Belle de jour (1967)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Was Sie wollen!

Okay, okay, bei Belle de Jour denkt jeder einigermaßen informierte Mitbürger mittlerweile an die etlichen Swingerclubs oder sonstigen „Etablissements“, die diesen Namen tragen. Doch der Film von Luis Buñuel, der all jenen äußerst surrealen Lokalitäten ihre Namen gab, ist nach wie vor auch davon nicht totzukriegen. Zumal man das Gefühl hat, dass trotz Pille, 68er-WG-Experimenten, Beate Uhse und Internet-Schmutz sich nicht wirklich was in unserem Empfinden von Sexualität geändert hat.

Zur Handlung: Sévérine (Catherine Deneuve) und Pierre (Jean Sorel) führen nach außen hin eine perfekte Ehe, er ist Arzt und sorgt für behaglichen bürgerlichen Wohlstand, während sie ganz die Frau an seiner Seite ist und repräsentiert. Doch der Schein trügt, denn Sévérine weiß mit ihrem Mann sexuell kaum etwas anzufangen. Stattdessen flüchtet sie sich in Vergewaltigungsphantasien, die ihre unausgefüllten Tage immer wieder durchbrechen. Doch die Tagträume allein reichen Sévérine schon bald nicht aus. Per Zufall hört Sévérine von Husson (Michel Piccoli), einem Bekannten des Paares, etwas über ein diskret geführtes Bordell, ihre Neugier ist geweckt. Das Etablissement wird von Madame Anáis (Géraldine Page) geführt, und nach einem Besuch entschließt sich die brave Arztgattin, ihre Phantasien endlich auszuleben und als Prostituierte dort zu arbeiten. Da sie der Kundschaft ausschließlich nachmittags zur Verfügung steht, erhält sie den Namen „Belle de jour“.

Als jedoch eines Tages der Gangster Marcel (Pierre Clementi) im Bordell auftaucht, ist Sévérines Doppelleben in Gefahr, denn der gewalttätige Kriminelle, beansprucht Belle de jour ganz für sich alleine, stellt ihr nach, bedroht sie und schickt sich an, ihre Tarnung auffliegen zu lassen und Pierre alles zu erzählen. Und als schließlich noch Husson überraschend bei Madame Anais erscheint und Sévérine dort entdeckt, gibt sie ihre Nebenbeschäftigung endgültig auf. Doch Marcel lässt sich nicht so einfach abservieren, mit Macht drängt er sich in ihr Leben, bis er schließlich Pierre mit der ganzen Wahrheit über seine Frau konfrontiert.

Luis Buñuels Frontalangriff auf die rigide Sexualmoral der Bourgeoisie ist ein sadomasochistisches Sittengemälde zwischen Traum, Wirklichkeit, Phantasie und Perversion, zwischen unterdrückter Lust, Frigidität und nackter Gier, eine Analyse des Sexus, die vieles andeutet, aber nichts erklärt. Zumal aufgrund der Inszenierung die Realität und die Vorstellungswelt von Sévérine kaum unterscheidbar sind. Doch das ist durchaus in der Absicht des Regisseurs, mit dessen Film es sich ebenso verhält wie mit jenem Kästchen, das irgendwann im Film einmal auftaucht. Er sei, so schreibt Buñuel in seinen Erinnerungen sehr häufig auf das Kästchen angesprochen worden, dass ein Besucher des Bordells von Madame Anais bei sich trägt und aus dem geheimnisvolle Laute dringen. Was sich denn in dem Kästchen befunden habe, habe man ihn immer wieder gefragt. Die Antwort ist so lakonisch wie auch gleichermaßen für die Frage nach dem Sinn und der Hauptaussage des Films zutreffend: „Was Sie wollen!“

Belle de jour (1967)

Okay, okay, bei Belle de Jour denkt jeder einigermaßen informierte Mitbürger mittlerweile an die etlichen Swingerclubs oder sonstigen „Etablissements“, die diesen Namen tragen.

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Meinungen

Marion Magura · 26.07.2017

als der gedreht wurde war ich ein Jahr alt und Catherine Deneuve ist immer noch sooooo toll... CHAPEAU