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Was nützt ein Leben ohne Liebe? Rupert Everett inszeniert die letzten Lebensjahre von Oscar Wilde als Rausch aus Leidenschaft und Liebeswahn.

The Happy Prince (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Leidenschaft und Erlösung

Rupert Everett führt Regie, hat das Drehbuch geschrieben und die Hauptrolle übernommen – das kann manchmal zu viel sein, zu viele Aufgaben, zu viel Selbstinszenierung. Und doch fügt sich in „The Happy Prince“ genau das sehr gut zusammen: Wie Oscar Wilde versteht es auch Rupert Everett, stets die Bühne zu nutzen, die ihm zur Verfügung steht.

Im Mittelpunkt seines Films stehen die letzten Jahre von Oscar Wilde. Texttafeln informieren über seine Situation: Nachdem der reaktionäre Marquess von Queensberry herausgefunden hat, dass Oscar Wilde eine Affäre mit seinem Sohn, Lord Alfried „Bosie“ Douglas (wunderbar selbstverliebt: Colin Morgan), hat, hat er ihn öffentlich als „Somdomite“ (sic!) bezeichnet – der weltberühmte Schreibfehler, den der Lord machte, ist in dem Film aber berichtigt. Daraufhin hat Oscar Wilde gegen den Marquess eine Verleumdungsklage eingereicht und sich grausam verkalkuliert: Er wurde letztlich selbst zum Angeklagten, als herauskam, dass er mit jungen Männern Sex hat, und schließlich wegen Unzucht angeklagt. In einem zweiten Verfahren wurde er zu zwei Jahren Zuchthaus mit schwerer Zwangsarbeit verurteilt.

Diese zwei Jahre – so wird schon nach wenigen Bildern deutlich – haben Oscar Wilde zu einem gebrochenen Mann gemacht; von der Gesellschaft geächtet, beständig in Geldnot, stets schwankend zwischen der Hoffnung auf Erlösung durch einen Neuanfang mit seiner Frau Constance (Emily Watson) und der Leidenschaft für Männer im Allgemeinen und Bosie im Besonderen.

Mehrfach wechselt der Film gekonnt die Zeitebene, mit nur kurzen Rückblenden in die Zeit des Erfolgs und schließlich in die Jahre nach seiner Haftentlassung. Hier widersteht Everett glücklicherweise der Versuchung einer linearen Erzählung, sondern konzentriert sich darauf, was von dem Erfolg noch übriggeblieben ist: kurze Erinnerungsmomente des Glücks und ein verdorbener Ruf. Dennoch war er nach seiner Haftentlassung vorsichtig optimistisch: Oscar Wilde hat England den Rücken gekehrt, hofft in Frankreich unter dem Namen Sebastian Melmoth neu anzufangen. Aber er wird immer wieder erkannt – und als er schließlich seinem Sehnen nachgibt und sich abermals mit Bosie einlässt, beginnt ein Abstieg in Rausch und wunderbaren Worten.

Schon der Name Sebastian Melmoth ist ein Hinweis – spielt er doch auf Melmoth the Wanderer an, ein Roman von Charlos Robert Maturin, der von einem Mann erzählt, der seine Seele für ein längeres Leben verkauft. Auch Wilde ist anfangs bestrebt, so viel wie möglich wieder gerade zu rücken. Aber was nützt ein Leben ohne Liebe? Er will lieben und geliebt werden, stürze es ihn auch ins Verderben. Mit der Wiederaufnahme seiner Beziehung mit Bosie stößt er nicht nur seine treuen Freunde Robbie Ross (Edwin Thomas) und Reggie Turner (Colin Firth) vor den Kopf, sondern verliert auch die finanzielle Unterstützung, die ihm seine Ehefrau immer noch verwehrt.

Es ist eine destruktive Beziehung, so viel ist klar. Sie bringt ihn schließlich nach Paris ins Exil, in Krankheit und Einsamkeit. Dort erzählt er dann abermals zwei Jungen sein Märchen von The Happy Prince, wie er es in glücklicheren Tagen seinen Kindern erzählt hat. Bei Everett wird es zu einer Parabel für Wildes Dasein: Ein Prinz, der entdeckt, dass Liebe das einzige ist, wofür es sich zu leben lohnt. Und schon vorher hat Wilde gesagt, dass jeder Mann das tötet, was er liebt („Yet each man kills the thing he loves“ aus The Ballad of Reading Gaol, die er 1898 geschrieben hat und das letzte seiner zu Lebzeiten veröffentlichen Werke sein sollte).

Es sind diese Worte von Oscar Wilde, die beständig zitiert werden, die sich aber so gut in den Film einpassen und die schwächere Momente vergessen lassen. Sicherlich übertreibt Rupert Everett von Zeit zu Zeit sowohl im Schauspiel als auch in der Inszenierung und der Musik. Aber letztlich kann man sich diesem Wahn und Wahnsinn, dieser Leidenschaft und dieser Hingabe an die Liebe nur schwer entziehen.

The Happy Prince (2018)

The Happy Prince erzählt die letzten Tage zur tragischen Zeit Oscar Wildes, einer Person, die ihr eigenes Scheitern mit ironischer Distanz wahrnimmt und die Schwierigkeiten, die ihr Leben befallen, mit Humor und Abstand betrachtet.

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