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Es ist ein schwieriges Kapitel der bayerischen Standortpolitik: die Planung und der Baubeginn der atomaren Wiederaufbereitungsanlage im oberpfälzischen Wackersdorf. Gut recherchiert, mit analytischem Blick, aber auch viel Gespür arbeitet Oliver Haffner die Geschichte um Landrat Schuierer auf.

Wackersdorf (2018)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Mit analytischem Blick

Hans Schuierer ist ein engagierter Landrat: Die Region und seine Wähler liegen ihm am Herzen. Als die bayerische Staatskanzlei auf ihn zukommt und ihm mit dem geplanten Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage (WAA) 3.000 Arbeitsplätze und einen regionalen Wirtschaftsaufschwung verspricht, willigt er guten Mutes ein. Denn der Gegend um Schwandorf geht es schlecht, sie gehört zu den strukturschwachen Regionen des Landes: Die Arbeitslosenzahlen steigen unaufhörlich und die Menschen sind frustriert. Ein Aufschwung ist deshalb mehr als gewollt.

Landrat Schuierer (Johannes Zeiler) lässt sich vom Projekt überzeugen und vertritt es mit voller Überzeugung nicht nur in den Gremien des Landkreises, sondern auch innerhalb der eigenen Familie, wo von Beginn an Zweifel gegenüber der WAA auftauchen. So warnt der Physiklehrer seiner Tochter sofort vor dem atomaren Müll, der in die Gegend transportiert werden soll, und zeigt mögliche Folgen für die Bevölkerung auf. Eine Bürgerinitiative gründet sich, aber Hans Schuierer bleibt beharrlich.

Erst als er selbst beobachtet, wie die Staatsregierung mit aller Gewalt gegen die Aktionen der Bürgerinitiative um die junge Mutter Monika (Anna Maria Sturm) und andere Gegenstimmen vorgeht, forscht er nach: Fragt die Menschen um sich herum, liest Bücher zur Atomkraft, beschäftigt sich mit dem Für und Wider – und erkennt: Guten Gewissens kann er das Projekt nicht weiter vorantreiben. Er äußert seine Zweifel und versucht es mit einem Dialog mit den Vertretern der Staatsregierung, die aber wollen weder Diskussion noch Alternativen, sondern nur eins: seine Unterschrift. Als Schuierer diese verweigert, kommt es zum Eklat und gar einer Gesetzesänderung, die das Bauprojekt auch ohne die Zustimmung des Landrats realisieren lässt. Das Gesetz ist als „Lex Schuierer“ in die Geschichte eingegangen und seitdem in Kraft.

Man merkt Regisseur Oliver Haffner seine politologische Ausbildung an: Der Film nimmt im Detail die Machstrukturen im Bayern der 1980er Jahre ins Visier und analysiert sie mit scharfem Blick, spricht aber nicht alles aus, was er beobachtet und feststellt. Das tut dem Film gut, denn es hält den Zuschauer an, selbst zum genauen Beobachter zu werden und mit analytischer Aufmerksamkeit die Geschehnisse auf der Leinwand zu verfolgen.

Leicht sei es nicht gewesen, immer die Klarheit über die Geschichte zu behalten, erzählt Oliver Haffner beim Filmemacher-Panel im Münchner Gasteig. Sie hätten 800 Statisten in der Wackersdorfer Gegend engagiert und damit 800 Versionen der Geschichte der oberpfälzischen Gemeinde erzählt bekommen. Immer noch seien die Menschen dort mit der Geschichte verwurzelt, immer noch gäbe es offene Wunden, immer noch zerrissene Familiengeschichten.

Das, was vordergründig eine politische Entscheidung und ein Machtkampf zwischen den Institutionen im Land ist, zerreißt nämlich auch die kleineren Einheiten der Gesellschaft, was Wackersdorf mit Gespür nachzeichnet: Familien reiben sich an der Frage auf, ob es eine atomare Wiederaufbereitungsanlage im Umkreis geben soll oder nicht, Beziehungen und Freundschaften brechen auseinander, das Vertrauen untereinander schwindet. Die Politik erreicht hier das Private: Und zwar nicht etwa nur in der Frage, inwieweit der atomare Müll schlecht sei für unsere Kinder, unsere Gesundheit, den Boden, auf dem wir leben, sondern auch in der Haltung eines jeden Einzelnen.

Im Fokus steht Landrat Schuierer, dessen Zweifeln, Überlegen, Hadern, das Sich-in-Frage-Stellen den Kern des Films ausmachen. An seiner Figur werden die Einstellungen, die man gegenüber der Atomkraftpolitik der 1980er haben konnte, nachgezeichnet. Andererseits wird an ihr auch deutlich, welche inneren Kämpfe Politiker – und seien sie nur Landräte – auszufechten haben.

Angereichert mit Original-Bildmaterial im Fernsehformat unterstreicht der Film den Gang der Handlung und zeigt: Das ist wirklich passiert. Allerdings ist Wackersdorf auch hier nicht immer explizit, lässt bewusst Leerstellen und stärkt dadurch seine Wirkung, wenn er eben nicht zeigt, was am Ende mit der Baustelle passiert, sondern stattdessen auf die Reaktionen in Deutschland auf das Reaktorunglück in Tschernobyl verweist. Gerade durch diese Szenen am Ende macht der Film nachdenklich auch über aktuellen Debatten wie Politik generell und zeigt, dass man – gerade im Zeitalter von Fake News – vor allem eins nicht verlernen darf als Bürger: das Zweifeln.

Wackersdorf (2018)

Die kleine oberpfälzische Gemeinde Wackersdorf in den 1980er Jahren: Der Region geht es schlecht, die Arbeitslosenzahlen steigen. Also plant die bayerische Staatsregierung heimlich den Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage, die dem ganzen Landkreis einen wirtschaftlichen Aufschwung bescheren soll. Auch der Landrat Hans Schuierer ist von dieser Idee zunächst begeistert und wird schon bald als Retter der Region angesehen. Vereinzelte Proteste gegen das Vorhaben blendet er solange aus, bis die Staatsregierung mit aller Heftigkeit auf die Aktionen einer Bürgerinitiative reagiert, die erst kürzlich gegründet wurde. Doch nun kommen Schuierer langsam Zweifel: Ist die Anlage wirklich so harmlos wie behauptet? Er beginnt, Nachforschungen anzustellen…

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