Yella (2007)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Brummen der Metaphysik

Ohne Zweifel zählt Christian Petzold zu den interessantesten, unkonventionellsten und kontroversesten Filmemacher dieser Tage in Deutschland. Auch sein neuer Film Yella, der in diesem Jahr auf der Berlinale im Wettbewerb zu sehen war, dürfte an den zwiespältigern Reaktionen bei Publikum und Kritik nichts grundlegend ändern, denn — und das ist ohne Zweifel eine gute Nachricht — Petzold bleibt sich und seinem unverwechselbaren Erzählstil treu. Vor allem im Ausland wird Petzold als einer der Hauptexponenten einer deutschen „Nouvelle Vague“ wahrgenommen, die an die Traditionen des neuen deutschen Filmes anknüpft und diesen in die heutige Zeit updatet. So sind Petzolds Filme also niemals „nur“ Kino, sondern stets zugleich auch Zeitkritik und Gesellschaftsanalyse und atmen die Schwere kondensierter bundesrepublikanischer Wirklichkeit.

Mit Yella verfolgt Christian Petzold seinen einmal eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Im Mittelpunkt des Werks steht Yella (Nina Hoss), eine junge Frau, die nach einer gescheiterten Ehe und der Insolvenz der Firma ihres Mannes Ben (Hinnerk Schönemann) ihrer Heimat Wittenberge den Rücken kehrt und im Westen noch einmal neu anfangen will. Auf der Fahrt zum Bahnhof provoziert Ben zudem noch einen Unfall, bei dem sich Yella nur mit höchster Not aus dem Wagen retten kann. Doch auch im Westen hat sie zunächst nur wenig Glück; der erste Job entpuppt sich als wenig glückliche Wahl, denn die Firma ist genauso pleite wie das Unternehmen ihres Mannes. Sie lernt Philipp (Devid Striesow) kennen, einen jungen Manager für Risikokapital, bei dem sie als Assistentin zu arbeiten beginnt. Fasziniert lernt sie die Welt der Finanzjongleure kennen und beherrscht schnell die Tricks und Gaunereien, die kleinen Codes und einstudierten Gesten jener Spezies. Bald schon deutet sich so etwas wie eine gemeinsame Zukunft an, doch immer wieder drängt sich die mühsam hinter sich gelassene Vergangenheit in Yellas neues Leben. Zudem häufen sich merkwürdige Zeichen, die signalisieren, dass mit ihrem Leben grundsätzlich etwas nicht in Ordnung ist…

Wie zu erwarten war, ist Christian Petzolds Film Yella schwere Kost. Es ist schon bewundernswert, mit welcher Konsequenz der Regisseur seinen Weg weiterverfolgt und sich den Mechanismen konventionellen Filmemachens verweigert. Neu allerdings ist das Eindringen der Metaphysik in Petzolds bisherigen Hyperrealismus: Zeichneten sich seine Filme bisher durch extreme Nüchternheit aus, waren seine Räume bislang vor allem Orte der Leere und Isolation, der Vereinsamung und der erstarrten Kommunikation, kommt nun eine neue symbolistische Ebene hinzu, in der alles mit verborgenen Zeichen aufgeladen ist und auf Bedeutungen jenseits unserer Erfahrung hindeutet. In manchen Momenten erinnert der Film an Werke wie Blow Up (1966) von Michelangelo Antonio, wenn das Rauschen der Blätter eines Baumes drohendes Unheil verkündet, in anderen wieder an Horror-Filme wie Carnival of Souls (1962) von Herk Harvey. Auch wenn der Horror bei Yella jener des Alltäglichen ist, gelingt es Petzold, die Aufmerksamkeit des Zuschauers über den gesamten Film zu fesseln, und zwar nahezu unter Ausschluss sämtlicher Regeln des Suspense. In gewisser Weise bildet Yella den dramatischen Schluss- und Endpunkt, den Petzold mit Wolfsburg und Gespenster einst begann — das Leben, wie wir es kennen, ist nicht denkbar ohne die Chimären und Trugbilder dessen, was wir tief in unseren Seelen mit uns herumtragen. Oder mit anderen Worten: Wir sind alle Zombies, Verdammte und Gespenster, auf die ein oder andere Weise. Ein Gedanke, der nicht gerade zu unserer Beruhigung beiträgt. Aber das liegt ja auch kaum in Interesse Petzolds.
 

Yella (2007)

Ohne Zweifel zählt Christian Petzold zu den interessantesten, unkonventionellsten und kontroversesten Filmemacher dieser Tage in Deutschland.

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Meinungen

354skank · 14.09.2007

Den Alpdruck, der diesem Film zu eigen ist, habe ich mit einer leichten Verärgerung hingenommen. Nach einer guten Viertelstunde kam der Impuls, das Kino zu verlassen. Gut, dass ich blieb. Erstaunlich, dass es funktionierte. Die Absurdität der Realität wird wohl mit klaren, distanzierten Bildern noch immer am besten eingefangen. Nina Hoss blickt in eine Scheinwelt, die ihre und sicherlich auch unsere Vorstellungen bedient, aber dennoch fasziniert. Doch da es belebte Vorurteile bleiben, dürfen wir der Darstellung am Ende doch nicht trauen. Das bleibt der einzige und unumgängliche Schwachpunkt eines vielfach beeindruckenden -und berührenden - Films.
Ein Dank auch an Ambrose Bierce?

Frank Schneider · 10.09.2007

Ein großartiger, intelligenter Film. Viele Kleinigkeiten in diesem Film deuten auf das Ende hin. Wenn es kommt ist man aber dennoch überrascht. Nina Hoss ist genial. Von dem Duo Petzold/Hoss kommt hoffentlich noch mehr. Vor allem mehr solche Filme. Nicht glattgebügelt, sondern kantig.