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Zum ersten Mal seit 2005 hat Regisseur Guy Ritchie wieder einen Film mit Jason Statham gedreht. Der Schauspieler tritt in der Rolle eines Mannes auf, der nicht zu Scherzen aufgelegt ist. Seine Bekannten halten ihn für einen schießwütigen Psychopathen, dabei will er sich nur an einem Mörder rächen.

Cash Truck (2021)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der Feldzug eines eiskalten Rächers

Zu den Kinoattraktionen, die über die Jahre nicht an Reiz verlieren, gehört das Subgenre des Rachethrillers. In einer klassischen Variante räumt ein Mann in einer verkommenen Männerwelt auf – ohne Mitleid, ohne Gnade, angetrieben vom Verlust eines nahestehenden Menschen. Der Regisseur Guy Ritchie präsentiert nun eine solche harte, geradlinige Action, die gar nicht erst versucht, witzig zu sein. In der Hauptrolle bringt Jason Statham die Aura des einsamen Wolfs voll zur Geltung. Wie er als neuer Mitarbeiter eines Geldtransportunternehmens mit der Schusswaffe umgeht, um den Tod eines geliebten Angehörigen zu rächen, beschert dem Publikum soliden Filmgenuss ohne Reue.

Ritchies Film, ein Remake des französischen Cash Truck – Der Tod fährt mit aus dem Jahr 2004, spielt in Los Angeles. Ein gepanzertes Fahrzeug der Geldtransport-Firma Fortico Securities ist überfallen worden, der Fahrer, der Beifahrer und ein unbeteiligter Dritter verloren ihr Leben im Kugelhagel der unbekannten Räuber. Bei der Firma heuert Patrick Hill (Jason Statham) als neuer Wachmann an – ein schweigsamer, niemals lächelnder Mensch, dem sein Ausbilder Bullet (Holt McCallany) den Spitznamen H verpasst. Den Einstellungstest, bei dem er auch seine Schießkünste beweisen muss, absolviert der Neue knapp mit dem vorgeschriebenen Mindesterfolg von 70 Prozent.

Aber beim ersten Überfall, den H im Dienst erlebt, befreit er zum Entsetzen des geschockten Teamkollegen Boy Sweat Dave (Josh Hartnett) die Geisel Bullet und rettet die Banknoten gleich mit, indem er alle Gangster ohne zu fackeln umlegt. Manager Terry (Eddie Marsan) will H wegen einer möglichen posttraumatischen Belastung eine Weile in den Innendienst versetzen, aber der Eigentümer der Firma lobt H als Helden und Vorbild und sorgt dafür, dass er seine Einsätze bekommt. Während einige seiner Kollegen H hinter vorgehaltener Hand schon bald als Psychopathen bezeichnen, wartet er auf den Moment, in dem er dem Mörder mit der Narbe (Scott Eastwood) gegenüberstehen wird.

In Rückblenden aus verschiedenen Zeiten blättert nun der Film nach und nach Hs Vorgeschichte auf. In der Welt, in der sich H und die anderen Akteure bewegen, stehen Gut und Böse nahe beieinander, die Methoden beider Seiten gleichen sich, es gibt heimliche Querverbindungen. H hat Kontakte, die ihm eine neue Identität besorgt haben und Informationen für seinen Rachefeldzug. Ehemalige Soldaten aus dem Afghanistan-Krieg, Fortico-Wachleute, die ihren Job mutig ausüben und solche, die noch andere Ziele verfolgen, H selbst: Wie integer ein Charakter in diesem Noir-Universum ist, ließe sich oft allenfalls im Moment und dann in Relation zu anderen, noch abgebrühteren oder verkommeneren Gestalten beurteilen.

In der Männerwelt der Fortico-Mitarbeiter kursieren sexistische Witze, aber H ist ja nicht nur gegen abwegigen Humor immun. Eine Alibifrau (Niamh Algar) setzt der Film in diesen Kreis, die mit H dann auch gleich einmal in die Kiste springen darf. Jason Stathams Charakter wirkt jedoch stets unzugänglich. Hs Gesichtsausdruck schwankt allenfalls zwischen untröstlichem Zorn – der Originaltitel heißt auch Wrath of Man – und ungerührter Bereitschaft, im richtigen Moment loszulegen. Seine Action beschränkt sich weitgehend auf das virtuose Erschießen. Zum Messer greift er allenfalls, wenn mal die Munition ausgeht. Und wenn gar keine Waffen zur Verfügung stehen, kann er auch jemanden erwürgen. Hs Actionauftritte sind gut getimt und choreografiert, die Spannung baut sich wie auf einer Achterbahn im langsamen Anstieg auf, wenn er sich im Auge der Gefahr noch einen Moment der Ruhe und der Sammlung gönnt.

Eine herausragende atmosphärische Rolle spielt die Musik von Christopher Benstead. Sie kann einen zwingenden Rhythmus vorgeben oder sich mit ein paar düsteren Akkorden schwer aufs Gemüt legen. Einmal paaren sich die dunklen Rhythmen beeindruckend mit Fetzen aus Johnny Cashs Folsom Prison Blues. Ritchie bleibt seinem Erzählstil, wie er ihn zuletzt in The Gentlemen zelebrierte, hier nur ansatzweise treu, mit einigen Wechseln auf der Zeitachse und indem er auf Wiederholungen einzelner Szenen unter anderem Blickwinkel nicht ganz verzichtet. Dass er diesmal ohne smarte, obercoole Gewitztheit bei der Figurenzeichnung und den Wendungen der Geschichte auskommt, ist zur Abwechslung richtig angenehm. Die Dramaturgie baut einen soliden Spannungsbogen auf, der lediglich in der finalen Action, wegen ihres vorhersehbaren Verlaufs, etwas an Kraft einbüßt. Ein Publikum, das mit dem Schauspieler Statham und dem Subgenre des Rachethrillers gewisse Erwartungen verbindet, dürfte also insgesamt auf seine Kosten kommen.

Cash Truck (2021)

Ein Thriller von Guy Ritchie, der auf dem französischen Film „Cash Truck“ von Nicolas Boukhrief aus dem Jahr 2004 basiert.

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