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In ihrem Dokumentarfilm „Hail Satan?“ entdeckt die US-amerikanische Independentregisseurin Penny Lane die Organisation „The Satanic Temple“ und fordert dabei die moralischen und religiösen Überzeugungen ihrer Zuschauer heraus.

Hail Satan? (2019)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Die ultimative Troll Culture

Es kommt bei allem auf die Perspektive an. In der Bibel heißt es, Satan sei ein Verführer, der Menschen und sogar Jesus davon abhalten wollte, den Willen Gottes umzusetzen. Aber man könnte auch einfach sagen, dass er einem Darbenden in der Wüste Wasser anbot. Oder einem Vater vor Augen führen wollte, dass er nicht sein eigenes Kind töten muss, um ein guter Mensch zu sein.

So jedenfalls legt es The Satanic Temple (TST) aus, eine 2013 in den USA gegründete satanistische Organisation. Für gewöhnlich reichen die aneinandergereihten Buchstaben S, A, T, A und N schon aus, um viele Leute in Wallungen zu versetzen und nicht selten auch ohne Umschweife in blanke Wut. Die Independentregisseurin Penny Lane machten die Nachrichten über TST, die vor allem um die Wahl Donald Trumps herum durch die Medien geisterten, in erster Linie neugierig. Ihr Dokumentarfilm Hail Satan? befasst sich deshalb mit dem Satanic Temple von innen heraus. Mit seinen Mitgliedern und ihren Motivationen, mit den Glaubensinhalten der Organisation, ihrem Aktivismus und ihrer Außenwirkung.

Ein Markenkern des Satanismus sei, erklärt ein Gründungsmitglied des TST einmal, eine ausgeprägte troll culture. Dementsprechend hoch ist der Unterhaltungsfaktor von Hail Satan? Der Film zeigt, wie der blonden Moderatorin von Fox News ein offensichtliches Fragezeichen im Gesicht prangt, während sie den Gründer Lucien Greaves interviewt, wie sich Expertenrunden im Fernsehen, Gegendemonstranten auf den Straßen, Politiker und religiöse Spinner ereifern und sich immer wieder die Frage stellen, ob es sich beim TST nun um professionelle Satire oder noch viel Schlimmeres handele. Kaum einer der Kritiker stellt einmal die Frage, wofür der moderne, vom Satanic Temple vertretene Satanismus überhaupt steht. Nach einigen Interviews und von Penny Lane mit der Kamera begleiteten Aktionen stellt sich heraus, dass Satan hier nicht als real existierende Antigottheit angebetet wird. Er steht vielmehr als Protestsymbol gegen Tyrannei aller Art.

Ein Hauptanliegen des TST ist außerdem die Trennung von Kirche und Staat, und so entfallen weite Teile des Films auf Aktionen, bei denen die Satanisten versuchen, das System mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und unter Berufung auf die Religionsfreiheit eine riesige Baphomet-Statue neben Statuen der Zehn Gebote auf Regierungsgeländen in verschiedenen US-Bundesstaaten aufzustellen. Penny Lane ist klar fasziniert von den Inhalten und vom Charme der Satanisten, ihre Methode der Annäherung an ihre Subjekte ist dementsprechend eher von Neugier geprägt als von kritischem Nachhaken. Das Thema selbst ist ja auch schon kontrovers genug. Genau auf diese Weise, indem sie den Aktivisten des TST möglichst unvoreingenommen eine Plattform bietet, fordert sie die moralischen Überzeugungen und in manchen Fällen sicher auch religiösen Gefühle ihrer Zuschauer heraus.

Kurze Exkurse zur Entstehung der US-amerikanischen Verfassung und zur satanic panic des 20. Jahrhunderts liefern kulturhistorischen Kontext und kurze Ausschnitte mit Teufelsdarstellungen aus älteren Spiel- und Animationsfilmen kontrastieren den TST mit Abbildungen davon, was sich die Öffentlichkeit im Allgemeinen unter Satan und Teufelskulten vorstellt. In erster Linie aber ist Hail Satan? in der US-amerikanischen Gegenwart verhaftet, in der die katholische Kirche nach wie vor Amtsträger versetzt, um Missbrauchsfälle möglichst unauffällig aus der Welt zu schaffen. In der Regierungen mithilfe religiös-konservativer Ränge reaktionäre Gesetze wie das sogenannte bathroom bill durchsetzen und versuchen Frauen die Entscheidungsgewalt über ihre Körper abzusprechen. Auch Zuschauer, die sich von Schwarzen Messen mit Nacktheit, gleichgeschlechtlich knutschenden Paaren und exzessiv verschüttetem Wein eher abgeschreckt fühlen, dürften sich im Nachklang des Films zumindest fragen, welchen Überzeugungen entsprechend sie ihr Leben führen wollen.

Hail Satan? (2019)

Die Errichtung einer Baphomet-Statue vor dem Capitol in Oklahoma City im August 2018 war nur das sichtbare Zeichen eines der merkwürdigsten religiösen Phänomene der letzten Jahre — dem sagenhaften Aufstieg des erst 2013 gegründeten „Satanic Temple“ durch Lucien Greaves. Denn was als PR-Coup begann, hat mittlerweile mehrere hunderttausend Mitglieder. Die Filmemacherin Penny Lane geht dem Phänomen nach und erhielt dazu exklusiven Zugang zu der Gruppierung.

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