Log Line

Am 13. November 2015 töteten islamistische Terroristen 130 Menschen und verletzten fast 700 weitere. Regisseur Cedric Jimenez setzt aber nicht die Attentate selbst in Szene, sondern die Jagd nach den Tätern ins Zentrum seines Films.

November (2022)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Die Terrornacht von Paris als Aufhänger für einen fiebrigen Thriller

Der 13. November 2015 mit den Attentaten auf den Club Batanclan, das Fußballstadion und Cafes und Bars in Paris dürfte als einer der schwärzesten Tage in die Geschichte Frankreichs eingehen. Allerdings erwartet das Publikum bei „November“ von Regisseur Cédric Jimenez kein blutiges Spektakel, kein einziger der Anschläge wird im Film gezeigt. Stattdessen konzentriert sich der Film auf die fünf Tage, in denen die französischen Behörden versuchen, die Drahtzieher hinter den Attentaten zu finden und zu verhaften. Jean Dujardin spielt Fred, den leitenden Ermittler einer Sondereinheit, die mit der Suche nach den Terroristen betraut wird. Jimenez und Drehbuchautor Olivier Demangel bleiben dabei sehr konsequent auf den Fersen der Ermittler und sorgen so dafür, dass das Publikum nie mehr weiß als die Männer und Frauen des Geheimdienstes.

Dabei trennt Jimenez optisch sehr deutlich die Büroarbeit vom Einsatz auf der Straße. Während er das eine eher statisch inszeniert, lässt er draußen Kameramann Nicolas Loir keine Sekunde zur Ruhe kommen und vermittelt mit rasanten Bildern und hektischen Schnitten gekonnt die physische und psychische Anspannung der Ermittler. Wie in einem Fiebertraum erscheinen die Straßen von Paris und überall könnten weitere Terroristen lauern, die nur darauf warten, erneut zuzuschlagen. Diese Paranoia einzufangen, das ist eine Stärke von November. Ein durchgehend spannender Thriller gelingt Jimenez damit aber nicht.

Zwar stellt der Regisseur neben Dujardin auch Anaïs Demoustier als ihren Instinkten folgende Ermittlerin Inez in den Fokus der Handlung, sonderlich viel Tiefe verleiht er seinen Helden aber zu keinem Zeitpunkt. So wird die einzige fesselnde Figur die undurchsichtige Zeugin Samia (Lyna Khoudri), die erst sehr spät im Film auftaucht, aber beim Publikum größeres Interesse erzeugt als sämtliche Mitglieder von Freds Team zusammen. Denn sie ist nicht nur eine Weile ein höchst ambivalenter Charakter, sondern befindet sich auch in einem nachvollziehbaren, emotionalen Dilemma, aus dem November seine spannendsten Momente zieht. Bis die Handlung sich dorthin entwickelt hat, weist der Film aber die eine oder andere Länge auf.

Zu zeigen, wie das Ermittlerteam im Dunkeln tappt, falsche Spuren verfolgt und sogar kurzzeitig die eigenen Nachforschungen gefährdet, mag ehrenwert sein – spannend ist es auf Dauer nicht. Denn die Zuschauer verharren stets in der Rolle des Beobachters, werden von keiner Figur ins Geschehen gezogen. Und so verfolgt das Publikum die Ermittlungen die meiste Zeit eher mit höflichem Interesse als mit heißem Herzen. Denn das Auswerten von hunderten von Hinweisen entspricht zwar den damaligen Realitäten, ist aber einfach nicht sonderlich packend. Reizpunkte setzt Jimenez nur dann, wenn Verdächtige verhört werden und den Ermittlern ihren gesammelten Abscheu vor der westlichen Zivilisation entgegenspeien. In diesen Momenten wird der Hass greifbar, der zu 130 Toten in Paris geführt hat – und zu Tausenden von Opfern in der ganzen Welt.

Auch im Finale seines Films setzt Jimenez ein Ausrufezeichen: Der Erstürmung der Wohnung eines Verdächtigen kann sich das Publikum allein schon wegen des eindrucksvollen Klangteppichs aus Maschinengewehrfeuer und Explosionen kaum entziehen. Die rohe Gewalt, die von den Behörden eingesetzt wird, um eine mögliche Terrorzelle auszuheben, unterscheidet sich in Konsequenz und Wirkung kaum von den Attentaten – mit einem Unterschied: Die Todesangst der stürmenden Beamten überträgt sich selbst durch Masken und Helm auf das Publikum.

Bis dahin unterscheidet sich Jimenez‘ Film allerdings nur durch die schnellen Schnitte und hektischen Kamerafahrten von einer Dokumentation, inhaltlich kann November nichts zum besseren Verständnis der damaligen Situation Frankreichs beitragen. Und so bleibt das Publikum mit der Frage darüber zurück, was Cedric Jimenez mit seinem Film eigentlich genau sagen wollte. Denn nur gelegentlich blitzt auf, warum sich diese Ermittlungen emotional so sehr von der Fahndung nach anderen Kriminellen unterschied. Dass November in Frankreich sofort die Kinocharts eroberte, sollte daher nicht unbedingt als Qualitätsmerkmal gewertet werden, dass die Grande Nation auf so einen Film mit anderem Interesse reagiert als der Rest der Welt, liegt in der Natur der Sache.

November ist definitiv kein schlechter Film, denn er weist immer wieder erzählerische Stärken und intensive Momente auf, bremst sich selbst aber auch immer wieder mit längeren Passagen im Leerlauf aus. Erst im letzten Drittel kann Jimenez die Spannung durchgehend hochhalten und lässt durch einen Blick ins Milieu, aus dem die Taten erwuchsen, etwas von den Problemen erahnen, die Frankreich zum bevorzugten europäischen Ziel des islamistischen Terrors machten. Von diesen Einblicken hätte man sich mehr gewünscht.

 

November (2022)

Nachdem es am 13. November 2015 in Paris zu einer Serie von Anschlägen gekommen ist, nimmt eine streng geheime Polizeibrigade die Ermittlungen auf, um die Drahtzieher hinter den Terrorakten aufzuspüre.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen