Operation Anthropoid

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die Henker des Henkers von Prag

Manche Geschichten über den Zweiten Weltkrieg sind so gut, dass das Kino immer wieder auf sie zurückgreift. Sean Ellis‘ Operation Anthropoid mit Jamie Dornan und Cillian Murphy in den Hauptrollen erzählt nicht zum ersten Mal von der Ermordung Reinhard Heydrichs, dafür aber mit bislang ungekannter historischer Genauigkeit.
Als Reinhard Heydrich, seinerzeit Stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, am 27. Mai 1942 in Prag einem Attentat zum Opfer fiel und acht Tage später an dessen Folgen starb, fand dieses weltpolitische Ereignis schnell Eingang in die Filmgeschichte. Bereits ein Jahr später brachten die Emigranten Fritz Lang und Douglas Sirk mit Hangmen Also Die! (deutscher Titel: Auch Henker sterben) und Hitler’s Madman ihre Versionen der Ereignisse in die Kinos. Unter Jirí Sequens‘ Regie folgte 1965 der tschechoslowakische Attentát (10 Uhr 30: Attentat), zehn Jahre später Lewis Gilberts amerikanisch-tschechoslowakische Koproduktion Operation Daybreak (Das Sonderkommando). Beim Publikum wirklich haften geblieben ist keiner der Filme.

Der Brite Sean Ellis (Cashback, The Broken) schickt sich nun an, das zu ändern. Zwar macht er in seiner in den Prager Barrandov Studios gedrehten Produktion vieles besser als seine Vorgänger. Doch auch aus diesem durchaus sehenswerten Weltkriegsthriller, der mit „Anthropoid“ zum ersten Mal den tatsächlichen Decknamen des Attentats im Titel trägt, werden sich nur Teile ins kulturelle Filmgedächtnis brennen. Ellis‘ größtes Problem ist die erste Hälfte, die sich allzu mühsam dahinschleppt. Angesichts seines furiosen, 20-minütigen Finales und deutlich schlechterer Ware, die Jahr für Jahr in den deutschen Kinos feilgeboten wird, hätte aber auch Operation Anthropoid hierzulande eine Auswertung auf der großen Leinwand verdient gehabt.

Zumal der Auftakt noch hoffen lässt. Hier begegnen wir den Exilanten Jozef Gabčík (Cillian Murphy) und Jan Kubiš (Jamie Dornan), als sie im eisigen Dezember 1941 bei Nacht und Nebel mit dem Fallschirm über ihrer alten Heimat abspringen. Von einem Kollaborateur in eine Waldhütte gelockt, liegen die Nerven früh blank. Doch kaum der Gefahr entronnen und sicher in Prag angelangt, verschleppen Sean Ellis und sein Koautor Anthony Frewin das Tempo. Jozef und Jan suchen Anschluss an den Untergrund um Ladislav Vaněk (Marcin Dorociński) und Jan Zelenka-Hajský (Toby Jones), kommen bei Familie Moravec unter und lernen dort Marie Kovárníková (Charlotte Le Bon) und Lenka Fafková (Anna Geislerová) kennen, die sich in der Öffentlichkeit fortan als ihre Freundinnen ausgeben, um auf den Straßen der Hauptstadt kein Aufsehen zu erregen. Bis zum Attentat vergeht eine Stunde. Bei dessen Vorbereitung nehmen es Ellis und Frewin dann doch etwas zu genau mit den Fakten und zwingen das Publikum, es den Widerständlern gleichzutun. Für einen Attentäter heißt das vor allem: warten.

Operation Anthropoid konzentriert sich ganz auf die Untergrundkämpfer, wiederholt nicht den Fehler seiner Vorgänger, dem „Henker von Prag“ zu viel Raum zu geben, ihn zu vermenschlichen oder zu dämonisieren. Als der offene Wagen des Reichsprotektors um die Ecke biegt, sehen wir Heydrich (Detlef Bothe) zum ersten und letzten Mal von Nahem und der Film nimmt Fahrt auf. Ellis, der nach Metro Manila (2013) zum zweiten Mal selbst zur Kamera greift, setzt auf einen Wechsel aus steten Totalen und aus der Hand geschossenen Wackelbildern. In den Actionsequenzen funktioniert das prächtig, verleiht der behäbigen Vorbereitung des Attentats allerdings auch nicht mehr Dynamik. Im Gegenstaz zu den stets zielsicheren Schützen sonstiger realitätsferner Thriller zeigt Ellis in seinem Drama vor allem eines: die Schwierigkeit, selbst aus nächster Nähe sein Gegenüber zu treffen.

Diese Akribie, was die Fakten anbelangt, steht Operation Anthropoid ebenso gut zu Gesicht wie die braunen Farben, in die Ellis Prag taucht. Im beinahe halbstündigen Making-of erhalten wir Einblicke in den Look des Films, den Ellis an alte Fotografien und Postkarten angelehnt hat. Auch wenn der Regisseur selbst nicht zu Wort kommt, sehen wir ihn am Set, erfahren viel über seine Arbeitsweise. Denn das Making-of, das leider nicht untertitelt ist, geht über die übliche gegenseitige Lobhudelei von Cast und Crew hinaus, zeigt den Dreh vor Ort und die Herstellung der Kulissen. Die Wohnung der Moravecs etwa wurde ebenso originalgetreu in den Prager Studios nachgebaut wie das gesamte Schiff und die Krypta der Karl-Borromäus-Kirche, in der sich die Attentäter sechs Stunden lang vor den Nazis verschanzt hatten. Ihr aussichtsloser Kampf, selbst wenn er gegen Ende etwas zu pathetisch gerät, geht uns auch deshalb so an die Nieren, weil Ellis Einstellung für Einstellung vorab durchchoreografiert hatte. Warum er bei all der Präzision dann aber mit einem internationalen Ensemble arbeitete, tragende Rollen neben Tschechen und Slovaken auch von Briten, Iren, einem Polen und einer Frankokanadierin auf Englisch mit (vermeintlich) tschechischem Akzent spielen lässt, verwundert, ja irritiert geradezu. Hier bietet sich die deutsche Tonspur an, deren Synchronisation zum Glück auf diese Spielerei verzichtet.

Das Thema scheint derweil noch nicht ausgeschöpft. Parallel zu Ellis‘ Film hatte auch eine französische Produktion den Stoff für sich entdeckt. Ob und wann der Film mit internationaler Starbesetzung und dem Titel HHhH (ein Akronym für „Himmlers Hirn heißt Heydrich“) in die Kinos kommen wird, ist noch offen. Um eine Verwechslung mit Operation Anthropoid zu vermeiden, wurde der Starttermin zunächst auf unbekannte Zeit verschoben.

Operation Anthropoid

Manche Geschichten über den Zweiten Weltkrieg sind so gut, dass das Kino immer wieder auf sie zurückgreift. Sean Ellis‘ „Operation Anthropoid“ mit Jamie Dornan und Cillian Murphy in den Hauptrollen erzählt nicht zum ersten Mal von der Ermordung Reinhard Heydrichs, dafür aber mit bislang ungekannter historischer Genauigkeit.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen