Drei Stern Rot

Eine Filmkritik von Red.

Nattenklinger lebt!

Eine stürmischen Nacht an der innerdeutschen Grenze: Ein NVA-Grenzsoldat hat ein Flüchtling gestellt und nähert sich nun mit gezogener Waffe dem Mann. Gebannt schaut man hin, spürt die Spannung förmlich, ob der Grenzer schießt oder nicht – bis eine Stimme aus dem Off die Szene mit dem Wort „Cut“ unterbricht und man realisiert, dass dies alles nur ein Film war. Kaum entspannt man sich aber, bricht auf dem Set des Films unvermittelt ein Streit aus: Christian Blank (Rainer Frank), einer der Komparsen, der einen Grenzer spielt, geht unvermittelt und ohne jeden ersichtlichen Grund auf einen der Hauptdarsteller los und prügelt auf ihn ein, bis ihn die Umstehenden von dem fassungslosen Opfer wegziehen können. Blank landet in der Psychiatrie, wo sich die attraktiver Dr. Pamela Wehmann (Petra Kleinert) seiner annimmt und ihn zum Reden bringt. Was sie nun von ihm erfährt, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Vorkommnisse in jener Nacht. Denn Blank war tatsächlich als Grenzsoldat an der innerdeutschen Grenze im Einsatz und ist deshalb schwerstens traumatisiert.
Scheibchenweise erfährt die Psychiaterin nun von ihrem Patienten dessen Lebensweg in der DDR. Und der wird beherrscht von zwei Personen, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben ziehen. Da ist zum einen Jana (Meriam Habbas), seine große Liebe von Kindesbeinen an. Sie verkörpert das gute Prinzip, die Wärme und Freude in seinem Leben. Und zum anderen gibt es den autoritären Major Nattenklinger (Dietmar Mössmer), der seine Untergebenen immer wieder drangsaliert. Das Schlimme an Nattenklinger ist zudem, dass sich sein Gesicht über all die Menschen legt, von denen Blank der Ärztin erzählt. Das strenge und unbarmherzige Antlitz des Vorgesetzten, es wird zur hässlichen Fratze des Regimes. Und wie es scheint, hat dieses Prinzip des Bösen den Kampf gewonnen – Jana lebt mittlerweile weit weg in den USA, während Nattenklinger auch heute noch durch das Leben des Ex-Grenzsoldaten spukt…

Drei Stern Rot ist meilenweit entfernt von der krachenden Humorigkeit von Filmen wie Sonnenallee oder NVA, die zwischen Sarkasmus und lustig gemeinter Verklärung den Alltag in der DDR zu beschreiben versuchen – von Bewältigung kann bei den genannten Filmen jedenfalls nicht die Rede sein. Ganz anders geht Olaf Kaiser an das Thema heran, indem er seinen Film von vornherein als metaphorische Krankheitsgeschichte der DDR anlegt. Dass in Drei Stern Rot ausgerechnet ein NVA-Grenzsoldat den Sympathieträger spielt, mag manchem Zuschauer nicht passen. Doch weil Blank neben seiner Funktion auch noch ein ganz normaler und durchaus kritischer Bürger des Arbeiter- und Bauernstaates ist, rücken so die Neurosen, Verdrängungen und die Paranoia in den Mittelpunkt, die der Staat bei seinen Bürgern hinterlassen hat. Das ist zwar nicht so behaglich wie die grassierende Ostalgie oder wie das Deuten auf Andere, wenn es um Fragen der Verantwortung des Einzelnen geht, trifft aber den Kern der Geschichte eher als der verklärende Blick auf die DDR.

Pünktlich zum 20. Jahrestag des Mauerfalls kommt dieser Film, der im Mai 2002 schon einmal in den deutschen Kinos zu sehen war, nun abermals auf die Leinwand. Mal sehen, ob und wie sich die Reaktionen darauf im Laufe der Zeit verändert haben. Diese manchmal grellbunte und im nächsten Moment wieder sehr sensible Farce ist sicher technisch nicht so perfekt geraten wie mancher andere und wesentliche teurere Film zum Thema DDR, dafür hat Drei Stern Rot aber nach wie vor nichts von seiner Schärfe verloren.

Drei Stern Rot

Eine stürmischen Nacht an der innerdeutschen Grenze: Ein NVA-Grenzsoldat hat ein Flüchtling gestellt und nähert sich nun mit gezogener Waffe dem Mann. Gebannt schaut man hin, spürt die Spannung förmlich, ob der Grenzer schießt oder nicht – bis eine Stimme aus dem Off die Szene mit dem Wort „Cut“ unterbricht und man realisiert, dass dies alles nur ein Film war.
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Meinungen

Jörg Piecha · 24.11.2009

Witzig und mir sehr viel Tiefgang. Darstellung ist sehr authentisch. Selbst kleine Details, die sich nur ehemaligen Grenzsoldaten erschließen, sind enthalten. Der gehört in die Öffentlichkeit.

Jan Sanders · 08.11.2009

Wirklich erfrischender Blick auf die DDR. Lustig, böse und im Dialog wirklich authentisch. Hat mir sehr gut gefallen, habe viel gelacht.