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Joachim Lafosse lässt Virginie Efira und Kacey Mottet Klein in „Continuer“ als Mutter und Sohn durch die Landschaft reiten. Und man schaut ihnen gern dabei zu.

Continuer - Keep Going (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Mutter und Sohn

Eine Mutter, ein jugendlicher Sohn, zwei Pferde und die raue Landschaft von Kirgisistan. Mehr braucht eine Geschichte manchmal gar nicht, um für sich einzunehmen. Das beweist der belgische Drehbuchautor und Regisseur Joachim Lafosse (Die Ökonomie der Liebe) in seiner Literaturverfilmung „Continuer“. Gemeinsam mit Thomas van Zuylen und mit der Unterstützung von Fanny Burdino, Mazarine Pingeot und Samuel Doux hat er den gleichnamigen Roman von Laurent Mauvignier, in dem es mehrere Zeitebenen gibt, für die Leinwand deutlich reduziert, ohne ihm dabei jedoch die Komplexität zu rauben. Er hat den Plot nicht simplifiziert, sondern ihn verdichtet – und in eindrückliche Bilder übersetzt.

Sybille (Virginie Efira) – eine Französin um die vierzig – hat sich mit ihrem Sohn, dem Schüler Samuel (Kacey Mottet Klein), auf eine Reise durch Kirgisistan begeben. Die beiden reiten durch die Wildnis; gelegentlich treffen sie auf Einheimische. Dank ihres Vaters, der aus Moskau stammte, beherrscht Sybille die russische Sprache. Erst nach und nach erfahren wir mehr über Sybilles Motive, den Trip mit Samuel zu unternehmen – sowie über das Verhältnis zwischen den beiden. Die Annäherung zweier Menschen, deren Beziehung stets kompliziert war, ist natürlich keine neue Geschichte; sie wird hier aber äußerst subtil, fernab von Standardsituationen erzählt.

Während der Kameramann Jean-François Hensgens die spröde Schönheit der Natur einfängt, wird zwischen Sybille und Samuel zunächst die emotionale Distanz deutlich. Wenn die beiden miteinander reden, werden sie anfangs oft getrennt voneinander gefilmt. Wenn sich Sybille mit Leuten aus der Umgebung unterhält, ist Samuel ein Ausgeschlossener, da er die Sprache nicht versteht. Als es dem Duo schließlich doch gelingt, Nähe zueinander aufzubauen, bleiben die Dialoge erfreulicherweise recht vage; nicht alles muss hier en détail ausformuliert und küchenpsychologisch analysiert werden. Und auch die Bedrohungen, die in der Wildnis lauern, sind eher diffus. Sybille wird gewarnt, dass die Route nicht sicher ist; als „Geschenk“ wird ihr eine Waffe mitgegeben – und selbstverständlich kommt diese im weiteren Verlauf zum Einsatz. Continuer hat, wie es Reisen nun mal so an sich haben, ein paar Längen; dennoch schafft es Lafosse, sein Werk mit einer schlummernden Spannung auszustatten, die sich in einigen Augenblicken dann wirksam entlädt.

Beachtlich sind nicht zuletzt die Schauspielleistungen von Virginie Efira (Birnenkuchen mit Lavendel) und Kacey Mottet Klein (Mit siebzehn). Sybille ist eine Frau, die sich mit den Schicksalsschlägen und mit den Fehlentscheidungen in ihrem Leben auseinanderzusetzen versucht – sowie mit der Tatsache, dass sie ihren Sohn einst im Stich ließ. Samuel ist derweil zu einem zornigen jungen Mann herangewachsen, dessen Aggressionen nur von zwei Dingen gebremst werden können: von der Musik, die er auf seinem iPod hört, und von seiner Liebe zu Pferden. Wie Mottet Klein völlig enthemmt mitten in der Wildnis auf einem Hügel tanzt und wie er sein Gesicht diverse Male in der zottigen Mähne von Samuels Pferd vergräbt, gehört zu den schönsten Momenten von Continuer. Der Darsteller liefert eine sehr körperliche, sinnliche Interpretation der Rolle. Und auch das Zusammenspiel des Duos, zwischen mütterlichen Schuldgefühlen und juvenilem Groll, zwischen Zärtlichkeit und Entgegenkommen, funktioniert ganz hervorragend.

Continuer - Keep Going (2018)

Sybille will nicht mehr mitansehen, wie ihr 18-jähriger Sohn Samuel in ein sinnloses Leben voller Hass und Gewalt abgleitet. Mit ihren eigenen Abgründen beschäftigt, sieht die geschiedene Mutter nur einen Ausweg: Sie beschließt, Samuel auf eine Reise nach Kirgisistan mitzunehmen.

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