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Harry Macqueens „Supernova“ erzählt mit Colin Firth und Stanley Tucci in den Hauptrollen von einem Paar auf Reisen und von den Auswirkungen einer Demenzerkrankung.

Supernova (2020)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Salut d’Amour

Gleich drei starbesetzte Filme zum Thema Demenz feierten im Jahr 2020 ihre Festivalpremiere: Viggo Mortensens „Falling“, Florian Zellers „The Father“ und Harry Macqueens „Supernova“. Während in den ersten beiden das Verhältnis zum demenzkranken Vater im Zentrum steht, befasst sich der britische Regisseur und Drehbuchautor Macqueen mit der Frage, wie ein Paar mit der Erkrankung umgehen kann. Der Stoff ließe sich gewiss auf reichlich melodramatische Weise umsetzen, doch „Supernova“ ist ein überraschend stilles, unaufgeregtes Werk, das auf Zuspitzungen weitgehend verzichtet.

Mit seinem Kameramann Dick Pope, der bereits bei einigen Werken von Mike Leigh die Bilder gestaltete, beginnt Macqueen mit einer Aufnahme des nächtlichen Sternenhimmels und zeigt das langjährige Paar Sam (Colin Firth) und Tusker (Stanley Tucci), das eng umschlungen im Bett liegt und schläft. Auf diesen wunderschön eingefangenen Moment folgen Szenen, in denen sich die beiden auf der Fahrt in ihrem Wohnmobil und an einer Raststätte liebevoll zanken. Zur ersten deutlichen Irritation dieses Paaralltags kommt es, als Tusker plötzlich verschwunden ist, nachdem er mit dem gemeinsamen Hund Ruby eine kurze Gassirunde drehen wollte. Hier wird erstmals klar, dass es im Leben von Sam und Tusker Herausforderungen gibt, die über das Alltägliche hinausgehen.

Auch Paolo Virzì beobachtete in seinem Drama Das Leuchten der Erinnerung (2017) den Roadtrip eines älteren Paares, das mit der zunehmenden Demenz von einem der beiden konfrontiert wurde. Der italienische Filmemacher setzte dabei auf eine eher episodenhafte Erzählung, die in ihrem Abhaken tragikomischer Standardsituationen oft ziemlich formelhaft anmutete. Supernova wirkt hingegen sehr viel feiner. Der Regisseur nimmt sich ausreichend Zeit, um uns die Liebe und Vertrautheit zwischen Sam und Tusker spüren zu lassen. Die intimen Gespräche zwischen den beiden Männern werden, nicht zuletzt dank Colin Firth und Stanley Tucci sowie der stimmigen Chemie zwischen ihnen, zu mehr als lediglich funktionalen Drehbuchdialogen. Sie stecken voller Gefühl – und werden dadurch, dass sie vergleichsweise ruhig und zurückhaltend vonstattengehen, nur noch einnehmender. Auch die zahlreichen Detailaufnahmen, etwa von Händen, tragen zu dieser Atmosphäre bei.

Wie sich die Krankheit im Leben von Sam und Tusker bemerkbar macht, schildert Macqueen zum einen, indem er uns an den Routinen des Paares im Umgang damit teilhaben lässt. Immer wieder befragen sich die beiden in einem festen Ritual gegenseitig nach ihrem Befinden. Zum anderen streut das Skript viele kleine Hinweise ein. Eher nebenbei erfahren wir, dass Sam seine Karriere als Pianist auf Eis gelegt hat, um sich um Tusker kümmern zu können. Als seine Schwester Lilly (Pippa Haywood) ihn fragt, ob er sich Hilfe holen möchte, erklärt Sam, Tusker wolle unabhängig bleiben. Als Tusker vor einer befreundeten Gruppe in einer Bar eine Rede halten will, muss er feststellen, dass es nicht geht. Immer dringlicher werden im Laufe des Films die Fragen nach Selbstbestimmung und nach Verantwortung, für sich selbst und für andere. Was dürfen, sollen und müssen wir für einen Menschen, den wir lieben, tun? Was können wir einem solchen Menschen zumuten? Und wovor müssen wir uns und andere (be-)schützen?

Tuskers Angst vor dem völligen Kontrollverlust wird ebenso nachvollziehbar vermittelt wie Sams Hilflosigkeit. Und doch hat Supernova auch Raum für Romantik und Humor. Etwa wenn Sam am Klavier Salut d’Amour von Edward Elgar spielt. Oder wenn das Paar während der Reise in Sams altem Jugendzimmer in einem Ein-Mann-Bett nächtigt. Wir lernen Sam und Tusker in rund 95 Minuten, im Camper, bei Waldspaziergängen, am Esstisch und im Bett, so intensiv und zugleich so zaghaft kennen, dass nicht nur ihnen, sondern auch uns – ganz ruhig und ohne lautes Drama – das Herz gebrochen wird.

Supernova (2020)

Seit bei Tusker (Stanley Tucci) vor zwei Jahren eine früh einsetzende Demenz diagnostiziert wurde, hat sich im Zusammenleben mit seinem Partner Sam (Colin Firth) vieles geändert. Aber eines steht fest: Auch nach 20 Jahren sind die beiden Männer ein unzertrennliches Paar und so leidenschaftlich verliebt wie nie zuvor. Im Wissen, dass ihre gemeinsame Zeit begrenzt ist, begeben sie sich mit dem Wohnmobil auf einen herbstlichen Roadtrip durch England. Noch einmal möchten sie Freunde, Familie und die Orte ihrer Vergangenheit besuchen. Doch während der Reise beginnen die persönlichen Zukunftsvorstellungen von Sam und Tusker allmählich zu kollidieren, und ihre Liebe zueinander wird auf die Probe gestellt. 

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Meinungen

Susann Borgwardt · 23.03.2021

Wo kann man den Film auf DVD oder Bluray kaufen? Danke.