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Der 60-Jährige Fischer Issa hat sich verliebt. Obwohl er eigentlich nie heiraten wollte, wirbt er um die Hand der Schneiderin Siham. Die Zwillingsbrüder Tarzan und Arab Nasser haben ihre Liebeskomödie mit märchenhaftem Einschuss nach Gaza verlegt – an einen Ort, mit dem man in erster Linie nicht unbedingt Romantik verbinden würde.

Gaza mon amour (2020)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Liebe mit Hindernissen

Issa (Salim Daw) ist etwa 60 Jahre alt, Junggeselle und grundsätzlich zufrieden damit. Als Fischer verdient er nicht sonderlich viel, doch geht es ihm auch nicht schlecht. Er ist sein eigener Herr, kommt und geht, wann und wie er will. Zum Essen kocht er sich einer der selbst gefangenen Fische, seine freie Zeit verbringt er vor dem Fernseher oder besucht einen Freund (George Iskander), der im Ort eine Art Krämerladen betreibt. Seine schlecht sitzende Kleidung und die sparsam eingerichtet Wohnung lassen darauf schließen, dass keine Frau im Haus ist. Das ist ein Umstand, den seine Schwester (Ruala Adb Eihadi) schon längst hätte ändern wollen, doch Issa hat sich bisher dagegen gesträubt. Umso überraschter ist sie, als er schließlich aus heiterem Himmel doch noch den Wunsch äußert zu heiraten.

Für ihn kommt aber nur eine infrage. Verguckt hat er sich in die Schneiderin und Witwe Siham (Hiam Abbass), die er erstmal aus der Distanz anhimmelt. Beim Fischen findet er eine antike Statue aus Bronze, die den Gott Apollo mit erigiertem Penis darstellt. Dessen stramme Figur weckt in ihm neue Lebensgeister. Im Aufschwung seines neuen Selbstbewusstseins beginnt er, auch wenn etwas ungeschickt, ernsthaft um Siham zu werben. Gleichzeitig kommen ihm aber die Behörden auf die Spur, konfiszieren seinen Fund und nehmen Issa vorläufig fest.

Angesiedelt haben die Zwillingsbrüder Tarzan und Arab Nasser Gaza mon amour, zärtliche Liebesgeschichte und Abenteuer eines sympathischen Schelms zugleich, im Gazastreifen. Es ist seltsam, dass dieser Ort, der von außen in erster Linie als politisches Spannungsfeld wahrgenommen wird, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt wird, ohne dass es offen um den Streit zwischen Palästina und Israel gehen soll. Das Brennglas, das auf Gaza gerichtet ist, übersieht, dass hier auch ganz normale Menschen mit ganz normalen Sorgen, Wünschen und Träumen leben. Gaza ist für sie Heimat und nicht nur Symbol und Austragungsstätte eines internationalen Konflikts.

Unpolitisch ist der Film im übrigen nicht. Er verlagert die Diskussion allerdings aufs Persönliche und Individuelle. Auch wenn der Geschichte eine märchenhafte Atmosphäre anhaftet, bleiben die realen Herausforderungen vor Ort sichtbar. Ein Hinweis darauf ist beispielsweise die unzuverläßige Stromversorgung oder Issas tägliches Passieren einer Straßensperre. Dass ein Klima der engmaschigen sozialen und behördlichen Kontrolle herrscht, zeigt sich an fast jeder Stelle. So bleibt auch nicht lange geheim, dass Issa Siham den Hof macht. Issas Schwester nimmt die Witwe unter die Lupe und sorgt für einen der humorvollsten Momente des Films.

Mit dem Fund der Statue tritt Issa einen komplizierten Prozess los, der einen Beamten nach dem anderen aufscheucht. Vom Polizeiposten geht es in die Stadtverwaltung, wo schließlich ein Archäologe aufgeboten wird, der ein Gutachten erstellen soll. Fast hat man Mitleid mit letzterem, denn er kann noch so sehr beteuern, wie bedeutend der Apollo ist, er findet kein Gehör. Erst als in Aussicht steht, dass eine europäische Institution am Kauf interessiert sein könnte, kommt es zu einem Umdenken. Auf geschickte Weise entlarvt hier der Film die Oberen als Banausen. Er zeigt auch eine Gesellschaft auf, in der im Wesentlichen strenge Rangordnungen dominieren, die zu einer Überbürokratisierung und Willkür führen, aber im entscheidenden Moment dann doch Pragmatismus gefordert ist.

Gaza mon amour ist vieles zugleich: unter anderem eine kurzlebige Liebeskomödie, Gesellschaftssatire und Porträt eines Schelms. Scheinbar blauäugig stolpert Issa von einem Fettnäpfchen ins andere. Vielschichtig verkörpert Salim Daw, israelischer Staatsbürger mit arabischen Wurzeln, diese Figur, deren Gelassenheit, gewisse Naivität und das Fehlen jeglichen Argwohns sie äußerst sympathisch macht. Alle Figuren in der Geschichte wirken authentisch und unmittelbar. Ihnen fehlen Fassaden des Wohlstands oder einer Machtstellung, hinter der sie sich verstecken können.

Die Nasser-Brüder haben auch in ihrem zweiten Langspielfilm nach Dégradé ihrer Heimat, der sie, obwohl sie längst im Ausland leben, verbunden bleiben, eine Liebeserklärung gemacht. Sie rücken die Menschen in den Vordergrund, die sie abseits des politischen Rahmens als solche wahrnehmbar lassen wollen. Ihr Erzählmittel ist dabei in erster Linie der Humor. Fühlt man sich vor Augen, in welchem Umfeld die Handlung spielt, ist man überwältigt von der Lebensfreude und Liebenswürdigkeit, die die Autoren ihren Protagonisten zugeschrieben haben.

Gaza mon amour (2020)

Gaza, heute: Issa, um die 60, lebt als Fischer im Hafen von Gaza. Heimlich ist er in die geschiedene Marktverkäuferin Siham (Hiam Abbass) verliebt. Eines Tages findet Issa in seinem Fischernetz eine Bronze-Statue des olympischen Gottes Apollo mit einem imposanten, erigierten Penis. Dieser Fund ist nur der Anfang vieler Scherereien. Denn der Gott der männlichen Schönheit wirbelt in der Folge Issas Leben und das der Menschen um ihn herum gehörig auf und stellt sogar die heuchlerische und rückständige Regierung Gazas auf den Prüfstand.

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