Der Stellvertreter

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dienstag, 2. November 2010, ARTE, 20:15 Uhr

Einem innerhalb der europäischen Geschichte nach wie vor äußert brisanten Thema widmet sich dieser Spielfilm des aus Griechenland stammenden Filmemachers Constantin Costa-Gavras, des amtierenden Leiters des französischen Filminstitutes Cinémathèque française: Der Rolle der katholischen Kirche zur Zeit des Nationalsozialismus. Der Stellvertreter nach dem gleichnamigen Theaterstück des deutschen Dramatikers Rolf Hochhuth wurde im Wettbewerb der Berlinale 2002 uraufgeführt, weltweit auf einigen Filmfestivals gezeigt und mit einem César für das Beste Drehbuch von Constantin Costa-Gavras und Jean-Claude Grumberg sowie als Bester Film mit dem Prix Lumière ausgezeichnet. Dass dieser ebenso unbequeme wie engagierte Film mit seinem deutlich anklagenden Ton seinerzeit für einiges Aufsehen sorgte und kontrovers diskutiert wurde, überrascht nicht und zeugt einmal mehr davon, welch enorme gesellschaftspolitische Bedeutung diesem Thema auch im 21. Jahrhundert noch innewohnt.
Als der Mediziner Kurt Gerstein (Ulrich Tukur), der als Hygienespezialist der SS im Einsatz ist, von einem faschistischen, zynischen Arzt (Ulrich Mühe) darüber informiert wird, dass das von ihm erfundene Desinfektionsmittel „Zyklon B“ zur Massenvernichtung der Juden und anderer Häftlinge in den Konzentrationslagern eingesetzt wird, plagen ihn heftige Gewissensbisse. Gemeinsam mit dem Jesuiten Riccardo Fontana (Mathieu Kassovitz) bemüht er sich darum, die Weltöffentlichkeit und vor allem Papst Pius XII. (Marcel Iures) gegen diese inhumanen Abscheulichkeiten der Nationalsozialisten zu mobilisieren. Zu diesem Zweck reist der Jesuit in den Vatikan, um persönlich beim Papst vorzusprechen, doch ist der „Vicarius Iesu Christi“, der Stellvertreter Jesu Christi nicht bereit, sich offiziell gegen den Massenmord zu positionieren. So bleibt Gerstein und Fontana letztlich nur das persönliche Engagement gegen die Nationalsozialisten, indem sie sich selbst ausliefern – während der Mediziner sich in die Hände der Franzosen begibt, lässt sich der Jesuit ins Konzentrationslager Auschwitz deportieren …

Mit einem stimmig besetzten Ensemble und einer dramaturgisch geschickt installierten Spannung hat Constantin Costa-Gavras mit Der Stellvertreter einen Film über die Mordmaschinerie der NS-Zeit geschaffen, der den methodischen Horror auf berührende Weise transportiert und gleichzeitig die Untätigkeit vor allem der katholischen Kirche anprangert, die sich trotz des Wissens um die eklatanten Verbrechen schlichtweg aus der moralischen Verantwortung stiehlt. Auch wenn Der Stellvertreter als Spielfilm nicht alle historischen Zusammenhänge ausführlich darstellt und in seiner fiktiven Form insgesamt keinen dokumentarischen Anspruch verfolgt, kommt er doch als Anstoß einer erneuten Reflexion und Debatte als immens wichtiger Film daher, der deutlich macht, dass dieser Themenbereich mit seiner schwelenden Brisanz bis heute nicht ausreichend aufgearbeitet wurde.

Der Stellvertreter

Einem innerhalb der europäischen Geschichte nach wie vor äußert brisanten Thema widmet sich dieser Spielfilm des aus Griechenland stammenden Filmemachers Constantin Costa-Gavras, des amtierenden Leiters des französischen Filminstitutes Cinémathèque française: Der Rolle der katholischen Kirche zur Zeit des Nationalsozialismus.
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