Das Mädchen mit dem Diamantohrring

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Ein funkelndes Juwel

Fünf Jahre nach seiner Entstehung gibt es nun Das Mädchen mit dem Diamantohrring auch hierzulande zu sehen. Der Film basiert auf einem Drehbuch, das Tennessee Williams 1957 verfasst hat und erzählt eine Geschichte, die in den 1920er Jahren spielt. Was oberflächlich betrachtet nur die Geschichte eines verwöhnten, reichen Mädchens ist, ist tatsächlich ein brodelndes Sittengemälde.
Die reiche Fisher Willow (Bryce Dallas Howard) stattet den verarmten Plantagenbesitzersohn Jimmy (Chris Evans), dessen Großvater einst Gouverneur war, mit Abendgarderobe aus, da er sie zu verschiedenen Anlässen begleiten soll. Ein Vorwand für Fisher, die ichbezogen und egozentrisch erscheint, aber tatsächlich in Jimmy verliebt ist. Doch die unangepasste Frau, die der Taten ihres Vaters wegen von der feinen Gesellschaft verachtet wird, hat Schwierigkeiten damit, Jimmy zu zeigen, was sie empfindet.

Das Mädchen mit dem Diamantohrring ist ein kleines Juwel, das zwar nicht auf einem von Williams‘ größten Werken basiert, aber dennoch eine intime, höchst interessante Geschichte zu bieten hat. Vor allem aber wird der Film zum Erlebnis, weil Bryce Dallas Howard hier eine wundervoll nuancierte Darstellung abliefert, die zu Herzen geht, ohne dass der Film jemals in Sentimentalität abrutschen würde.

Fisher Willow ist eine Frau, die im Süden der 1920er Jahre nicht dazugehört. Sie wurde in Europa sozialisiert, ist von Attitüde und Benehmen europäisch, während um sie herum eine Verklemmtheit herrscht, die das Überbleibsel längst vergangener Südstaaten-Glorie ist. Den verlorenen Diamanttränenohrring kann man auch als Metapher auf den Süden sehen, der sich längst selbst verloren hat. Knapp 60 Jahre nach dem verlorenen Sezessionskrieg versucht er immer noch, von altem Glanz zu zehren, doch der Schein ist stumpf geworden. Wie ein Wirbelwind, der alte Konventionen hinwegfegen will, erscheint dabei Fisher Willow, die sich über das Kastensystem der feinen Gesellschaft erhebt. Ihre Liebe zu Jimmy ist echt, die seine hingegen gehört einer anderen. Aber er ist dem alten Denken verpflichtet. Er ist ein Mann, der erkennt, dass die Frau, die er liebt, in Moral und Herkunft unter ihm steht, sich aber selbst auch bewusst ist, dass Fisher wiederum etwas Besseres als ihn verdient hat. Leidenschaft weicht der Vernunft – bei mehr als nur einer Figur dieses filigran gestalteten Dramas.

Jodie Markell hat Das Mädchen mit dem Diamantohrring verführerisch schön inszeniert. Die Dekadenz des Südens und die Manierismen der sogenannten feinen Gesellschaft komplimentieren den altmodischen Sprachstil. In seinen schönsten Momenten nutzt der Film die Techniken des Theaters, besonders eindringlich in einer Szene mit Fisher und der von Ellen Burstyn gespielten, ans Bett gefesselten Addie zu sehen, in der die Beleuchtung schwindet und ein Scheinwerfer nur noch die beiden Mimen erleuchtet.

Ein funkensprühendes Drama, wundervoll theatralisch und mitreißend gespielt. Bryce Dallas Howard ist phänomenal.

Das Mädchen mit dem Diamantohrring

Fünf Jahre nach seiner Entstehung gibt es nun „Das Mädchen mit dem Diamantohrring“ auch hierzulande zu sehen. Der Film basiert auf einem Drehbuch, das Tennessee Williams 1957 verfasst hat und erzählt eine Geschichte, die in den 1920er Jahren spielt. Was oberflächlich betrachtet nur die Geschichte eines verwöhnten, reichen Mädchens ist, ist tatsächlich ein brodelndes Sittengemälde.
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