufbegehrt – gespielt von Keira Knightley in einem Kostümfilm, der an der Wende zum 20. Jahrhundert in Paris angesiedelt ist. Alles an Colette scheint allzu bekannt und vorhersehbar. Und doch ist Regisseur Wash Westmoreland eine behaglich-schöne Emanzipationsgeschichte der erfolgreichsten Autorin Frankreichs gelungen, die sich ganz auf deren Anfangsjahre konzentriert.

Er sei ihr nicht gewachsen, sagt Sidonie-Gabrielle Colettes Mutter Sido (Fiona Shaw) zu ihrem Mann (Robert Pugh) und spricht über den 14 Jahre älteren Verehrer ihrer Tochter (Keira Knightley), den literarischen „entrepeneur“ Henry Gauther-Villars, genannt Willy (Dominic West), den immerhin ein beträchtliches Erbe erwartet. Aber er sei vernarrt in sie, erwidert der Angesprochene. Tatsächlich ist Willys Verehrung aufrichtig, er hat einen Narren an seiner Braut gefressen und verzichtet ihr zuliebe sogar auf das elterliche Geld.

Was genau es ist, das ihn fasziniert, lässt der Film klugerweise ungesagt. Vielmehr vertraut Wash Westmoreland allein auf seine Hauptdarstellerin Keira Knightley, die die Wandlung von Colette von einer unbedarften jungen Dame zur Pariser Sensation mühelos verkörpert. Am Anfang ihrer Ehe ist sie jung, wirkt unschuldig und fragil. Sie schätzt die Einsamkeit, die Natur, das Ursprüngliche und ist damit ein Gegenpol zu dem Leben voller extravaganter Pariser SelbstdarstellerInnen, in das die Ehe mit Willy sie bringt. Und doch ist da mehr als nur dieser Gegensatz, fast ist man geneigt, Willy zuzugestehen, dass er früh erkannt hat, wie besonders seine Ehefrau ist. Sie hat etwas, das andere Menschen anzieht, wenngleich es nicht auf den ersten Blick zu entdecken ist. Die notorische Pariser Gesellschaft ist indes erstaunt, dass sich der libertine Willy gebunden hat – und es dauert auch nicht lange, bis er seiner Ehefrau untreu wird. Sie ist geschockt, beschämt, verletzt. Letztlich verlangt sie nur eines von ihm: Aufrichtigkeit. Denn sie will nie wieder so vorgeführt und gedemütigt werden.

Willys Affären sind aber nicht die einzigen Sorgen, die das Paar plagen. Sie brauchen Geld. Willy beschäftigt einige Autoren, die für ihn schreiben, aber das bringt nicht genug ein. Also springt seine Ehefrau ein, schreibt über Erinnerungen und nachdem Willy das Buch erst abgelehnt hat, bringt er es doch zu seinem Verleger. Es wird gedruckt – und nicht nur das: Claudine erwacht wird 1900 die neue literarische Sensation in Paris. Unter Willys Namen. So sieht es sein Geschäftsmodell vor. Und die Konventionen der Zeit sprechen gegen eine Frau als Autorin.

Für Willy und Colette beginnt eine kurze Zeit des Rauschs, der Ausschweifung und Selbstverwirklichung. Es wäre nun allzu leicht, diese Ehe als Ausbeutung darzustellen, Willy zwingt seine Ehefrau nachgerade zu einer Fortsetzung, indem er sie in einen Raum einschließt. Und doch ist stets klar, warum Colette bei ihrem Mann bleibt und dieses Spiel mitspielt. Da sind die Erwartungen an sie als Ehefrau und die Vorurteile gegenüber Autorinnen. Da ist aber auch Willys Charme, dem Colette nur zögerlich widerstehen kann. Dominic West spielt Willy mit bestechender Virilität und hinreißender Aufrichtigkeit als einen Mann, der weiß, dass er mit vielen durchkommt, weil viele ihm nicht widerstehen können, und der stets auf sein Glück vertraut. Darüber erweist er sich bisweilen als großzügig und ermunternd – in finanzieller und sexueller Hinsicht: Colette fühlt sich auch zu Frauen hingezogen, schließlich ermuntert Willy sie, eine Verehrerin aufzusuchen. Männliches Besitzdenken und Eifersucht kann auch er nicht abschütteln und fordert seinen Platz zurück. Er will derjenige sein, der begehrt wird und der betrügt. Doch je älter Colette wird, je mehr sie erlebt, desto selbstbewusster wird sie. Und dann lernt sie Missy (Denise Gough) kennen -geboren als Mathilde de Morny, kleidet er sich als Mann. Da Missys Familie mit dem Kaiser verwandt und zudem reich ist, sieht die Pariser Gesellschaft es ihm nach, solange es im halböffentlichen Rahmen bleibt. Missy weiß das und vieles mehr, er formuliert die richtigen und wichtigen Fragen, die Colette schließlich bestätigen und stärken.

Westmoreland nimmt sich viel Zeit, sich den Uneindeutigkeiten zu widmen, die das Leben ausmachen. Hier läuft nicht alles auf den einen Moment zu, in dem Colette ihr Recht als Autorin einfordert. Die Transformation steht im Mittelpunkt, in der Colette nicht ihr Recht auf Anerkennung als Autorin einfordert, sondern auch ihr Recht auf ein selbstbestimmtes, selbstverwirklichtes Leben. Dabei bleibt Colette stets innerhalb der Konventionen eines Arthouse-Films und deutet die Widersprüche der Zeit sowie die subversiven Teile an Colettes Persönlichkeit nur an. Colettes Weg zu sich selbst ist faszinierend, aber durch diese Anlage spart der Film zudem ihr weiteres Leben aus. Die späteren Bücher, der Erfolg mit Gigi, wechselnde LiebhaberInnen, eine vernachlässigte Tochter, eine Affäre mit dem Stiefsohn, die zweite Ehe zur Zeit des Ersten Weltkriegs, die dritte Ehe, in der sie ihren jüdischen Ehemann aus der Haft des Vichy-Regimes befreite: Colettes hochkomplexes Leben böte Stoff für viele weitere Filme, in denen klar wird, dass dieselbe Gesellschaft, die eine Frau gerade gefeiert hat, sie im nächsten Moment fallen lässt. Westmorelands Colette ist daher eine einnehmende Einführung in die Welt einer faszinierenden Frau. Am Ende stellt sich aber auch die Frage, warum ein Film über die fortschrittliche, bisexuelle und widersprüchliche Schriftstellerin derart auf Nummer sicher geht.

Colette (2018)

Colette zählt ohne Zweifel zu Frankreichs wichtigsten und bahnbrechendsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Arbeit im Bereich Fiktion und Journalismus sowie ihre Memoiren lehnten sich gegen die gesellschaftlichen Zwänge auf, denen Frauen unterworfen waren. Wash Westmorelands Film erzählt die Geschichte der Künstlerin im damaligen Paris.

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Meinungen

Franz-Wolfgang Lichtenwörther · 17.12.2023

Ein sehr guter Film, meine ich!!

Regina L · 16.01.2019

Wir sind nach einer dreiviertel Stunde aus dem Kino rausgegangen – der Film war unerträglich!!!