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Eine Leiche als Köder für die Nazis: John Maddens Spionagedrama rekonstruiert ein wagemutiges Täuschungsmanöver während des Zweiten Weltkriegs, das unter dem Namen Operation Mincemeat Bekanntheit erlangte. Trotz einiger holpriger Nebenstränge haucht der Film dem Geheimdiensttreiben Leben ein.

Die Täuschung (2021)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Leiche im Einsatz

Bereits im Jahr 1956 erschien mit dem britischen Spionagedrama „Der Mann, den es nie gab“ von Ronald Neame eine Aufarbeitung der ebenso verrückten wie wagemutigen Operation Mincemeat. Mit diesem Ablenkungsmanöver sollte das deutsche Oberkommando 1943 von einer Invasion der Alliierten in Griechenland und auf Sardinien überzeugt werden, während die Gegner Hitlers in Wahrheit eine Landung in Sizilien vorbereiteten. Grundlage des Films war das gleichnamige Buch des an der Mission federführend beteiligten Geheimdienstlers Ewen Montagu. Eben diesen verkörpert Colin Firth nun in John Maddens „Die Täuschung“, einer weiteren Rekonstruktion der Ereignisse, die auf einem Sachbuch des Historikers und Journalisten Ben Macintyre basiert.

Vier Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs planen die Feinde der Nazis in Europa einen Großangriff, wollen aber um jeden Preis verhindern, dass ihre Soldaten ins offene Messer laufen. Auf britischer Seite rauchen die Köpfe. Und schließlich lässt sich Premierminister Winston Churchill von einem eigentlich absurden Vorschlag begeistern. Ewen Montagu und Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen) beabsichtigen, eine Leiche mit falschen Top-secret-Informationen über dem Meer abzuwerfen, die dann an Land treiben soll, wo die unechten Papiere in die Hände der Deutschen fallen. Admiral John Godfrey (Jason Isaacs) steht dem Unterfangen äußerst skeptisch gegenüber, erteilt, da es den Segen von höchster Stelle gibt, Montagu und Cholmondeley jedoch die Erlaubnis, mit den Planungen für ihren Täuschungscoup zu beginnen.

Schon das Auftreiben eines geeigneten Toten, der die Anzeichen eines Ertrunkenen aufweist, ist eine Herausforderung. Die Wahl fällt auf einen Obdachlosen namens Glyndwr Michael, um den herum die Teilnehmer der Operation Mincemeat eine komplexe Biografie spinnen. Das Foto der angeblichen Verlobten steuert die verwitwete Sekretärin Jean Leslie (Kelly Macdonald) bei. Als die Identität des fiktiven Major William Martin steht, wird es ernst, müssen die schönen Überlegungen nun der Realität standhalten.

Wegweisende Entscheidungen finden nicht nur auf dem Schlachtfeld in aller Öffentlichkeit statt. Auch im Verborgenen, im stillen Kämmerlein werden in Kriegszeiten wichtige Manöver durchgeführt. Diese Erkenntnis versucht das gediegen ausgestattete Historiendrama dem Publikum zu vermitteln, und schafft es dabei, teilweise nicht sehr filmische Geschehnisse mit Dynamik und Spannung aufzuladen. Mit welchem Elan sich Montagu und Co in die Arbeit stürzen und sich Ideen für ihren falschen Soldaten zuwerfen, ist beispielsweise äußerst unterhaltsam. Im Rahmen der wirkungsvoll verdichteten Geschichte erzeugt sogar eine recht statische Szene, in der ein paar Menschen zusammensitzen und auf ein Telegramm warten, handfesten Nervenkitzel. Definitiv geht es um zu viel, als dass man nicht mit den Anwesenden mitfiebern würde.

Das Spiel mit der Fiktion, das die Mincemeat-Beteiligten treiben, thematisiert das Drehbuch von Michelle Ashford zudem auf einer zweiten Ebene. Involviert in das Täuschungsmanöver ist nämlich auch ein Mann namens Ian Fleming (Johnny Flynn), den wir mehrfach an einer Schreibmaschine sehen und der rund zehn Jahre später seinen ersten James-Bond-Roman vorlegen wird. Über das Verhältnis von Wahrheit und Erdachtem sinniert der zukünftige Romancier in der Rolle eines Erzählers an einigen Stellen des Films.

Der gute Eindruck, den der packende und informative Hauptstrang von Die Täuschung hinterlässt, findet leider nur bedingt Entsprechung in den Nebengeschichten. Sowohl Montagus angespannte Ehesituation als auch die angebliche Spionageintrige rund um seinen Bruder Ivor (Mark Gatiss) fühlen sich unterentwickelt an. Klischeehaft und austauschbar ist ferner das in der Realität nicht belegte Liebesdreieck zwischen Montagu, Cholmondeley und Leslie. Weiteres Drama in Form romantischer Irrungen hätte die ohnehin schon aufwühlende wahre Geschichte der Operation Mincemeat nicht gebraucht.

Die Täuschung (2021)

Die Operation Mincemeat war ein sehr erfolgreiches Täuschungsmanöver der Briten im Zweiten Weltkrieg, mit dessen Hilfe man das deutsche Oberkommando (OKW) davon überzeugen konnte, dass die Alliierten eine Invasion auf dem Peloponnes und auf Sardinien vorbereiteten anstelle von Sizilien, dem eigentlichen Ziel.

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