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„In Liebe lassen“ von Emmanuelle Bercot ist großes französisches Schauspielkino mit Catherine Deneuve und Benoît Magimel – und zugleich die Würdigung des Arbeitsethos eines Leinwand-Laien.

In Liebe lassen (2021)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Schreibtisch des Lebens

Filme über das Sterben gibt es viele. Im Zentrum stehen dabei zumeist die sterbende Person und deren Angehörige, während das Krankenhauspersonal eher dazu dient, die notwendigen Stichworte zu liefern. In der neuen Arbeit der französischen Filmemacherin Emmanuelle Bercot ist dies etwas ausgewogener. Auch hier geht es um den schweren Prozess der Erkenntnis, den ein unheilbar Kranker und dessen Mutter zu bewältigen haben. Zugleich befasst sich „In Liebe lassen“ aber auch intensiv mit den Methoden des behandelnden Arztes.

Grund dafür ist, dass die Arbeitsweise des New Yorker Onkologen Dr. Gabriel A. Sara die Regisseurin überhaupt erst zu ihrem Film inspirierte. Sara spielt als Dr. Eddé gewissermaßen eine Version seiner selbst. Die zutiefst humanistische Art, wie sich Eddé dem an Krebs erkrankten 39-jährigen Schauspiellehrer Benjamin Boltanski (Benoît Magimel) nähert, wie er mit dessen Mutter Crystal (Catherine Deneuve) redet, wie er in Gesprächsrunden mit dem Pflegepersonal interagiert und gemeinsam singt und musiziert, geht auf Saras berufliches Vorgehen im echten Leben zurück. Eddé rät Benjamin, den „Schreibtisch des Lebens“ aufzuräumen, ehe es zu spät ist. Bemerkenswert ist, wie gut es dem Kino-Laien Sara dabei gelingt, neben den Schauspielgrößen Magimel und Deneuve zu bestehen.

Schon in ihren bisherigen Filmen, etwa Madame empfiehlt sich (2013) oder Die Frau aus Brest (2016) setzte Bercot auf eine ruhige Inszenierung. Auch hier konzentriert sie sich auf die Gesten und Dialoge zwischen den Figuren. Sie sucht nicht das große Drama, sondern zeigt vielmehr, wie langwierig der Prozess des Sterbens infolge einer Krankheit sein kann. Die Zeichnung der Figuren ist nicht frei von Klischees. Dass Benjamin seinem Kurs als Schauspieldozent zur emotionalen Selbsterkundung verhelfen kann, selbst jedoch (zunächst) keinen Zugang zu seinen Gefühlen findet, wirkt etwas formelhaft. Ebenso verläuft die sich aufbauende Beziehung zur einfühlsamen Krankenschwester Eugénie (Cécile de France) allzu nahe am Kitsch.

Aufgefangen wird dies aber von dem komplex gestalteten Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. Ist Crystal zu überbeschützend? Verhält sich Benjamin ihr gegenüber zu kalt? Das Drehbuch zu In Liebe lassen, das Bercot zusammen mit Marcia Romano geschrieben hat, bewertet das Verhalten der beiden nicht; es ergreift keine Partei. Sowohl die Sorge Crystals als auch die Angst Benjamins, nichts erreicht zu haben und deshalb keine Spuren zu hinterlassen, werden glaubhaft vermittelt. Dank Dr. Eddé beziehungsweise dessen Darsteller und realem Vorbild Dr. Gabriel A. Sara sind es am Ende ein paar vermeintlich schlichte und doch sehr bedeutende, oft schwer zu artikulierende Worte, die Versöhnung bringen. In Liebe lassen ist kein hochdramatischer Tränenzieher, sondern ein Film, der Trost spendet und uns daran glauben lässt, dass es möglich ist, loszulassen, wenn das Leben und der Tod es erfordern.

In Liebe lassen (2021)

Der 40-jährige Benjamin ist schwer an Krebs erkrankt, nach Aussagen der Mediziner*innen, die ihn behandeln, bleibt ihm noch ein Jahr. Seine Mutter Crystal leidet schwer unter dem nahenden Ende ihres Kindes. Dr. Eddé und die Krankenschwester Eugénie begleiten Mutter und Sohn voller Hingabe auf ihrem Weg, das Unausweichliche zu akzeptieren.

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Meinungen

Heidelinde · 27.02.2022

Ein Film über das Leben, denn der Tod gehört dazu. Beziehungen mit Energie - auch wenn sie nicht gelebt werden - durchstrahlen diesen Film. Catherine Deneuve zeigt, welche Qualitäten sie zu bieten hat. Berührend die Darstellung der medizinischen Welt, wenn sie doch immer mit solchen beseelten Menschen versehen wäre!!

Grit · 15.02.2022

Großartig!
Stark
Emotional
Rührend
Wahrhaftig