Die Frau des Nobelpreisträgers (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

(Mehr als) Die Frau an seiner Seite

Mit „Die Frau des Nobelpreisträgers“ bringt der schwedische Filmemacher Björn Runge den gleichnamigen, 2003 veröffentlichten Roman der US-Autorin Meg Wolitzer auf die Leinwand; das Drehbuch stammt von Jane Anderson, aus deren Feder auch die gelungene Adaption „Ein amerikanischer Quilt“ (1995) sowie die Mini-Serie Olive Kitteridge (2014) stammen. Die Stärken des Werks liegen ganz eindeutig in den Dialogen und im Schauspiel; inszenatorisch wagt sich Runge hingegen leider nie über eine solide Bebilderung des belang- und reizvollen Stoffes hinaus.

Die Geschichte beginnt 1992 in Connecticut. Joe Castleman (Jonathan Pryce) genießt seit vielen Jahren ein hohes Renommee als Schriftsteller — und erhält nun per Telefon die Nachricht, dass er in Stockholm mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet werden soll. Mit seiner Ehefrau Joan (Glenn Close) gibt er daraufhin einen kleinen Empfang, bei welchem auch die beiden gemeinsamen Kinder der Castlemans erscheinen: David (Max Irons) hat ebenfalls schriftstellerische Ambitionen und sehnt sich vergeblich nach der Anerkennung seines Vaters; Susannah (Alix Wilton Regan) erwartet gerade ihr erstes Kind. Als sich Joe und Joan zusammen mit David nach Schweden begeben, reist auch der recht penetrante Autor Nathaniel Bone (Christian Slater) mit, der seit geraumer Zeit den Wunsch hegt, eine ausführliche Biografie über Joe zu schreiben, von diesem jedoch stets zurückgewiesen wird. In der Vorbereitung auf die Zeremonie werden die Castlemans von der jungen Fotografin Linnea (Karin Franz Körlof) begleitet; fortwährend kommt es zu kleineren oder größeren Konflikten zwischen dem Ehepaar sowie zwischen Vater und Sohn — bis sich ein Geheimnis von Joe und Joan offenbart, das ein völlig neues Licht auf deren Ehe wirft.
 

Die Frau des Nobelpreisträgers gibt Einblick in ein langjähriges Miteinander, welches anfangs durchaus harmonisch wirkt. Joe und Joan sind humorvolle Menschen — und Joe scheint seine Frau wertzuschätzen; in einer kurzen Rede auf dem Empfang im eigenen Haus bezeichnet er sie als Liebe seines Lebens, ohne die er nichts wäre. Allmählich entdeckt man als Zuschauer_in dann aber die Risse in dieser Fassade des gemeinsamen Glücks. Am besten gelingt dies immer wieder in Randbemerkungen — sowie in diversen Großaufnahmen, in denen die Gefühle von Joan im Gesicht von Glenn Close in aller Komplexität sichtbar werden. Abgesehen von der klugen Entscheidung, Closes Mienenspiel oft und intensiv einzufangen, bleibt Björn Runges Inszenierung indessen zu einfallslos. Am schwächsten fällt die filmische Umsetzung der Rückblenden in die 1950er und 1960er Jahre aus, in welchen Harry Lloyd und Closes Tochter Annie Starke die jüngeren Versionen von Joe und Joan verkörpern, dabei allerdings die stimmige Chemie vermissen lassen, die zwischen Close und Pryce zu spüren ist. Die Räume muten insbesondere in diesen Passagen äußerst kulissenhaft an, die Musik von Jocelyn Pook ist wiederum um eine Spur zu aufdringlich; obendrein versäumt es der Film hier, Joan beim Schreiben zu zeigen — da es der bedeutendste Punkt dieser Vergangenheitsszenen ist, dass auch Joan einst als Studentin das Ziel verfolgte, schriftstellerisch aktiv zu werden. Statt auf kinematografischem Wege zu vermitteln, was Joan damals antrieb und was das Verfassen von literarischen Texten in ihr auslöste, werden nur (auf gehobenem Fernsehfilmniveau) einige Momente ins Bild gesetzt, in denen die Beziehung zwischen Joan und dem zunächst noch mit einer anderen Frau verheirateten Jungprofessor Joe entsteht und Joan Joe dabei hilft, bei einem Verlag als Autor unterzukommen. Was Joan an Joe findet, teilt sich hier kaum mit — selbst wenn dieser inbrünstig James Joyce rezitiert. Am relevantesten ist die Begegnung der jungen Joan mit einer frustrierten Autorin (Elizabeth McGovern), die ihr eindringlich von der Schriftstellerei abrät, da sie als Frau im männlich dominierten Literaturbetrieb niemals ernst genommen werde.

Dieser Sexismus und die ernüchternde Marginalisierung lassen sich in der Gegenwartserzählung in etlichen Details erkennen — wenn Joan etwa wiederholt lediglich als „die Frau von Joe Castleman“ wahrgenommen wird oder man ihr in Stockholm Shopping- und Schönheitsbehandlungs-Möglichkeiten anbietet, statt ihr anspruchsvollere Beschäftigungen zuzutrauen. Das Skript begeht gleichwohl nicht den Fehler, Joan als Opfer ihres ignoranten Umfeldes hinzustellen. Er solle sie in seinem Buch bitte nicht als solches zeichnen, meint Joan zu dem neugierigen Autor Nathaniel — denn sie sei so viel interessanter. Eine Aussage, die zweifelsohne zutrifft: Die Frau des Nobelpreisträgers präsentiert mit Joan eine erfreulich facettenreiche Hauptfigur und setzt sich subtil mit Lebenslügen und Enttäuschungen sowie mit Geltungsdrang und Geniekult, gesellschaftlichen Denkklischees und struktureller Unterdrückung auseinander.

Glenn Close bringt Joans Innenwelt hervorragend zum Ausdruck und kann mit Jonathan Pryce (Brazil) auf einen großartigen Spielpartner bauen. Auch Christian Slater liefert eine beachtliche Leistung; ein Dialogduell zwischen Joan und Nathaniel zählt zu den Spannungshöhepunkten des Films. Gänzlich wettmachen können die präzisen Interpretationen von Close, Pryce und Slater sowie die eindrucksvollen Wortwechsel zwischen den Figuren die allzu konventionelle audiovisuelle Gestaltung nicht; sie sorgen aber dafür, dass Die Frau des Nobelpreisträgers insgesamt dennoch eine sehens- und hörenswerte Arbeit ist, die sich einer wichtigen Thematik widmet.

Die Frau des Nobelpreisträgers (2017)

Mit „Die Frau des Nobelpreisträgers“ bringt der schwedische Filmemacher Björn Runge den gleichnamigen, 2003 veröffentlichten Roman der US-Autorin Meg Wolitzer auf die Leinwand; das Drehbuch stammt von Jane Anderson, aus deren Feder auch die gelungene Adaption „Ein amerikanischer Quilt“ (1995) sowie die Mini-Serie „Olive Kitteridge“ (2014) stammen.

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Meinungen

Astra · 18.01.2019

Wunderbarer Film darüber, wie Frauen (auch heute noch) aus mangelndem Selbstwertgefuehl und fehlender Unterstuetzung durch das eigene Geschlecht (beachte Rueckblende im Film!) das eigene Talent einem vermeintlichem heimischen Glueck in diskriminierenden Ehen opfern. Wird es bewusst, kommt es zu Verdraengung und dann zu Wut.... sehenswert! Eine wunderbare Glenn Close, von der dieser Film lebt.

Hartmut T. · 13.01.2019

Standardkino nach US-amerikanischem Mainstream-Muster, das erst kurz vor Schluss etwas Fahrt aufnimmt - ohne wirkliche Überraschungen.

Michael Scheck · 03.01.2019

Ich teile die Sichtweise, dass die Umsetzung des Romanes nicht besonders geglückt ist - allerdings sehe ich nicht den Regisseur als Sündenbock - seine Schauspielerführung etwa ist grossartig!
Das eigentliche Problem ist das Drehbuch, welches es in keinem Moment schafft, die inneren Vorgänge, die Joan zur Trennung von ihrem Mann führen, glaubhaft zu machen. Der Film bleibt dadurch stets an der Oberfläche.