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Über 20 Jahre hat die Fotojournalistin Anja Niedringhaus von den Kriegsschauplätzen der Welt berichtet. Ob Sarajewo, Irak oder Afghanistan – mit ihren Bildern wollte sie die Weltöffentlichkeit aufrütteln. Der Dokumentarfilm würdigt die Fotografin, die 2014 bei der Arbeit erschossen wurde.

Die Bilderkriegerin - Anja Niedringhaus (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Fotografin im Kampfgebiet

„Die Menschen wollen, dass ich sie fotografiere. Sie wollen, dass die Welt sieht, was hier passiert!“, sagt Anja Niedringhaus (Antje Traue) zu ihrem spanischen Kollegen Sergio (Michele Cuciuffo). Ein kleines Mädchen ist beim Spielen getötet worden — in Sarajewo im Kriegsjahr 1992. Die Pressefotografin Anja Niedringhaus mischt sich mit der Kamera unter die Trauernden auf der Beerdigung. Sergio gibt sich Mühe, die unerfahrene Kriegsberichterstatterin zu bremsen. Sie solle sich nie sicher fühlen und auch nie vergessen, dass sie nur Beobachterin sei.

Anja Niedringhaus folgt oft seinem Rat, aber als neutrale Beobachterin sieht sie sich nicht: Mit ihren Fotos – aus dem Balkankrieg, später aus Irak und Afghanistan – will sie die internationale Öffentlichkeit aufrütteln und dazu beitragen, dass Frieden einkehrt. Die Fotojournalistin, die seit 2001 für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) arbeitet, stirbt 2014 in Afghanistan durch die Kugeln aus der Waffe eines einheimischen Offiziers. Das dokumentarische Biopic des deutschen Regisseurs und Fotografen Roman Kuhn erzählt ihr Leben als Kriegsberichterstatterin nach, beginnend mit dem ersten Einsatz im Jahr 1992. Als Methode wählt Kuhn das Reenactment, das immer wieder von kurzen Statements und Archivaufnahmen unterbrochen wird. Für die Regie dieses dokumentarischen Teils ist Sonya Winterberg verantwortlich.

Unter den Interviewten, die sich an Anja Niedringhaus erinnern, befinden sich prominente Namen wie der ehemalige afghanische Präsident Hamid Karzai. Er würdigt die Deutsche und ihre AP-Kollegin, die Chefreporterin Kathy Gannon, als sehr couragierte Frauen. Niedringhaus und Gannon (Dulcie Smart) bereisen 2014 gemeinsam die afghanische Bergprovinz, in der sich die Menschen den Drohungen der Taliban widersetzen und den Präsidenten wählen gehen. Das Attentat, das Niedringhaus tötet, überlebt Gannon schwer verletzt. Auch ihr Vorgesetzter bei der AP, der Fotochef Santiago Lyon, würdigt Niedringhaus als „eine führende Fotojournalistin ihrer Generation“ und erinnert sich an ihr „silbernes, unbeschwertes Lachen“. Im Jahr 2005 hatte Niedringhaus als erste deutsche Fotografin den renommierten Pulitzerpreisfür ihre Bilder aus dem Irakkrieg erhalten.

In den Reenactment-Szenen sieht man die Fotografin, wie sie beherzt irakische Kriegsgefangene mit den Kapuzen auf dem Kopf ablichtet, die ihnen die US-Soldaten aufgesetzt haben. Damit verstößt sie gegen das Gebot der US-Armee, dass Kriegsgefangene nicht fotografiert werden dürfen. Die Spielfilmhandlung, die den ganzen Inhalt dominiert, erzählt davon, was Niedringhaus interessiert – die Menschen, ihr Leid und ihre Würde, nicht aber die Gefechte selbst – und wie sich ihr berufliches Verständnis weiterentwickelt. Am Beginn des 21. Jahrhunderts überlegt Niedringhaus, die auch als Sportberichterstatterin arbeitet, sich beruflich umzuorientieren. Aber nach den Anschlägen vom 11. September 2001 steht für sie fest, dass sie weiter von Kriegsschauplätzen berichten wird.

Zum Reenactment gehört auch, dass Niedringhaus eine Erzählstimme aus dem Off erhält, mit der sie beispielsweise sagt, wie vernarrt sie in Afghanistan sei, wie sehr sie den Mut und die Herzlichkeit der Leute bewundere. Im Jahr 2014 aber beichtet sie in einer Spielszene der Kollegin und Freundin Kathy, dass sie an der Wirkung ihrer Bilder zweifelt, am Sinn ihrer Arbeit, und dass sich eine Müdigkeit ausbreite. Es frustriert sie , dass die internationale Presse ihre Fotos von afghanischen Aktivistinnen, die selbstbewusst und mutig nur Kopftuch statt Burkas beim Fototermin tragen, nicht druckt. Am Ende des Films ist Anja Niedringhaus selbst auf Fotos zu sehen, als junge und als grauhaarige Frau, meistens unbeschwert lächelnd und voller Energie. Anders als Sergio, ihr geschätzter Kollege, mit dem sie auch eine Liebe verband, ist sie der Berichterstattung aus Kriegs- und Kampfgebieten bis zuletzt treu geblieben.

Wie es bei Reenactment zudem oft passiert, wirken auch in diesem Film die Spielszenen leider weder authentisch und realitätsnah, noch sind sie ein Höhepunkt darstellerischer und inszenatorischer Kunst. Anja und die anderen Charaktere denken viel nach, reden manchmal hölzern, scheinen in spannungsarmen Szenen weit weg von der fiebrigen Hektik zu sein, die man als Laie mit einem Kriegsschauplatz verbindet. Leider bleibt auch unklar, bis zu welchem Grad sich die Dialoge, die nacherzählten Ereignisse auf reale Dokumente stützen. Statt der Spielszenen, die Anja mit einer ihrer Schwestern zeigen, wäre es beispielsweise vielleicht ergiebiger gewesen, ihre Angehörigen selbst und in echt zu Wort kommen zu lassen. Auch eine der aufschlussreichsten Aussagen über Anja Niedringhaus steuert in diesem Film ein Interviewpartner bei, der Fotograf Michael Kamber von der New York Times. Er sagt, er habe Niedringhaus als Konkurrentin gefürchtet, so gefragt, wie ihre Bilder bei den Zeitungen gewesen seien.

Die Bilderkriegerin - Anja Niedringhaus (2022)

Die Fotografin Anja Niedringhaus ist 26, als sie 1992 nach Sarajewo kommt, um über den Krieg zu berichten. Vor Ort ist es bitterkalt, es gibt keinen Strom, kaum Nahrung, und jede:r ist ständig in Lebensgefahr. Der spanische Fotograf Sergio nimmt sie unter seine Fittiche und zeigt ihr, wie man in einem Kriegsgebiet überlebt. Anja berichtet mit Unterbrechungen fast drei Jahre von dem Schauplatz, später arbeitet sie u.a. im Kosovo und in Afghanistan. 2001 wechselt sie zur renommiertesten Bildagentur der Welt, Associated Press (AP). Ihre Fotos landen auf den Titelseiten der großen internationalen Zeitungen, 2005 erhält sie für ihre Berichterstattung aus dem Irak den Pulitzer Prize. In Kabul lernt sie die AP-Chefkorrespondentin Kathy Gannon kennen, beide sind bald ein unzertrennliches Team. Doch dann kommt es während der afghanischen Präsidentschafts¬wahlen 2014 zu einem verheerenden Anschlag …

 

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