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Als Meldungen von Polizeigewalt und den Morden an schwarzen Männern die USA erschüttern, richtet der italienische Filmemacher Roberto Minervini seine Kamera auf die Bewohner einer schwarzen Community im Süden und zeigt, wie der Rassismus ihr Leben täglich durchdringt.

What You Gonna Do When the World's on Fire? (2018)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Hinschauen, zuhören

Was wahrscheinlich den meisten aus ihrer Kindheit bekannt vorkommt: nach Hause kommen müssen, wenn abends die Lichter angehen. Was die meisten von uns wahrscheinlich nicht kennen: die Begründung. „Was war letzte Woche?“, fragt Ronaldos und Titus’ Mutter. Da wurden hier um die Ecke fünf Menschen erschossen, Frauen und Kinder darunter. „Und was war in der Woche davor?“ Da gab es eine Schießerei an der Tankstelle.

In seinem Dokumentarfilm What You Donna Do When The World’s On Fire? begleitet der italienische Filmemacher Roberto Minervini eine Handvoll Bewohner einer schwarzen Community im Süden der Vereinigten Staaten zu einer Zeit, als Meldungen von Polizeigewalt und Morden an schwarzen Männern das ganze Land erschüttern: Alton Sterling, Philando Castile, Jocques Clemmons. Minervini kommt den Geschehnissen unglaublich nah. So nah, dass man sich fragt, wie viel Zeit er dort verbracht haben muss, um – gerade als weißer Regisseur – derartiges Vertrauen zu gewinnen. Gänzlich verzichtet er auf Totalen, auf Kommentare, Texttafeln und ähnliche Einordnungen. Stattdessen Nahaufnahmen, Halbnahen, Details, hinschauen und zuhören, ob nun bei den Streifzügen der beiden Brüder, bei Demonstrationen der New Black Panther Party For Self-Defense, wenn die Angestellten einer Werkstatt spontan in Gesang ausbrechen oder bei Treffen in einer von der Schließung bedrohten Bar.

Dabei hält der Film stets eine spannungsgeladene Balance aus Einbeziehung der Zuschauer und Distanz. What You Donna Do When The World’s On Fire? ist in Schwarzweiß gedreht, einem wunderschönen Schwarzweiß mit hohem Silberanteil, das an die alten Panchro-Filme der italienischen Firma Ferrania erinnert. Zweifellos ästhetisiert das das Geschehen und manchmal auch das Leid. Zugleich trifft Minervini aber auch dezidierte Entscheidungen darüber, was er uns zeigt und was nicht. Selten ist er etwa in Momenten dabei, wenn seine Protagonisten eine schlechte Nachricht erhalten. Ihn interessiert eher das Nachhinein, wie sie damit umgehen. Dann wieder gibt es einige sehr emotionale Szenen, in denen Leute über ihre Vergangenheit reden oder die aktuellen Zustände im Land kritisieren und dabei sehr engagiert in einer Wir-Form sprechen, der man sich auch als weißer, privilegierter Zuschauer kaum entziehen kann.

Minervinis grundsätzliche Empathie für die Figuren, besonders für die jungen Brüder, die zwischen Aufnahmen von Demonstrationen, Aktivismus und Polizeigewalt immer wieder für Momente der Ruhe sorgen, überträgt sich durch den zärtlichen Blick der Kamera auf sie. In Auseinandersetzungen hingegen ist seine Kamera immer auf Seiten der Demonstranten positioniert, mitten drin, den Fokus häufig auf die schwarzen Polizisten der Gegenseite gerichtet, deren Unwohlsein ihnen ins Gesicht geschrieben steht. Konkret Partei ergreift er jedoch nicht. Nicht, wenn seinen Protagonisten Unrecht geschieht, und auch eine klare Position zur New Black Panther Party ist ihm nicht abzuringen, die etwa wegen ihres Anti-Zionismus durchaus streitbar ist.

Was What You Gonna Do When The World’s On Fire? allerdings unmissverständlich deutlich macht, ist die Tatsache, wie sehr alltäglicher und institutionalisierter Rassismus das Leben der Schwarzen in den USA in sämtlichen Daseinsbereichen durchdringt. Das beginnt bei der Frage, wann zwei Kinder vom Spielen spätestens zuhause sein müssen, es betrifft Fragen nach Bildungschancen und die Folgen der Gentrifizierung und endet bei offensichtlich rassistischem Vandalismus und Gewaltverbrechen, die von den Behörden ohne viel Federlesen beigelegt werden.

What You Gonna Do When the World's on Fire? (2018)

Auch mit seinem neuen Film What You Gonna Do When the World’s on Fire? begibt sich der Dokumentarfilmer Roberto Minervini wieder in das (finstere) Herz Amerikas.  Im Sommer 2017, als eine Reihe von durch Polizisten verursachte Todesfälle die USA erschüttern, ist er in einer kleinen afroamerikanisch geprägten Gemeinde im Süden unterwegs und beobachtet die Menschen bei ihrem alltäglichen Kampf um Gerechtigkeit, Würde und das pure Überleben in einem Land, das ihnen nicht wohlgesonnen ist.

 

 

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