Gibsy - Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Knock Out durch die Nazis

Er war Deutscher Meister im Halbschwergewicht. 1933, genau 8 Tage lang, dann wurde ihm der Titel wegen „undeutschen Boxens“ aberkannt. Die Nationalsozialisten duldeten nur noch arische Helden. Johann Rukeli Trollmann war „Zigeuner“. Einer von über 500.000 Sinti und Roma, die Opfer des Holocaust wurden. Ein Aspekt der dunklen deutschen Vergangenheit, der allzu leicht in Vergessenheit zu geraten drohte. Erst 2012 wurde in Berlin die Gedenkstätte für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas eingeweiht. Obwohl Johann Rukeli Trollmann 2003 vom Bund Deutscher Berufsboxer der Titel des Halbschwergewichtsmeisters von 1933 offiziell wieder zuerkannt wurde, ist seine Geschichte kaum bekannt. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass nun ein Film sein tragisches Schicksal dem Vergessen entreißt.
Trollmann machte in den 20er Jahren Karriere als Box-Amateur. Sein geschmeidiger, tänzelnder Stil machte ihn zum Publikumsliebling, seine Sinti-Herkunft spielte zunächst keine Rolle. Doch schon 1928 wird er nicht in den deutschen Kader für die Olympischen Spiele in Amsterdam aufgenommen. Er entscheidet sich für eine Profikarriere und wird 1933 tatsächlich Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Inzwischen ist Hitler an der Macht und „Deutscher Faustkampf“ der Lieblingssport des Führers. Ein Sinto als Deutscher Meister passt da nicht ins Bild. Kurzerhand wird ihm der Titel aberkannt.

Die Presse berichtet nur noch schlecht über ihn, in Karikaturen wird er als wulstlippiger dunkler Krauskopf verunglimpft. Als Sinto hat er als Profi-Boxer keine Chance mehr in Deutschland. Zu seinem letzten Kampf steigt er deshalb weiß gepudert und blondiert als Karikatur eines deutschen Faustkämpfers in den Ring. Statt „zigeunerhaft“ zu tänzeln, stellt er sich „Fuß an Fuß“ seinem schlagkräftigen arischen Gegner. Ein Akt des Aufbegehrens, der in der 5. Runde mit seinem k.o. endet.

Dieser mutige Akt des Widerstands ist eine prägnante Szene. Sie eröffnet das Doku-Drama Gibsy – Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann. Regisseur Eike Besuden zeichnet anhand von inszenierten Szenen, Archivmaterial und Zeitzeugen-Interviews ein Leben nach, das „weit mehr bietet als die Geschichte eines Boxers. Es ist eine Geschichte über Zivilcourage, über Kampfgeist und eine Geschichte über Mut in Zeiten der Aussichtslosigkeit.“ Dem ist zwar wirklich so und Trollmanns Lebensgeschichte bietet Stoff für einen großen Film. Doch wenn Sprecher Volker Lechtenbrink mit kerniger Stimme und erhobenem Zeigefinger gleich nach der Eröffnungs-Sequenz so aus dem Off tönt, dann setzt er damit den Tonfall der folgenden 90 Filmminuten. Und die entpuppen sich leider nicht als großes Leinwand-Kino, sondern eher als gewöhnliches Bildungs-Fernsehen nach History-TV-Schema.

Dass die ungewöhnliche Lebensgeschichte Trollmanns hier nach bewährtem Schema serviert wird, verrät schon ein Blick in die Filmografie des Regisseurs Eike Besuden. Vor seinem Dokumentarfilm Faust II reloaded — Den lieb ich, der Unmögliches begehrt! brachte er unter dem Titel Deckname Cor — Das Dramatische Leben des Max Windmüller die Kinoversion einer TV-Dokumentation über den jüdischen Widerstandskämpfer heraus. Besuden hat sich auf historische Themen spezialisiert, gut recherchiert und routiniert als Doku-Drama aufbereitet. Für die Spiel-Szenen in Gibsy – Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann hat er sogar Hannelore Elsner als Trollmanns Mutter gewinnen können. Hannes Wegener verkörpert Johann Rukeli Trollmann. Als Zeitzeugen sprechen zwei Neffen Trollmanns und seine Tochter vor der Kamera. Die Archivaufnahmen zeigen durchaus interessante Aspekte aus dem Leben der Sinti und Roma. Junge Sinti, die am Staatstheater Hannover das Theaterprojekt Trollmanns Kampf auf die Bühne bringen, bezeugen den Einfluss und Eindruck von Trollmanns Geschichte auf nachfolgende Generationen.

Dennoch will aus diesen durch den omnipräsenten Sprecher verbundenen Versatzstücken kein Kino erwachsen, das wirklich bewegt. Und das, obwohl die Geschichte wirklich bis zum Schluss höchst bewegend ist: Trollmann schlägt sich mit Gelegenheitsjobs und als Rummelboxer durch. Er lässt sich von seiner deutschen Frau scheiden, um sie und die gemeinsame Tochter nicht in Gefahr zu bringen. Er wird eingezogen und als Schütze in den Krieg geschickt. Nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht wird er ins KZ Neuengamme deportiert, wo er SS-Männer im Boxen unterrichten muss – nur um von ihnen fast zu Tode geprügelt zu werden. Seinen letzten Boxkampf bestreitet er im Außenlager Wittenberge. Ein Kapo hat ihn erkannt und herausgefordert. Trollmann gewinnt mit k.o. Am nächsten Tag verliert er sein Leben, als ihn derselbe Kapo mit einem Knüppel erschlägt.

Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann ist wirklich wichtig und es wert erzählt zu werden. So gesehen ist es sehr zu wünschen, dass die Mitwirkung von Hannelore Elsner und der Kinostart des Films dem Schicksal von Rukeli Trollmann und den 500.000 anderen Sinti und Roma eine breitere Aufmerksamkeit bescheren. Und die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, ein TV-formatiertes Doku-Drama auf die große Leinwand zu hieven, sparen wir uns in diesem Falle ganz einfach – um der guten Sache willen.

Gibsy - Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann

Er war Deutscher Meister im Halbschwergewicht. 1933, genau 8 Tage lang, dann wurde ihm der Titel wegen „undeutschen Boxens“ aberkannt. Die Nationalsozialisten duldeten nur noch arische Helden. Johann Rukeli Trollmann war „Zigeuner“. Einer von über 500.000 Sinti und Roma, die Opfer des Holocaust wurden. Ein Aspekt der dunklen deutschen Vergangenheit, der allzu leicht in Vergessenheit zu geraten drohte.
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Meinungen

Ginger Laubinger · 13.11.2015

ich finde es sehr schade das der film nie auf dvd kam :/