Amateur

Eine Filmkritik von Falk Straub

Trio surreal

Eine ehemalige Nonne (Isabelle Huppert), die sich für eine Nymphomanin hält, ein Mann ohne Vergangenheit (Martin Donovan) und eine Pornodarstellerin (Elina Löwensohn) auf der Flucht vor Auftragskillern: Willkommen in Hal Hartleys wunderbar abstruser Welt! Amateur erscheint nun erstmals auf DVD.
Ab und an wundert man sich dann doch, wie dürftig die Auswahl fürs Heimkino in manchen Sparten gerät, trotz Tausender Veröffentlichungen jedes Jahr. Regisseur und Drehbuchautor Hal Hartley (Henry Fool) gilt längst als eine der Schlüsselfiguren des Independentfilms, seine Werke sind in Deutschland dennoch fast ausschließlich als Import zu haben – egal ob direkt aus den USA, aus England, Frankreich, Spanien, den Niederlanden oder Polen. KNM legt mit Amateur nun einen seiner formal strengsten Filme auf DVD auf.

Nach sieben Kurz-, drei Langfilmen und einem Mittellangfilm markiert Amateur 1994 einen ersten Wendepunkt in Hal Hartleys Karriere. Zwar ist der Humor immer noch trocken, sind die Figuren gewohnt außergewöhnlich und die Dialoge der Realität entrückt, Hartley schlägt jedoch erstmals einen dunkleren Ton an. In seiner ironisch gebrochenen, metaphysisch aufgeladenen Thrillerromanze treffen eine nymphomane Nonne, die sich mit dem Verfassen von Schmuddelgeschichten über Wasser hält, ein Mann ohne Erinnerung und eine Pornodarstellerin aufeinander. Als sich zwei Auftragskiller an ihre Fersen heften, rauft sich dieses Trio wider Willen zusammen und findet heraus, dass sie mehr vereint, als auf den ersten Blick angenommen.

So seltsam wie die Handlung mutet auch deren Vermittlung an. Obwohl Amateur in und um New York spielt, ist die Metropole am Hudson kaum zu sehen. Denn Hartley zeigt weder eines der bekannten Wahrzeichen noch Einstellungen, die einen Überblick verschafften. Eine Großstadt von unten, von den schäbigen Diners, den dampfenden Gossen, dreckigen Hinterhöfen und abbruchreifen Lagerhallen, ergo von den unbekannten Ecken aus betrachtet. Hier ähnelt Amateur Martin Scorseses Hexenkessel (1973) und Taxi Driver (1976) oder Michael Manns Showdown in L.A. (1989) und dessen Remake Heat (1995) – engt das Blickfeld jedoch noch stärker ein. Amateur ist ein Film, der unvermittelt beginnt und dabei ganz auf einordnende Totalen verzichtet. Selbst in einem kleinen Straßencafé kann das Publikum da schon einmal den Überblick verlieren. Das wirkt mal klaustrophobisch wie in Darren Aronofskys Black Swan (2010), meist jedoch einfach nur ungewöhnlich, weil ungewohnt – im Zusammenspiel mit den gekünstelten Dialogen rätsel- und traumhaft.

Seine Protagonistinnen inszeniert Hartley auch visuell ganz bewusst als zwei Seiten einer Medaille: die gefallene Nonne als rotblonde Variante der geläuterten, schwarzhaarigen Erotik-Aktrice. Wie Hartley überhaupt das Doppelgängermotiv in Amateur bemüht. Auch die beiden Auftragskiller mit Handy-Problemen sind austauschbar. Seine Figuren zeigt Hartley häufig in nahen und halbnahen Einstellungsgrößen, und platziert sie so, dass bereits zwei Protagonisten die Kadrage ausfüllen. Wer nun statische Tableaus erwartet, sieht sich getäuscht. Hartley ist ein Meister darin, seine schrägen Charaktere auf engstem Raum ebenso schräge Bewegungen vollführen zu lassen. Kurz vor Schluss führt das zu einem der virtuosesten Todesballette seit Sam Peckinpah (The Wild Bunch, Getaway), freilich absurd komisch statt blutig brutal. Das alles macht Amateur auch mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Entstehen zu einem seltsam schönen (Seh-)Erlebnis. Ein Film, der ein (Wieder-)Sehen lohnt und angesichts des dürftigen Angebots auf dem deutschen Markt wenigstens etwas Bonus zum Regisseur und dessen Werk vertragen hätte.

Amateur

Eine ehemalige Nonne (Isabelle Huppert), die sich für eine Nymphomanin hält, ein Mann ohne Vergangenheit (Martin Donovan) und eine Pornodarstellerin (Elina Löwensohn) auf der Flucht vor Auftragskillern: Willkommen in Hal Hartleys wunderbar abstruser Welt! „Amateur“ erscheint nun erstmals auf DVD.
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