We Are Still Here – Haus des Grauens

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Ein schlechter Rückzugsort

Trauernde Menschen, die nach dem Tod eines Kindes Kontakt mit übernatürlichen Phänomenen haben, kennt das Horrorgenre zur Genüge. Nicolas Roegs Venedig-Albtraum Wenn die Gondeln Trauer tragen und Peter Medaks Geisterfilm Das Grauen sind nur zwei Beispiele, die – auf unterschiedliche Weise – einer solchen Prämisse folgen. Auch der Presseagent und Filmproduzent Ted Geoghegan macht sich in seinem Regiedebüt We Are Still Here das bestens vertraute Muster zunutze. Was als atmosphärische, unaufgeregt inszenierte Haunted-House-Geschichte beginnt, entwickelt sich allerdings, besonders in den letzten zehn Minuten, zu einem kruden Splatter-Streifen, der jegliche Zurückhaltung ablegt. Warum die sonst so zimperliche FSK in diesem Fall eine Freigabe ab 16 erteilt hat, ist ein Geheimnis, das sich nicht so einfach lüften lässt wie die unheilvolle Geschichte, die das im Film gezeigte Spukhaus umgibt.
Neuengland Ende der 1970er Jahre: Nach dem Unfalltod ihres erwachsenen Sohnes Bobby ziehen Anne (Barbara Crampton) und Paul Sacchetti (Andrew Sensenig) in ein freistehendes Anwesen mitten im Nirgendwo. Es soll ein Neustart sein. Und doch glaubt die niedergeschlagene Mutter von Anfang an, überall eine merkwürdige Präsenz zu spüren. Womöglich handelt es sich um Bobby, der Kontakt zu ihnen aufnehmen will. Paul hat für die Empfindungen seiner Frau nur wenig übrig, staunt allerdings nicht schlecht, als ihr Nachbar Dave McCabe (Monte Markham) die Vorgeschichte des alten Hauses zur Sprache bringt und erwähnt, dass es vor 30 Jahren zum letzten Mal bewohnt war. Kurz darauf zieht sich ein Handwerker im Keller der Sacchettis unter mysteriösen Umständen schwere Verbrennungen zu. Um den unerklärlichen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen, wendet sich das Ehepaar schließlich an die Eltern von Bobbys früherem Mitbewohner, die in paranormalen Dingen bewandert sind.

Gerade in der Anfangsviertelstunde beweist Regienovize Geoghegan großes inszenatorisches Gespür. Ohne viele Worte und mit häufig unbewegten Einstellungen erzeugt der Film eine Atmosphäre der Entfremdung und Beklemmung. Dass Anne und Paul in der verschneiten Einsamkeit Neuenglands keinen Trost finden werden, lässt auch der beunruhigend-schwermütige Score erahnen, der das Geschehen fortlaufend begleitet. Das neue Heim wirkt alles andere als gemütlich. Und schon beim ersten Gang in den düsteren Keller kommt es zu seltsamen Ereignissen. Ausgewaschene Farben und ein sorgsam ausgesuchtes Szenenbild katapultieren den Zuschauer zurück in das Horrorkino der späten 1970er und frühen 1980er Jahre, dem Geoghegan hier offenkundig huldigt. Wie er selbst im knappen Making-of erklärt, diente ihm Lucio Fulcis Italo-Schocker Das Haus an der Friedhofsmauer als Vorlage für sein Drehbuch – weshalb der blutig-derbe Handlungsverlauf in gewisser Weise konsequent erscheint.

Zunächst wiegt We Are Still Here den Zuschauer allerdings in Sicherheit, setzt hier und da auf kleine Schockmomente, die manchmal sogar wirkungslos verpuffen. Altbekannte Klischees – ominöse Hinweise auf die Vergangenheit des Hauses und eine abweisende Dorfgemeinschaft – werden ohne Umschweife aufgerufen und unterstreichen, dass der Regisseur keineswegs an einer originellen Geschichte interessiert ist. Ins vertraute Schema passt freilich auch das derangierte, von Genre-Tausendsassa Larry Fessenden und seiner Kollegin Lisa Marie gespielte Althippie-Pärchen, das den Sacchettis zur Hilfe eilt. Spätestens mit einer Séance, die schrecklich aus dem Ruder läuft, nimmt das Geschehen ungeheuerliche Züge an, während die Inszenierung mit einem Mal deutlich hektischer gerät. Verwackelte Bilder und lustvolles Overacting vermitteln die nun ungebremst hervorbrechende Panik. Und in den letzten zehn Minuten verwandelt sich der recht kurz gehaltene Film in ein rücksichtsloses Schlachtfest, dessen mittelprächtige Effekte auf ein überschaubares Budget verweisen.

Dass Geoghegan die Handlung brachial in eine andere Richtung lenkt, kann man durchaus lobenswert finden, da er so die sattsam bekannten Spukhausregeln unterläuft. Andererseits geht die subtil aufgebaute Trauerstimmung des ersten Drittels auf diese Weise schlagartig verloren. Und am Ende drängt sich der Eindruck auf, zwei unterschiedliche Filme gesehen zu haben. Dennoch darf man gespannt sein, was der Regiedebütant und Horrorfan als Nächstes in Angriff nimmt.

We Are Still Here – Haus des Grauens

Trauernde Menschen, die nach dem Tod eines Kindes Kontakt mit übernatürlichen Phänomenen haben, kennt das Horrorgenre zur Genüge. Nicolas Roegs Venedig-Albtraum „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und Peter Medaks Geisterfilm „Das Grauen“ sind nur zwei Beispiele, die – auf unterschiedliche Weise – einer solchen Prämisse folgen.
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