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Die Autorin Elly Conway gerät ins Fadenkreuz eines internationalen Verbrechersyndikats und schon bald wird ihr Leben verrückter als ihre eigenen Romane. Ein knallbunter Actionfilm, bei dem Fans von Matthew Vaughn auf ihre Kosten kommen.

Argylle (2024)

Eine Filmkritik von Christoph Dobbitsch

Bonbonbuntes Baller-Ballett

Matthew Vaughn ist einer der heimlichen Helden des Popcornkinos. Seit Jahren bringt er leicht bekömmliche Actionblockbuster auf die Leinwand und hat mit „Kick-Ass“ und „X-Men: First Class“ dabei geholfen, diverse Hollywood-Karrieren zu starten. Sein Debütfilm „Layer Cake“ soll sogar Daniel Craig zu seiner Rolle als James Bond verholfen haben. Einen eigenen Bond-Film durfte Vaughn zwar nie verwirklichen, konnte sich aber mit „Kingsman: The Secret Service eine augenzwinkernde Hommage erschaffen. Doch wenn die „Kingsman“-Reihe sein Liebesbrief an das Agentenfilm-Genre war, zu was macht das dann „Argylle“?

Wenn Agent Argylle (Henry Cavill) den Raum betritt, schmelzen die Frauen dahin und die Schurken beginnen, zu zittern. Ein cooler Spruch, eine stilvolle Tanzeinlage und ehe man sich versieht, weicht er Kugeln aus, schlägt seinen Gegenspielern ins Gesicht und stürzt sich in wilde Verfolgungsjagden. Argylle ist ein Superspion wie er im Buche steht. Und die Autorin dieses Buches heißt Elly Conway (Bryce Dallas Howard). Um ihrem langweiligen Leben zu entfliehen, hat Elly angefangen, Romane zu schreiben und ist mittlerweile beim vierten Buch der Argylle-Reihe angelangt. Eine ständig wachsende Fanbase liebt die logischen Unstimmigkeiten, die abgedroschenen Klischees und sogar Argylles eigenwilligen Haarschnitt und fiebert bereits dem nächsten Teil der Geschichte entgegen. Doch dieser könnte sich etwas verzögern, als Elly plötzlich das Ziel eines echten Verbrechersyndikats wird, das in ihren Büchern mehr sieht als bloße Unterhaltung.

Die Stärke von Matthew Vaughns Filmen war schon immer, dass man spürt, wie sehr er die Vorlagen liebt, die er parodiert. Das Genre der Agentenfilme ist für Satire und Metafiktion bekanntes Terrain und Vaughn lässt sich einiges einfallen, um die Formel etwas aufzufrischen: Realität und Fiktion verschmelzen im wirbelnden Discobeat miteinander, wenn Romanfiguren und Autorin Streitgespräche führen oder Charaktere in temporeichen Montagen miteinander vertauscht werden. Die überdrehte, respektlose Energie, die er in das allbekannte Setting pumpt, ist ungemein unterhaltsam, wackelt aber irgendwann unter ihrem eigenen Gewicht. Die Actionszenen bleiben bis zum Ende einfallsreich, sind aber manchmal derart eng beieinander, dass man noch der letzten nachhängt, ehe die nächste begonnen hat. Die Wendungen in der Story sind clever gesetzt, aber ehe eine ihr volles Gewicht entfalten kann, kommen schon zwei weitere, die wieder alles verändern. Vaughn führt von James Bond bis Lethal Weapon unzählige Inspirationen ins Feld, und vielleicht hatte er das Gefühl, ein derartiges Tempo auffahren zu müssen, um wirklich all seine Eindrücke in der Laufzeit unterbringen zu können. Ein Film, den er scheinbar nicht gesehen hat, ist das Hollywooddrama The Bad and The Beautiful aus dem Jahre 1952, in dem ein ambitionierter Regisseur den Ratschlag bekommt: Ein Film, der nur aus Höhepunkten besteht, ist wie eine Perlenkette ohne Schnur und fällt auseinander.

Warum Argylle dennoch geradeso davonkommt: 1952 gab es noch keinen Sam Rockwell. Rockwell, der als struppiger Geheimagent Aiden in Ellys Leben tritt, bringt mit seiner anarchischen Energie genau die Portion Charme mit, die dem Film gefehlt hat. Aiden ist nicht nur ein fantastisches Gegenstück zum durchgestylten Henry Cavill, sondern auch ein passender Partner für die überforderte Elly, die er mit viel Humor von einer Actioneinlage zur nächsten geleitet. Als sich beide gefunden haben und gemeinsam auf der Flucht befinden, zeigt der Film ohne Rücksicht auf Verluste, was ihn von seinen Vorbildern abheben soll: jede Menge übertriebene Gewalt.

Die hochstilisierten Sequenzen, in denen minutenlang zu fetziger Musik Menschen kreativ ermordet werden, waren schon in früheren Filmen ein Markenzeichen von Matthew Vaughn. Eine minderjährige Chloë Grace Moretz schlitzt in Kick-Ass erwachsene Männer zur Mitsing-Melodie von „The Banana Splits“ auf und Colin Firth kämpft sich in Kingsman durch eine Kirche, während „Free Bird“ läuft. Argylle kann mit solchen Momenten eine halbe Playlist füllen. Die Ästhetik, die Vaughn für seine Action wählt, befindet sich dabei irgendwo zwischen Looney-Tunes-Cartoon und Musical. Die Szenen sind temporeich und beeindruckend und sobald sie vorbei sind, fällt es schwer, sich zu erinnern, wie viele Leute gerade ihr Leben lassen mussten und ob überhaupt ein Tropfen Blut dabei zu sehen war. Wer den Gedanken, feindliche Agenten mit Kugeln vollzupumpen, während die Leinwand in knallbunte Farbe getaucht wird, nicht amüsant, sondern moralisch fragwürdig findet, sollte schleunigst den Saal verlassen. In Argylle lebt sich Matthew Vaughn kompromissloser aus als jemals zuvor und bietet einen überdrehte Agentenfilm-Parodie auf Steroiden, die insgeheim eine Screwball-Comedy sein möchte. Das ist genauso unsinnig wie es klingt und zum Glück auch genauso unterhaltsam.

Argylle (2024)

Elly Conway (Bryce Dallas Howard) mag es gemütlich. Die Autorin von Spionage-Bestsellern lebt zurückgezogen und verbringt ihre Abende am liebsten mit ihrer Katze Alfie zu Hause am Computer. Ellys Bücher handeln von Geheimagent Argylle und dessen Mission, ein weltumspannendes Spionagesyndikat zu entlarven. Doch eines Tages beginnen die Operationen einer sehr realen Geheimdienstorganisation, den fiktiven Geschichten in Ellys Romanen auf beunruhigende Weise zu gleichen. Die ruhigen Abende zu Hause gehören damit der Vergangenheit an. Elly begibt sich in Begleitung von Alfie und dem an einer Katzenallergie leidenden Spion Aiden (Sam Rockwell) auf eine wilde Mission rund um den Globus. Doch bei dem Versuch, ihren gefährlichen Widersachern immer einen Schritt voraus zu sein, verschwimmt zunehmend die Grenze zwischen Fiktion und Realität …

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