Ang Lee - Arthaus Close-Up

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Facetten eines vielseitigen Filmemachers

Es sind extrem unterschiedliche Filme von Literaturverfilmungen bis hin zur Umsetzung eigener Stoffe, die das Werk des aus Taiwan stammenden und nunmehr US-amerikanischen Filmemachers Ang Lee prägen, der im kommenden Oktober sechzig Jahre alt wird und sich im Laufe seiner stetigen Karriere längst das internationale Renommee eines großartigen Regisseurs mit einem ganz besonderen Feingefühl für die persönlichen und sozialen Befindlichkeiten seiner Filmfiguren erworben hat. Nun widmet ihm Arthaus ein Close-Up mit drei Filmen aus den Jahren 1994 bis 2000 und wirft damit einen ansprechend ausgewählten Blick auf die Filmkunst von Ang Lee, deren Facetten hier ganz trefflich repräsentiert werden.
Wenn der Witwer Chu (Sihung Lung) für sich und seine erwachsenen Töchter Jia-Chien (Chien-Lien Wu), Jia-Jen (Kuei-Mei Yang) und Jia-Ning (Yu-Wen Wang), die alle drei noch im Elternhaus leben, das allsonntägliche gemeinsame Mahl zubereitet, so offenbart sich in diesem ausführlichen und sorgfältigen, geradezu rituellen Akt die enorme Spannbreite der Kochkunst eines leidenschaftlichen Meisters der Kulinarie, für den Essen weit mehr bedeutet als notwendige Nahrungsaufnahme, auch wenn sein eigener Geschmackssinn sich gerade zurückgezogen hat. Dass dieser am Ende dieser ereignisreichen Geschichte mit ihren dynamischen Veränderungen jedes Einzelnen sowie innerhalb des eingefahrenen Familiensystems wieder auflebt, markiert nur eine der hintergründigen Entwicklungen von Eat Drink Man Woman / Yin shi nan nu (1994), der die gleichermaßen banalen wie existenziellen Aspekte des Lebens in bewegende Bilder bannt und seinerzeit unter anderem als Bester fremdsprachiger Film für den Oscar und in sechs Kategorien für die Independent Spirit Awards nominiert war.

Nach dem gleichnamigen Roman von Rick Moody hat Ang Lee das dichte Drama Der Eissturm / The Ice Storm (1997) inszeniert, das sich mit apokalyptisch anmutendem Ausgang den verstörenden Abgründen um die hier schier unüberbrückbar erscheinende Kluft zwischen den Generationen der Eltern und ihren pubertierenden bis heranwachsenden Kindern beschäftigt. Vor dem deutlich durchscheinenden politischen Szenario der USA der frühen 1970er Jahre im Zuge von Vietnamkrieg und Watergate ereignen sich im provinziellen Connecticut anwachsend verstörende Familiengeschichten mit individualistischen Ausbruchstendenzen und einer herrschenden Beziehungsarmut zwischen den einzelnen Protagonisten, die von einem emphatisch aufspielenden Ensemble mit damals jungen Akteuren wie Tobey Maguire, Christina Ricci, Elijah Wood und Katie Holmes verkörpert werden. Trotz zahlreicher Auszeichnungen wurde Der Eissturm seinerzeit nur zurückhaltend vom großen Kinopublikum frequentiert – zu Unrecht, denn diese einfühlsam inszenierte Literaturverfilmung transportiert mit ihren unausweichlich eskalierenden Entwicklungen eine wahre Wucht an schwelenden Disharmonien, die auch jenseits des gequälten Blicks auf die US-amerikanische Gesellschaft einige generelle wichtige Nachdenklichkeiten über die Fallstricke des Großwerdens und Erwachsenseins innerhalb des Molochs Familie ankurbeln.

Dass es ihm mit scheinbar müheloser, beachtlicher Bravour gelingt, ein so außergewöhnliches wie signifikantes Werk innerhalb des Martial Arts Genres zu schaffen, hat Ang Lee mit Tiger & Dragon / Wo hu cang long aus dem Jahre 2000 bewiesen, der mit einem regelrechten Regen an renommierten Filmpreisen bedacht wurde, die Kunst des Kämpfens mit anmutiger Eleganz zelebriert und den Fokus auf die Gefühlswelten, Umtriebe und Interaktionen seiner Protagonisten richtet, die sich im China der Qing-Dynastie ihrem unwegsamen Schicksal stellen. Zwei tragische Liebesgeschichten – eine unerfüllte alte und eine stürmische junge – umranken mit emotionaler Tiefe die Ereignisse um das sagenhafte grüne Schwert der Unterwelt, das so begehrt wie gefürchtet seine legendäre Macht verströmt und im Spannungsfeld von Sehnsucht, Verzicht und Rache angesichts der gravierenden Geschehnisse letztlich seine Relevanz einbüßt. Deutlich stärker an Lebensweisheiten und kommunikativen Elementen orientiert als auf plakative Aktion setzend vermag es Tiger & Dragon ganz ausgezeichnet, den hintergründigen Geist jener asiatischen Philosophie ansprechend mit ihrer Kampfkunst zu verknüpfen und dabei die ganz persönliche Haltung und nicht etwa die erlernte Technik als entscheidendes Motiv zu betonen, das wahre Meisterschaft markiert.

In bewährter Kooperation mit dem Drehbuchautoren und Filmproduzenten James Schamus, der bei der diesjährigen Berlinale als Präsident der Jury fungierte, präsentiert Regie-Meister Ang Lee innerhalb dieser drei Filme des Arthaus Close-Ups seine variantenreichen Fähigkeiten als moderner Filmemacher mit einem ergreifenden Gespür für die großartige Gestaltung von Geschichten, bei denen sich auch augenscheinliche Banalitäten zu wichtigen Bestandteilen bedeutsamer Entwicklungen auswachsen.

Ang Lee - Arthaus Close-Up

Es sind extrem unterschiedliche Filme von Literaturverfilmungen bis hin zur Umsetzung eigener Stoffe, die das Werk des aus Taiwan stammenden und nunmehr US-amerikanischen Filmemachers Ang Lee prägen, der im kommenden Oktober sechzig Jahre alt wird und sich im Laufe seiner stetigen Karriere längst das internationale Renommee eines großartigen Regisseurs mit einem ganz besonderen Feingefühl für die persönlichen und sozialen Befindlichkeiten seiner Filmfiguren erworben hat.
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