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Über 100 Stunden bisher unveröffentlichtes Filmmaterial liegt Brett Morgans Dokumentarfilm „Jane“ zugrunde, in dem er von der Schimpansenforscherin Jane Goodall erzählt. Aber hat der Film wirklich etwas zu Neues zu bieten?

Jane (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Lebe Deinen Traum

Es seien ihre Beine, die ihr zum Erfolg verholfen hätten, wurde über Jane Goodall in den 1960er Jahren gesagt. Gerne wurde sie auch als „Cover Girl“ des National Geographic bezeichnet. Alles Versuche, die Beobachtungen, die die Britin im nordwestlichen Tansania gemacht hat, zu unterlaufen, zu unterminieren, damit arrivierte (männliche) Wissenschaftler nicht zugeben müssen, dass das „Mädchen“ vielleicht tatsächlich etwas herausgefunden hat.

Dieser Teil ist einer der spannenderen Aspekt in Brett Morgen Dokumentarfilm Jane, in dem er anhand von über 100 Stunden bisher unveröffentlichtem Filmmaterial von der Arbeit von Jane Goodall erzählt. Hier entwickelt der Film eine Stoßrichtung, die nicht von dem Archivmaterial eingegrenzt scheint, hier geht es nicht mehr nur um die mittlerweile auch mit Filmen gut dokumentierte Arbeit von Jane Goodall, sondern um ihre Rezeption. Immerhin hat sie durch ihre Beobachtungen herausgefunden, dass nicht nur Menschen Werkzeuge benutzen – und hat dadurch, dass sie den Schimpansen Namen gegeben hat, auch einen persönlichen Zugang gefunden, der diese Arbeit besser vermitteln kann. Damals als unprofessionell abgeurteilt, ist es heute durchaus eine übliche Vorgehensweise.

Jedoch sind es insgesamt zu wenige eigene Akzente, die Brett Morgen setzt. Stattdessen zeigt er immer wieder wunderschöne Naturaufnahmen, Bilder von Jane, die am Wasser sitzt, die auf einem Baum sitzt, die wartet, die etwas aufschreibt. Sie ist in Tansania, um Schimpansen zu beobachten – und jemanden dabei zu beobachten, wie er etwas beobachtet, ist nicht immer spannend.

Zumal man sich hier anfangs auch fragt, woher die Bilder eigentlich stammen. Während der Off-Kommentar von Jane Goodall und auch die zwischengeschaltenen Fragen des Filmemachers suggerieren, sie sei alleine dort gewesen, ist schon allein aufgrund der Existenz der Bilder klar, dass jemand dort war, um sie zu filmen. Hinzu kommen Helfer, die immer wieder im Bild zu sehen sind, und letztlich auch Bilder von Goodalls Mutter, die mit ihr nach Gombe reiste. Aber auch wird das Verhältnis von Jane zu ihren Helfern nicht beleuchtet, vielmehr betont sie, dass ihre Mutter ihr immer geholfen habe – und niemals gesagt habe, sie dürfe manche Träume nicht haben, weil sie eine Frau ist. Das Mutter-Thema ist groß in diesem Film. Letztlich vielleicht auch ein wenig zu groß.

Schließlich wird dann erklärt, wer die Aufnahmen gemacht hat: Im Jahr 1962 schickte National Geographic den Filmemacher Hugo van Lawick nach Tansania, um die Arbeit von Jane zu dokumentieren. Es sind also seine Aufnahmen, die zweifellos und mit zunehmender Dauer auch interessant werden – mit ihm erweitert der Film aber auch seinen Fokus: Hugo van Lawick ist einer der bedeutendsten Naturfilmer und daher schweift der Film im Mittelteil immer wieder auch in seine Aufnahmen von der Serengeti ab. Die vordergründige Verbindung ist hier Jane Goodall, die er 1964 heiratete und die ihn dorthin als seine Assistentin begleitete. Damit wird aber auch die Überleitung zu dem großen Mutter-Thema geschaffen, das in Jane immer wieder aufblitzt: Jane hat von den Schimpansen viel für ihr eigenes Leben gelernt, vor allem aber für ihre Rolle als Mutter. Immer wieder wird ihr Verhältnis zu ihrem Sohn angesprochen, dabei wird aber nie die grundsätzliche verehrende Haltung gegenüber Jane aufgegeben. Kritisches Nachfragen oder gar Hinterfragen ihrer Methode, ihrer Arbeit oder ihrer Entscheidungen gibt es hier nicht.

Stattdessen werden immer wieder ähnliche und sich wiederholende Bilder gezeigt, untermalt von einem enervierenden Score, der von Philip Glass stammt. An die Stelle von Minimalismus und Einfühlung tritt hier eine Überbetonung durch Permanenz und in manchen Einstellungen auch Wuchtigkeit.

Dennoch sucht man Emotionalität ebenso vergeblich wie Reflexion. Es ist kaum zu glauben, dass hier Brett Morgen, der mit Cobain – Montage of Heck einen packenden, hervorragenden Dokumentarfilm mit gefundenem Material gedreht hat, Regie führt. Ihm fehlt ein Zugang zum Thema, beständig ignoriert er die spannenden Fragen, die er stellen könnte. Denn fraglos ist Jane Goodall eine bemerkenswerte Frau, die sich der Wissenschaft widersetzt hat und die ihrem Traum vom Leben gefolgt ist. Aber abgesehen von ein paar schönen Filmaufnahmen fügt Jane dem, was von Jane Goodall bereits bekannt ist, nichts hinzu.

Jane (2017)

Unter Verwendung von bislang unveröffentlichtem Filmmaterial schildert Brett Morgen „Kurt Cobain — Monate of Heck“) Jane Goodalls frühe Exkursionen und Feldstudien, ihre Beziehung zu ihrem Kameramann und Lebensgefährten Hugo van Lawick und zeigt ihre Arbeit mit ihren geliebten Schimpansen.

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