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Das Tier, dein Freund und Helfer – ein österreichischer Soldat landet an der Westfront des Zweiten Weltkriegs und richtet sich an der Pflege eines Fuchswelpen auf. Basierend auf den Erlebnissen seines Urgroßvaters, erzählt Adrian Goiginger, zumeist unsentimental, von der Hoffnung in dunklen Zeiten.

Der Fuchs (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Mit Verantwortung gegen den Schmerz

Die eigene Familiengeschichte als Stoff für die große Leinwand: Sensibel und fantasievoll berichtete Adrian Goiginger schon in „Die beste aller Welten“ von seinem Aufwachsen mit einer drogenabhängigen Mutter. Das autobiografische Drama ist aus der Perspektive eines Siebenjährigen gefilmt, dessen Imaginationskraft hilft, die Erschütterungen seines harten Alltags abzufedern. Auf persönliches Terrain begibt sich der österreichische Regisseur und Drehbuchautor nun auch in „Der Fuchs“, einem Werk, das auf den Erfahrungen seines Urgroßvaters basiert, der als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg ein besonderes Verhältnis zu einem Fuchswelpen aufbauen konnte.

Viele Geschichten über die Freundschaft zwischen Mensch und Tier folgen abgegriffenen Mustern, neigen zum Kitsch oder fühlen sich am Ende arg manipulativ an. Glücklicherweise sichert sich Goiginger bestens dagegen ab, zu sentimental zu werden. Bemerkenswert ist schon der präzise, überzeugend verdichtete Einstieg, der binnen kurzer Zeit das harte, entbehrungsreiche Leben des kleinen Franz (Maximilian Reinwald) inmitten einer Großfamilie nachfühlbar macht. Seine Eltern Liesl (Karola Maria Niederhuber) und Josef (stark: Karl Markovics) verdingen sich als Bergbauern, spannen ihre Kinder in die kräftezehrende Arbeit ein und haben wenig, das sie ihnen geben können. Tagsüber wird geschuftet, abends gemeinsam gesungen. Und ständig ist die Angst da, nicht durch den nächsten Winter zu kommen. Eines Tages beschließen Vater und Mutter in ihrer Not, Franz an einen wohlhabenden Landwirt zu verkaufen. Schmerzhaft eindringlich sind die Abschiedsszenen, die den plötzlich entwurzelten Jungen nachhaltig prägen werden.

1937, zehn Jahre nach seiner „Abschiebung“, tritt Franz (nun: Simon Morzé) mit Erreichen der Volljährigkeit aus dem Dienst seines Herrn aus. Mittellos wendet sich der einstige Knecht an das österreichische Bundesheer. Immerhin sind ihm dort ein Dach über dem Kopf und Verpflegung sicher. Ein weiterer Zeitsprung führt in den Mai 1940. Als Soldat befindet sich Franz inzwischen in Westdeutschland, wo er nach einem Wutausbruch im Wald auf einen verlassenen und verletzten Fuchswelpen trifft. Heimlich nimmt er das Tier mit ins Lager, versorgt es notdürftig und gibt es auch dann nicht auf, als er mit seiner Kompanie zu einer Mission aufbrechen muss. 

Was gleich zu Beginn auffällt: Goiginger legt viel Wert darauf, den Eindruck eines historischen Dokuments zu vermitteln. Seine im engen 4:3-Format gehaltenen Bilder erinnern mit ihren abgerundeten Kanten nicht von ungefähr an Fotografien aus der damaligen Zeit. Obwohl Der Fuchs auch eine Art Roadmovie ist, das immer mal wieder die unterschiedlichen Landschaften einfängt, bleibt die Kamera oft sehr nah beim Protagonisten und schafft so eine Intimität, die durch den Inhalt, die rasch wachsende Beziehung zwischen Franz und seinem vierbeinigen Begleiter, gestützt wird.

Der Fuchs hat für den jungen Soldaten gleich in zweifacher Hinsicht eine wichtige Bedeutung: Einerseits steht er inmitten der Barbarei, die nie auf plumpe Weise inszeniert wird, für die Hoffnung auf Zuneigung und Verbundenheit. Andererseits sieht es Franz, den die Trennung von seinen Eltern nach wie vor schmerzt und der besonderen Groll gegen seinen Vater hegt, als seine Aufgabe an, dem kleinen Tier das zu geben, was ihm als Kind geraubt wurde: Geborgenheit. Seine Verantwortung nimmt er so ernst, wie es nur geht. Sie treibt ihn an, die Schrecken des Krieges auszuhalten.

Entscheidend aufwerten kann Goiginger die Geschichte, indem er die Hauptfigur herausfordernd ambivalent zeichnet. Franz ist ein stiller Eigenbrötler, nicht am geselligen Beisammensein mit seinen Kameraden interessiert und insgesamt schwer zu fassen, auch wenn seine drastischen Erfahrungen in jungen Jahren natürlich einiges erklären. Für produktive Irritationen dürfte die Entscheidung sorgen, moralische Urteile außen vor zu lassen. Der Krieg euphorisiert Franz nicht so sehr wie viele andere Soldaten. Gleichzeitig gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass er die NS-Ideologie hinterfragt oder ihr gar kritisch gegenübersteht. Aus ihm einen strahlenden, die deutschen Allmachtsfantasien verteufelnden Helden zu machen – dieser Verlockung widersteht der Regisseur konsequent. Angesichts der Handlungszeitspanne von rund 20 Jahren ist es außerdem erfreulich, dass der Film dramaturgisch ohne große Holprigkeiten auskommt. Sollte Goiginger weitere spannende Erlebnisse aus seinem Familienfundus in petto haben, möchten wir ihm an dieser Stelle zurufen: Immer her damit! 

Der Fuchs (2022)

Österreich, Mitte der 1920er Jahre: Aus großer Not heraus übergibt die Bergbauernfamilie Streitberger ihren jüngsten Sohn in die Obhut eines Großbauern. Auch als Franz die Knechtschaft mit Erreichen der Volljährigkeit aufkündigen darf, kann er dem Vater nicht verzeihen. Auf der Suche nach Arbeit schließt er sich dem Bundesheer an. Unter seinen geselligen Soldatenkameraden bleibt der sensible, wortkarge Franz stets ein wunderlicher Außenseiter. Als die Kompanie 1940 den Angriff auf Frankreich starten soll, findet er im Wald einen verletzten Fuchswelpen. Kurzerhand beschließt Franz sich dem verlassenen Tier anzunehmen und es gesund zu pflegen. Angetrieben durch die Zuneigung zu seinem Fuchs, tritt er als Motorradkurier die gefährliche Reise an die Front an. (Quelle: Alamode Filmverleih)

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Meinungen

michi · 13.01.2023

Ich kann den film einen jeden nur empfehlen, der geht richtig unter die haut und hat mir nicht nur einmal glasige augen schenkt. Echt gut gemacht!