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Noah Schnapp ist durch seine Hauptrolle in der Mystery-Serie „Stranger Things“ bekannt. Unter der Regie von Ben Cookson spielt er jetzt in der Adaption eines Romans von Michael Morpurgo. Auch in den Nebenrollen ist dieses Weltkriegsdrama prominent besetzt.

Nur ein einziges Leben (2020)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Ein guter Hirte

Michael Morpurgo schreibt Kinderbücher. Einige davon wurden verfilmt. Am bekanntesten ist die Adaption seines Romans Gefährten (1982) durch Steven Spielberg. Für seine zweite Regiearbeit hat sich nun auch Ben Cookson einen Roman Morpurgos ausgesucht, den 1990 veröffentlichten Waiting for Anya. Der spielt nicht im Ersten, sondern im Zweiten Weltkrieg. Wie aus dem Œuvre des britischen Schriftstellers gewohnt, geht es auch in dieser Geschichte um einen jungen Protagonisten, der unfreiwillig zum Helden wird und daran wächst.

Als wir Joseph (Noah Schnapp), der von allen Jo genannt wird, zum ersten Mal begegnen, verhält er sich alles andere als heldenhaft. Gerry Vasbenters Kamera nimmt uns mit in die Berge. James Seymour Bretts Musik unterstreicht den majestätischen Anblick. Im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Spanien fliegt die Kamera über malerische Wälder und Wiesen und kommt beim Schafhirten Jo zur Ruhe, der gerade ein Nickerchen macht. Als er von einem Bären überrascht wird, nimmt er Reißaus und lässt seine Schafe im Stich. Erst am Ende des Films ist er ein guter Hirte.

Bald darauf liegt Meister Petz tot auf dem Dorfplatz. Jos Großvater (Jean Reno) brannte ihm eins aufs Fell und sein Enkel wird nicht etwa dafür gescholten, dass er seine Herde zurückgelassen hat, sondern dafür gelobt, die Bewohner des pittoresken Bergdorfs vor der Gefahr gewarnt zu haben. Vom Krieg, der seit drei Jahren tobt, scheint die kleine Gemeinde auf den ersten Blick nicht betroffen. Erst ein zweites Hinsehen legt Wunden offen.

Jos Vater (Gilles Marini) etwa ist abwesend, kehrt erst im Verlauf der Handlung als gebrochener Mann aus einem Straflager heim. Als Vaterfigur kann dieser Trunkenbold nicht dienen. Also sucht sich Jo Ersatz. Einen findet er im geheimnisvollen Benjamin (Frederick Schmidt), der schwarz gekleidet durch die Wälder streift, dabei selbst wie ein Bär aussieht und eine noch tiefere Wunde mit sich herumschleppt. Und auch von unerwarteter Stelle erfährt Jo väterliche Zuwendung. Ein ranghoher Nazi (Thomas Kretschmann) begegnet dem Jungen auf Augenhöhe.

Der Regisseur Ben Cookson, der auch mit am Drehbuch schrieb, erzählt diese Geschichte allegorisch und mit biblischen Anklängen. Der Bär war eine Bärin, die ihr Junges schützen wollte. Die vermeintliche Gefahr für die Gemeinschaft war purer Mutterinstinkt. Benjamin, der verzweifelt auf die Rückkehr seiner eigenen Tochter wartet, riskiert wie die Bärin für andere Kinder sein Leben, die er heimlich über die Grenze ins sichere Spanien schafft. Und Jo hilft ihm dabei; wandelt sich von einem schlechten zu einem guten Hirten, der keines seiner Schäfchen zurücklässt.

In dieser Geschichte über Verfolgung und Vernichtung, Flucht und Erlösung sind die Rollen klar verteilt. Anjelica Huston gibt eine Witwe mit rauer Schale und weichem Kern, die Benjamin und den Kindern auf ihrem Bauernhof Unterschlupf gewährt. Jean Reno spielt den liebestollen, aber dabei stets charmanten Alten, der seit Jahren ein Auge auf die Witwe geworfen hat. Und die Nationalsozialisten fallen wie Raubtiere über das Dorf her. Kretschmanns Nazi ist als naturverbundener Mensch einer von den Guten. Sein Gegenpart ist allein schon durch die Wahl des Schauspielers Tómas Lemarquis angsteinflößend.

So simpel die Figurenzeichnung ist, so künstlich wirken mitunter Kulissen und Kostüme. Wie so oft in Historienfilmen sehen auch in diesem die Kleider, Gegenstände und Innenräume zu neu und unbenutzt aus – gerade so, als seien sie eigens für den Filmdreh angefertigt worden. Einem jungen Publikum, an das sich die Vorlage und deren Adaption richten, mögen diese holzschnittartigen Charaktere und der erwartbare Handlungsverlauf genügen. Auch werden ihm diese kleine Irritationen kaum auffallen. Für ein erwachsenes Publikum bleibt dieses Drama hingegen zu unterkomplex.

Nur ein einziges Leben (2020)

Während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich wird ein junger Schäfer in den Schmuggel von jüdischen Kindern über die Grenze nach Spanien verwickelt.

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