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Von einer unmöglichen Liebe erzählt Piotr Lewandowski („Jonathan“) in seinem neuen Film „König der Raben“ und schickt Malik Blumentahl und Antje Traue in eine Amour fou am Rande der Gesellschaft.

König der Raben (2020)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Am Rande der Gesellschaft

Von Menschen am Rande der Gesellschaft, die illegal in Deutschland leben, erzählt Piotr Lewandowski in seinem neuen Film „König der Raben“ und lässt einen jungen Mann aus Mazedonien auf eine traumatisierte Deutsche treffen. 

Der 22-jährige Darko (Malik Blumenthal) stammt aus Mazedonien und lebt zusammen mit seiner traumatisierten und kranken Mutter ohne offiziellen Aufenthaltsstatus und damit ohne gültige Papiere in Deutschland. Seine rechtliche Lage treibt ihn in die Kleinkriminalität, wo er von skrupellosen Bossen gnadenlos ausgenutzt wird. Doch nur so kann er den fragilen Zustand seiner Existenz finanziell absichern und sich um seine Mutter kümmern. Es ist vor allem die Freundschaft zu Yanoosh (Karim Günes) und Manolo (Mart Dincer), die ihn trägt: Sie sind drei, die sich stets aufeinander verlassen können und füreinander sterben würden.

Doch dann ändert sich mit einem Mal und durch eine Begegnung schlagartig die gesamte fragile Balance, die Darko mit allen Mitteln aufrechterhalten will, als er durch einen Zufall die Künstlerin Aline (Antje Traue) kennenlernt. Gegen jede Vernunft entspinnt sich zwischen den beiden eine leidenschaftliche Affäre, doch die droht alles in Frage zu stellen, was sich Darko mühsam aufgebaut hat. 

Während wir Darko und seine Lebenswelt von Anfang an in aller Ausführlichkeit geschildert bekommen, bleibt Aline vom ersten Moment an ein Mysterium — und das sagt sie auch selbst an einer Stelle von König der Raben: „Ich bin ein einziges Geheimnis“. Vieles aus ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart bleibt im Verborgenen — wie etwa die Beziehung zu einem älteren Mann, mit dem Darko konkurrieren muss. Ist das ihr Ehemann, ein Ex oder verbindet die beiden vielleicht doch etwas ganz anderes? Jedenfalls gibt es offensichtlich eine Form der Beziehung, vielleicht auch der Abhängigkeit Alines, von der Darko nichts weiß. Und eine Zukunft, zumal eine gemeinsame, das scheint von Anfang an ausgeschlossen zu sein, da Aline sich immer nur dann bei Darko meldet, wenn ihr gerade der Sinn danach steht. Irgendwann erfährt man, dass Aline durch eine Fehlgeburt schwer traumatisiert und selbstmordgefährdet ist — doch da ist Darko längst Hals über Kopf verliebt und setzt für diese Liebe alles aufs Spiel: seine Freundschaften, die Beziehung zu seiner kranken Mutter und die Notwendigkeit, sich der ständig drohenden Ergreifung durch die Polizei zu entziehen. 

Wie bereits in seinem Erstling Jonathan erprobt, setzt Piotr Lewandowski auch in seinem zweiten Film ganz auf die Macht der Emotionen und zielt damit auf eine Sinnlichkeit ab, wie man sie im deutschen Kino nur selten sieht. Sein Film beruht (auch) auf eigenen Erfahrungen, die der aus Polen stammende Lewandowski machte, aber auch auf dem Zusammenleben mit einer migrantischen Familie, das der Filmemacher zum Zwecke der Recherche unternahm. 

Obwohl der Fokus klar auf der völlig unmöglichen Liebesgeschichte liegt, hat der Regisseur dennoch viel anderes in seinen Film hineingepackt: Er ist packende Milieustudie und Sozialdrama über Menschen am Rande der Gesellschaft, enthält schöne Miniaturen über Freundschaft und Solidarität, hat Momente voller Leben und Vitalität und dann im nächsten Augenblick ganz zärtliche und feine Szenen voller liebevoller, kleiner Details. Mit leichter Hand wechselt die Kamera zwischen diesen Ambivalenzen und emotionalen Polen hin und her, unterstützt von einer kongenialen Musikauswahl, die die Bandbreite der Emotionen angemessen begleitet und untermalt und so dazu beiträgt, dass dieser kleine Film überzeugt und packt.

König der Raben (2020)

Der junge Mazedonier Darko lebt illegal in Deutschland und versucht sich und seine kranke Mutter im Großstadtdschungel über Wasser zu halten. Der Überlebenskünstler schlägt sich mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln durch. Als er eine Amour fou mit einer geheimnisvollen Deutschen namens Alina beginnt, droht er vollends den Kopf zu verlieren, denn sie lässt lange offen, ob sie seine Gefühle teilt

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