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Im Jahr 1968 nimmt der britische Familienvater und Amateursegler Donald Crowhurst am Golden Globe Race der Sunday Times teil. Erstmals wollen Einhandsegler die Welt ohne Zwischenstopp umrunden. Das Drama mit Colin Firth spürt dem tragischen Kurs dieser wahren Geschichte nach.

Vor uns das Meer (2017)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die Einsamkeit des Einhandseglers

In den 1960ern Jahren sind abenteuerlustige Helden in England besonders gefragt, denn das rapide Schrumpfen des britischen Kolonialreichs hat am Nationalstolz genagt. Der Familienvater Donald Crowhurst (Colin Firth) wird vom Drang, einen neuen Weltrekord im Einhandsegeln aufzustellen, gepackt, als er auf einer Bootsausstellung Sir Francis Chichester sprechen hört.

Chichester hatte 1967 als erster Mensch allein die Welt umsegelt. Ein Jahr später möchte nun Crowhurst, Entwickler eines Peilfunkgeräts für die Navigation, das gleiche tun, allerdings ohne jeglichen Zwischenstopp.

Regisseur James Marsh hat sein Faible für wahre Geschichten schon mit dem oscargekrönten Man on Wire und Stephen-Hawking-Biopic Die Entdeckung der Unendlichkeit bewiesen. Nun nimmt er sich des Abenteuers eines Draufgängers an, das tragisch ausging. Crowhursts verlassener Trimaran wurde 1969 im Atlantik gefunden. 2006 widmete sich der Dokumentarfilm Deep Water den damaligen Ereignissen. Wenn Marsh und sein Drehbuchautor Scott Z. Burns die sieben Monate Crowhursts auf See fiktionalisiert rekonstruieren, entwerfen sie das psychologische Porträt eines Mannes, der an seiner Einsamkeit und seiner Selbstüberschätzung zerbricht. Die Verwandlung Crowhursts geschieht in Etappen und so widmet das Drama auch schon der Vorbereitung auf den Golden Globe Race, den die Zeitung Sunday Times 1968 ausruft, viel Raum.

Crowhurst könnte das Preisgeld von 5000 Pfund gut gebrauchen, das dem ersten und dem schnellsten der neun antretenden Segler winkt. Seine Firma Electron Utilisation dümpelt dahin. Aber was den Mann, der im Segeln lediglich Amateurkenntnisse besitzt, wirklich zur Teilnahme bewegt, ist immaterieller Natur. Was habe er denn schon in seinem Leben Großes getan, fragt er seine geliebte Frau Clare (Rachel Weisz). Voller Eifer entwirft Crowhurst einen Trimaran, der hohe Geschwindigkeiten erreichen kann, und findet im Geschäftsmann Stanley Best (Ken Stott) einen Sponsor für die Konstruktion. Best aber stellt Bedingungen: Crowhurst muss ihm Haus und Firma als Sicherheit bieten, für den Fall, dass er das Rennen nicht antritt oder vorzeitig abbricht.

Von Anfang an baut sich ein gewaltiger zeitlicher und psychischer Druck auf. Am 31. Oktober 1968, dem letztmöglichen Starttag, muss Crowhurst mit einem Boot aufbrechen, das nicht komplett fertiggestellt und ausgerüstet ist. Erst auf See gelangt der Segler nach und nach zur Erkenntnis, dass er das Rennen nicht regulär durchziehen kann. Er will es aber auch nicht abbrechen, weil zu viel auf dem Spiel steht. Zuhause beginnen sie schon bald, ihn als schnellen Segler zu feiern, Crowhursts PR-Mann Rodney Hallworth (David Thewlis) füttert die Sunday Times gerne mit aufgemotzten Berichten. Der Segler funkt nur spärlich, macht falsche Angaben, meldet sich monatelang nicht.

Zur äußeren Isolation auf See kommt für Crowhurst auch rasch eine innere hinzu. Er verbringt viel Zeit in der engen Kabine, wo merkwürdige metallische Geräusche erklingen, und erinnert sich an glückliche Stunden mit Clare und den Kindern. Dass der per Funk hergestellte telefonische Kontakt mit Clare, den er wiederholt verzweifelt sucht, schon nach ein paar Worten abbricht, symbolisiert seine Erkenntnis, nicht mehr der Mann zu sein, an den sie glaubt.

Im Wechsel schneidet der Film von der Trägheit der Tage an Bord zum Alltag Clares. Rachel Weisz spielt die liebende, optimistische Frau glaubwürdig, aber nicht zu emotional, während Colin Firth, der eher in nachdenklichen Rollen überzeugt, als Draufgänger auf See nicht optimal besetzt wirkt. Allerdings bleibt auch der Film unschlüssig, wie denn nun der psychische Verfall Crowhursts, sein Kampf mit den Elementen und dem Boot sowie seine Überlegungen bezüglich der Rückkehr zu einer kohärenten Handlung verflochten werden könnten.

Vom Kampfgeist des Helden, den Robert Redford in All Is Lost spielt, ist Crowhurst weit entfernt. Zwar gibt es auch hier den obligatorischen Sturm, aber wenig echte Auseinandersetzungen mit dem Meer, dessen Naturgewalt ein uneingelöstes Versprechen bleibt. Marsh drehte zwar auf dem Meer, aber halbherzig, sozusagen auf Sparflamme. Eine merkwürdige Eingeschränktheit verbindet den Hauptcharakter und die Inszenierung, und der Film baut nicht die dramatische Fallhöhe auf, die diese Geschichte in Wahrheit besitzt.

Vor uns das Meer (2017)

James Marshs Film The Mercy erzählt die unglaubliche, aber wahre Geschichte des Segelamateurs Donald Crowhurst, der bei der ersten Regatta für Einhandsegler rund um die Welt im Jahre 1968 teilnahm. Ohne viel Segelerfahrung und von horrenden Schulden gepeinigt, sah Crowhurst in der von der Sunday Times initiierten Regatta den letzten Ausweg, sich zu sanieren und zwei Erfindungen, die er Jahre zuvor gemacht hatte, einem großen Publikum vorzustellen.

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