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Mit „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ liefert der deutsche Regisseur Kilian Riedhof einen eindrücklichen Film über die Bewältigung der Trauer nach den Pariser Terroranschlägen im November 2015.

Meinen Hass bekommt ihr nicht (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Trauer und Trotz

Die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris haben ein nationales Trauma hinterlassen. Davon filmisch zu erzählen, ist eine Herausforderung. Auf indirekte und erfreulich sensible Weise ist dies etwa Mikhaël Hers in „Mein Leben mit Amanda“ (2018) gelungen – der Geschichte eines Twentysomethings, der seine alleinerziehende ältere Schwester durch ein Massaker in der französischen Hauptstadt verliert und sich fortan um deren kleine Tochter kümmern muss. Kurz nach Cédric Jimenez’ Thriller „November“ (2022), der sich auf die Arbeit der ermittelnden Behörden im Anschluss an die Terrornacht konzentriert, erscheint nun das Drama „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ von Kilian Riedhof, das auf Basis eines realen Falls eine ganz persönliche Sicht wählt.

Der Schwerpunkt liegt auch hier auf der Zeit danach, auf den Folgen des Schreckens. Zunächst lernen wir Antoine (Pierre Deladonchamps) und Hélène (Camélia Jordana) kennen, die mit ihrem 17 Monate alten Sohn Melvil (Zoé Iorio) in einem Appartement in Paris leben. Der Alltag des Autors und der Visagistin ist hektisch und chaotisch, aber von Liebe und Humor geprägt, auch wenn sich die beiden über ihre Urlaubspläne streiten und insgesamt einfach zu wenig Zeit für Zweisamkeit bleibt.

Als Hélène mit dem Auto zum nächsten Auftrag durch das morgendliche Paris fährt und die Stadt allmählich erwacht, fangen Riedhof und sein Kameramann Manuel Dacosse angenehm kitschfrei die urbane Schönheit ein. Am Abend bricht Hélène wiederum mit dem gemeinsamen Freund Bruno (Yannick Choirat) zu einem Besuch im Konzertsaal Bataclan auf – und wird dort zu einem der 89 Todesopfer. Der Film setzt die Tat nicht in Szene. Wir sind mit Antoine zu Hause und werden mit TV-Nachrichtenmeldungen konfrontiert. Auf diverse verzweifelte Versuche, Hélène zu erreichen und etwas in Erfahrung zu bringen, folgt schließlich die traurige Gewissheit.

Der 1971 im hessischen Seeheim-Jugenheim geborene Riedhof hat sich bereits in den Fernsehproduktionen Der Fall Barschel (2015) und Gladbeck (2018) mit jüngerer Zeitgeschichte befasst. Auch hier zeigt er das nötige Feingefühl, um die Ereignisse und die Beteiligten nicht reißerisch auszubeuten. Als Grundlage des Skripts, das der Regisseur zusammen mit Jan Braren, Marc Blöbaum und Stéphanie Kalfon geschrieben hat, dient das autobiografische Buch von Antoine Leiris. Dem Buch ging ein Facebook-Post voraus, der rasch weltweit viral ging und auf der Titelseite der französischen Tageszeitung Le Monde abgedruckt wurde. Die Kernaussage des Posts, die Verweigerung des Hasses gegenüber den Mördern seiner Lebenspartnerin, sorgte dafür, dass der Autor und Kulturjournalist in etliche Talkshows eingeladen wurde, um über seine Gefühle zu sprechen.

Die (Un-)Vereinbarkeit von plötzlicher medialer Aufmerksamkeit und tiefer Trauer ist eines der Themen, die Riedhof beleuchtet, unterstützt vom intensiv spielenden Hauptdarsteller Pierre Deladonchamps (Der Fremde am See). Der Film zeigt, wie sich Antoine innerlich zurückzieht, wie er völlig benommen wirkt und kaum in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen – obwohl genau das nun von ihm verlangt wird, etwa wenn es um die Organisation von Hélènes Beerdigung geht. Dabei wird nicht ausgespart, dass Trauernde in ihrem Verhalten anderen gegenüber durchaus verletzend und ungerecht sein können. So wird Antoine an einer Stelle darauf hingewiesen, dass er den Schmerz und die Bemühungen seines Umfeldes kaum wahrnehme. Auf die Anteilnahme der Mütter in der Kita, die anbieten, vorerst für Melvil und ihn zu kochen, reagiert er recht unbeholfen.

Meinen Hass bekommt ihr nicht lässt am Rande spüren, welchen Veränderungen die Stadt durch die Terroranschläge unterworfen wird – etwa wenn Antoine mit dem Kinderwagen an einer Gruppe von Polizisten vorbeizieht. In seiner dichten Atmosphäre bleibt der Film jedoch stets nah bei Antoine, beim individuellen Versuch, sich nach der brutalen Erschütterung wieder zurechtzufinden und das Leben, auch für das eigene Kind, fortzusetzen.

Meinen Hass bekommt ihr nicht (2022)

Der Film erzählt die Geschichte von Antoine Leiris, der beim Terroranschlag auf das Pariser „Bataclan“ seine Ehefrau Hélène verliert und mit dem gemeinsamen 17 Monate alten Sohn Melvil zurückbleibt. In einem Facebook-Post stellt er dem Hass der Attentäter die Liebe zu seinem Sohn entgegen. Doch innerlich kämpft er mit sich, mit der Wut und Verzweiflung, denen er sich nicht hingeben will. Der Film beleuchtet die Tage nach dem Ereignis, das weltweit für Anteilnahme sorgte, aus der sehr persönlichen Perspektive eines Vaters, der sich auf einmal allein um seinen kleinen Sohn kümmern muss. Es ist die Momentaufnahme eines Lebens im Ausnahmezustand und schließlich einem zerbrechlichen Neubeginn.

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Meinungen

Rosi Weise · 06.09.2023

Der Film ist sehr gut, mir kamen die Tränen, Woher nehmen sich die " Gäste " im Land den Hass auf normal Mensche, die fröhlich sein wollen. Sie werden aufgenommen und mit Geld versorgt und sind so brutal und gewissenlos!

Marianne · 07.01.2023

Heute abend habe ich den Film gesehen und bin tief aufgewühlt.
Es ist beeindruckend, dass es möglich ist, die Spirale des Hasses zu unterberechen,
um in Freiheit, Frieden und ohne Gewalt zu leben.
Ein großartiger Film !!!!