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In ihrer Romanverfilmung „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ entwirft Sonja Heiss einen detailreichen Kosmos mit herrlich interpretierten Figuren.

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Auf der Suche nach Felicità

Schon der Anfang von Sonja Heiss’ „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, der Leinwand-Adaption des gleichnamigen autobiografischen Bestsellers von Joachim Meyerhoff, lässt erahnen, dass wir in diesem Film viel großartige Musik geboten bekommen. Während der siebenjährige Joachim, genannt Josse (Camille Loup Moltzen), beim familiären Strandurlaub im Meer badet, erklingt This is the Day der britischen Rockband The The – ein Song, in dem es um erhoffte Veränderungen im Leben geht sowie um Erinnerungen, die alles wie Klebstoff zusammenhalten.

Im weiteren Verlauf der Handlung folgen unter anderem Can’t Help Falling in Love von Elvis Presley, Felicità von Al Bano & Romina Power und Electricity von Orchestral Manoeuvres in the Dark. Diese Lieder sind stets mehr als ein atmosphärischer Klangteppich, um die Vergangenheit heraufzubeschwören. Sie dienen vor allem dazu, Momente und Orte der Sehnsucht, des Abenteuers, der glitzernden Freiheitsversprechen zu erfassen.

Den Elvis-Song hört Josse zum Beispiel erstmals in seinem Kopf, als er mit seinen aufwallenden Hormonen konfrontiert wird. Die Midtempo-Pop-Ballade des italienischen Duos Bano und Power, die das Glück der Liebe feiert, ist wiederum für Josses Mutter Iris (Laura Tonke) von immenser Bedeutung: Sie steht für einen mondänen Lifestyle, für das süße Leben im fernen Italien, das Iris auch als Hobby-Malerin in verträumten Gemälden ins wenig glamouröse Schleswig-Holstein zu bringen versucht.

Josses Vater Richard (Devid Striesow) ist in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hesterberg als ärztlicher Direktor tätig. Das Ehepaar lebt mit seinen drei Söhnen in einer Villa auf dem Gelände der Klinik. Die zahlreichen Patient:innen sind gewissermaßen eine erweiterte Familie und somit etwa ganz selbstverständliche Gäste auf Geburtstagsfeiern im Hause Meyerhoff – worüber Iris zuweilen nicht allzu erfreut ist. Es gelingt dem Film, einerseits die Perspektive des kindlichen und später jugendlichen Josse einzunehmen, und andererseits doch von Beginn an durchschimmern zu lassen, dass die Ehe von Richard und Iris eher unharmonisch ist – selbst wenn sich dem Protagonisten die Gründe hierfür altersbedingt zunächst kaum erschließen.

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war fängt die Zeit der 1970er und 1980er Jahre in vielen kleinen Details ein, durch eine geschickte Wahl von Farben, Mustern und Requisiten – etwa wenn die Kamera von Manuel Dacosse die Hauptfigur auf dem Schulweg begleitet und dabei am Rande die Leistungen in den Bereichen Szenenbild, Kostüm und Maske würdigt, oder wenn Iris eine Schallplatte auflegt und auf dem flauschigen Fußbodenbelag im Wohnzimmer tanzt. Zwar erzählt der Film von einem recht ungewöhnlichen Umfeld, aber er schafft es auch, das Gefühl des Heranwachsens, zwischen Alltag, Absurdität und Mini-Katastrophen, ganz universell greifbar zu machen.

Obendrein liefert das Drehbuch, das Heiss zusammen mit Lars Hubrich auf Basis des 2013 erschienenen Romans geschrieben hat, gleich mehrere spannende Charakterstudien. Josse, der als 14-Jähriger von Arsseni Bultmann und im letzten Akt als 25-Jähriger von Merlin Rose verkörpert wird, hat immer wieder mit Wutanfällen zu kämpfen. Wenn er als Siebenjähriger zur Beruhigung auf die ratternde Waschmaschine gesetzt wird und ein Lied singen soll, ist das ein schönes, tragikomisches Bild für das innere Chaos eines jungen Menschen.

Für die Darstellung von Josses Vater Richard findet Devid Striesow derweil die richtige Balance, um die Figur weder zu idealisieren noch lächerlich zu machen: Der Kinder- und Jugendtherapeut ist ein Mann, der im Beruf und in der Theorie zu brillieren vermag, in der Praxis und im privaten Umgang indes klare Defizite hat. Einfach nur umwerfend ist schließlich Laura Tonke, die mit Heiss bereits Hedi Schneider steckt fest (2015) gedreht hat. Wenn Iris zu Weihnachten von ihrem Gatten ein Küchen-Schneidegerät geschenkt bekommt und daraufhin im Stil einer großen Tragödin eskaliert (denn was ist das bitte für ein unfassbar mieses Geschenk?!), macht Tonke daraus eine unvergessliche, aberwitzige Szene, die uns schmerzlich bewusst macht: Felicità ist leider gerade nicht mit uns im Raum.

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (2023)

Joachim wächst als Sohn des Direktors auf einem riesigen Psychiatriegelände unter Hunderten Patienten auf. Irrsinnig komisch und tief berührend erzählt der auf dem autobiografischen Roman basierende Film von Joachim Meyerhoffs außergewöhnlicher Kindheit in der alten BRD. (Quelle: Komplizen Film)

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Meinungen

Ursula · 05.04.2023

Die Geschichte samt der sie spielenden Schauspieler ist in Ordnung. Das Szenebild von Erwin Prib ist dafür hervorragend. In allen Teilen des Films. Deswegen finde ich den Film besonders sehenswert.

Johannes Zimmer · 28.03.2023

Ein gelungener Film, ohne Frage. Tolle Schauspieler durch die Bank. Besonders die Szenen mit den geistig eingeschränkten Menschen sind sehr authentisch. Trotzdem bleibt ein Wermutstropfen, vor allem bei denjenigen, die das Buch kennen. Bei aller Traurigkeit hat es Meyerhoff geschafft, seine autobiografischen Schicksalsschläge mit einergrandiosen Leichtigkeit zwischen Komik und Tragik zu verpacken. Diese Leichtigkeit vermittelt der Film in der ersten Hälfte auch perfekt. Dann wird er aber immer schwerer und schwerer und entlässt die Zuschauer mit dunklen Gedanken.

wignanak-hp · 18.03.2023

Auch ich war skeptisch, wie man Meyerhoffs Roman auf die Leinwand bringen könnte. Doch ich wurde positiv überrascht. Der Film fängt die Atmosphäre wunderbar ein und die Kinderdarsteller sind wirklich toll. Natürlich können knapp 120 Minuten nicht alle Details des Buches einfangen, nicht allen Skurrilitäten Raum geben. Es muss gekürzt werden. Aber wesentlich war für mich die Stimmigkeit auch in der Zeit, die hier liebevoll eingefangen wird. Allen voran hat mich Arsseni Bultmann mit einem differenzierten Spiel beeindruckt.

Thomas · 18.03.2023

Es ist schon ein besonderer Film. Aber wenn man das Buch nicht gelesen hat, fehlt irgendwie der rote Faden. Es sind Ausschnitte aus einem Leben, das mit 7 Jahren beginnt und mit 25 Jahren irgendwie abrupt endet

Christine · 15.03.2023

Durch J. Meyerhoffs Hörbücher fasziniert , die er unglaublich witzig herüberbringt , bestand eine hohe Erwartungshaltung , die leider nicht erfüllt werden konnte mit diesem Film .

Reni · 09.03.2023

Ich fand den Film ein wenig düster und bedrückend, die wenigen lustigen Szenen waren da schon wieder überzogen dargestellt. Schade, ich hatte mir mehr von dem Film erhofft....

markus · 06.03.2023

Ich mochte den Film auch. Neben dem, was hier ganz richtig in der Kritik steht, hat mir noch ein Gedanke gefallen, der am Ende bei mir aufkam: es geht ums Weggehen, das Wiederzurückkommen und das Dableiben, und wie man im Leben damit klarkommen kann. Josse gelingt das, und am Schluss vielleicht den Eltern auch. Zumindest ein bisschen felicità

Rolf Kohlscheen · 04.03.2023

Wer das Buch gelesen hat wird enttäuscht. Die vielen witzigen Situationen und Stellen im Buch werden vermisst oder kommen flach herüber. Zum wirklichen Lachen gibt es kaum im Film.