Sherlock Holmes

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Deduktives Denken für Dummies

London im Jahre 1890: Buchstäblich im letzten Moment gelingt es Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.) und seinem getreuen Assistenten Dr. Watson (Jude Law), einen Ritualmord an einer jungen Frau zu verhindern. Der sinistre Bösewicht Lord Blackwood (Mark Strong), der offensichtlich mit dunklen Mächten im Bunde ist, wird verhaftet und zum Tod durch den Strang verurteilt. Und obwohl sich Watson höchstselbst vom Tod des Schurken überzeugt, scheint der auf rätselhafte Weise wiederauferstanden zu sein, da auch weiterhin eine Mordserie London erschüttert, die die Handschrift des satanischen Schurken trägt. Während die britische Hauptstadt in Hysterie und Aberglauben verfällt, begibt sich der streng logisch denkende Detektiv aus der Baker Street 221 B auf die Spur des finsteren Magiers und stößt bald auf eine Verschwörung ungeheuren Ausmaßes. Ganz nebenbei muss Holmes aber auch gegen ganz andere Gespenster ankämpfen. Denn einerseits ist Dr. Watson wild entschlossen, die liebreizende Mary Morstan (Kelly Reilly) zu ehelichen, was das enge Verhältnis zwischen ihm und seinem Partner im Geiste empfindlich stört. Und zum anderen taucht plötzlich auch noch Irene Adler (Rachel McAdams) auf, eine ebenso schöne wie durchtriebene Frau, die Holmes einst eine empfindliche Niederlage beibrachte und in die er nach wie vor verliebt ist. Es beginnt eine atemlose Jagd durch ganz London nach der Wahrheit in einem verwirrenden Labyrinth aus Okkultismus, Verschwörungen und Intrigen…
Mit sichtlich großem Aufwand und einer erstaunlich gegen den Strich gebürsteten Besetzung der beiden Hauptrollen versucht Guy Ritchie, den etwas angestaubten literarischen Helden Sherlock Holmes zumindest filmtechnisch ins 21. Jahrhundert zu übersetzen. Das Ergebnis des aufwendigen Spektakels ist zwiespältig geraten und zielt vor allem auf das amerikanische Massenpublikum ab, das hier neben etlichen Actionszenen vor allem auf haarsträubend simple Weise vorgeführt bekommt, wie deduktives Denken funktioniert. In Ultrazeitlupe und diversen Rückblenden löst sich hier so manche Zauberei wie von selbst in Wohlgefallen auf.

Mit dem ursprünglichen Sherlock Holmes, wie wir ihn bislang aus den Büchern Conan Doyles und aus unzähligen Verfilmungen kannten, hat Guy Ritchies Spektakel über weite Strecken erschreckend wenig zu tun. Lord Blackwood beispielsweise taucht in keinem einzigen der Romane auf. Und Irene Adler ist eine Figur, die der literarischen Vorlage Ein Skandal in Böhmen / A Scandal in Bohemia auftaucht, dort aber nicht Holmes’ Geliebte, sondern seine Widersacherin ist. Allerdings haben viele Bearbeitungen von Holmes-Geschichten die Vermutung geäußert, der geniale Detektiv müsse eine Liebesbeziehung zu seiner Konkurrentin geführt haben, offenbar passt dies bestens zu dessen labilem Charakter.

All dies wäre nicht weiter tragisch und durchaus im Sinne einer Neuinterpretation und Modernisierung der Figur, sähe man nicht überall die Handschrift Ritichies, seine typischen Kniffe und Verweise auf einen anderen Filmhelden namens James Bond aufblitzen. Die diversen Faustkämpfe, die Holmes im Laufe des Films zu absolvieren hat, wirken wie eine Kopie ähnlicher Szenen aus Snatch – Schweine und Diamanten / Snatch, Ritichies Erfolg aus dem Jahre 2000. Lord Blackwood als protofaschistischer Bösewicht im Gestapo-Ledermantel und mit reduzierter Mussolini-Mimik gäbe einen prächtigen Bond-Widersacher ab, während dessen riesenhafter und französisch parlierender Handlanger wie ein Abbild des legendären „Beißers“ Richard Kiel erscheint. In dieses Bild passt dann auch der ebenso spektakuläre wie extrem künstliche Showdown auf der Tower Bridge. Die literarische Vorlage wird auf diese Weise zu einem Sammelbecken popkultureller Referenzen und Querverweise, die das Eigentümliche und Einzigartige an der Gestalt von Sir Arthur Conan Doyles teilweise bis zur Unkenntlichkeit verwässern.

Doch es gibt auch Erfreuliches zu berichten: Robert Downey Jr., der jahrelang im Drogensumpf versackt schien und dessen Frau Susan diesen Film mitproduziert hat, präsentiert sich erstaunlich fit und scheint zu einer bemerkenswerten zweiten Karriere aufzuschwingen. Deutlich blasser hingegen und weniger charismatisch ist Jude Laws Interpretation von Dr. Watson ausgefallen, was auch an der Charakteristik der Figur liegen mag. Dennoch ergeben die beiden ein im wahrsten Wortsinne schlagkräftiges dynamisches Duo, das dem Film über etlichen Holprigkeiten und Ungereimtheiten der Story hinweghilft, die mindestens ebenso viele Schlaglöcher aufweist wie das Kopfsteinpflaster Londons im Jahre 1890.

Richtiggehend ärgerlich, aber irgendwie auch typisch für das Denken, dass derzeit im Mainstream-Kino vorherrscht, ist der geradezu unverschämt penetrante und offensichtliche Cliffhanger zum bereits geplanten Sequel Sherlock Holmes 2. Es bleibt abzuwarten, ob die Abstimmung des Publikums mit den Füßen den Produzenten hier nicht einen Strich durch die Rechnung macht.

Wer Spaß an Action im historischen Gewand ohne allzu viel Anspruch und mit vertrauten Versatzstücken aus diversen Werken der Populärkultur (neben James Bond als Bezugsgröße wirkt der ganze pseudo-okkulte Background teilweise wie eine Parodie auf die Romane Dan Browns) hat, der dürfte sich in Guy Ritchies Film auf schlichte Weise unterhalten fühlen. Fans des wahren Holmes aber geht das bombastische Spektakel mit ziemlicher Sicherheit schnell auf die Nerven. Zumal sie ganz schnell auf den Gedanken verfallen dürften, dass ihr Held hier lediglich als Vehikel für ein uninspiriertes Actionspektakel benutzt wird, das zu deutlich nach kommerziellem Erfolg und einer optimalen Auswertung im Sinne diverser Fortsetzungen schielt. Willkommen im Themenpark Sherlock Holmes!

Sherlock Holmes

London im Jahre 1890: Buchstäblich im letzten Moment gelingt es Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.) und seinem getreuen Assistenten Dr. Watson (Jude Law), einen Ritualmord an einer jungen Frau zu verhindern. Der sinistre Bösewicht Lord Blackwood (Makr Strong), der offensichtlich mit dunklen Mächten im Bunde ist, wird verhaftet und zum Tod durch den Strang verurteilt.
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Meinungen

henno@cliff · 01.02.2010

bravo! wollte ebenso ausholen wie du. las deine kritik und kann dieser eins zu eins zustimmen. so spare ich worte und zeit.

Anita K. · 30.01.2010

Es war ein erstaunlich gut ausbalancierter Film. Viele Filme übertreiben es immer so mit der Action, das wenn mal eine ruhigere Szene kommt, es sich fehl am Platz fühl. Dann hätte wir noch die varianten wo man verzeifelt versucht Action und Spannung reinzuquetschen oder die mit den ganz klaren abschnitten wo man schon im Kopf einteil kann :jetzt liebesszene, jetzt etwas action, liebesszene, spannung, sterbesszene, oh überraschung wieder liebesszene.

Der Film lief eher fließend ab, so das man sich ohne Probleme darauf einlassen kann ohne gleich zu denken: oh jetzt müssten die sich gleich küssen oder jetzt entkommt er bestimmt gleich. Dialoge waren von intelligent bis humorvoll alle dabei. Den Charakteren hat man Platz gelassen zu sein und Gestiken zu besitzen und die Kraft von Bildelementen hat man voll ausgenutzt. Alles im allen ein recht zufriedenstellender Film bei dem man nicht ständig das Gefühl hatte in der Luft hängen gelassen zu werden oder das jemand zu kurz gekommen wäre.

hans l. · 30.01.2010

Insgesammt war das ein sehr langweiliger Film... Ende vorhersehbar, Geschichte viel zu überzogen, teilweise lächerliches pseudowissenschaftliches Geschwafel, unnötige Liebesgeschichte usw.
Fazit: Wer nicht auf stumpfe niveaulose Aktionfilme steht ist hier fehl am platz.

cliff · 29.01.2010

Echt, ich kann dieses Gerede über den "wahren Holmes" nicht verstehen. Seien wir ehrlich! Wir habens hier nicht mit Proust oder Dostoewski zu tun; die Sherlock-Holmes-Geschichten waren ihrerzeit auch "nur" Populärliteratur und sollten in erster Linie Spass machen. Gegen moderne Kino-Tricks, um Detektivmethoden auf die Leinwand zu bringen, hätte A. C. Doyle sicherlich nichts gehabt. In den Büchern folgt die Aufklärung genau dem gleichen Muster. Vielleicht hätte es den Kritikern besser gepasst, wenn Holmes sein typisches Schlußmonolog (im Film gabs gleich 2) mit Watson im Salon bei einer Tasse Tee gehalten hätte, während im Hintergrund Mahler's Neunte auf der Viktrola läuft. Gähn, schnarch. Warum aber nicht Rückblenden und die Tower Bridge? Doyle's Geschichten strotzen auch nicht gerade vor Zurückhaltung und realistischer Strenge. Das Klischee von dem propren, teetrinkenden, und naja, nicht grad sehr männlichen English Gentleman ist doch auch eine Erfindung Hollywoods. Wer England auch nur von weitem kennt, kann nur drüber lachen. Dagegen kämpft Guy Ritchie schon immer an, und als Londoner hat er vielleicht ein Recht dazu.
(Karsten, übrigens, hier spricht ein American bullshitter: Wer über die Kultur- und Niveaulosigkeit der Yankees schimpft, sollte vielleicht die eigene Sprache beherrschen. Wer sich als Schöngeist ausgibt, sollte etwas weniger fluchen. Wer sich als Freund feiner englischer Kultur sieht, sollte immerhin wissen, dass Guy Ritchie kein Ami ist. Und wer einen Film verreisst, sollte ihn vielleicht gesehen haben! Elementary, my dear Watson.)
Ich jedenfalls fand den Film sehr lustig und nicht nur für Banausen.

iris · 29.01.2010

sehr unterhaltsamer film!!!!!!!!!!!!!!

alice · 29.01.2010

Ich freu mich schon total auf den Film!!!! Guy Ritchie führt Regie da kann nichts schief gehen!

franzien · 29.01.2010

Ein Film der Spaß macht. Ich habe mich königlich amüsiert. Man merkt den Spaß, den alle Beteiligten am Set hatten. Zudem sind die Darstellungen gar nicht so weit von den Originalen entfernt wie in der Kritik angemerkt wird. Kleiner Tipp: Bildet Eucht selbst ein Urteil!

franz · 28.01.2010

dieser film, obwohl eine enorme skepsis mich ins kino begleitete, macht tatsächlich große laune. tempo, rasante kamera und (eigentlich ödet er mich sonst an:)hans zimmers soundtrack genial. lieber karsten: die produktion ist zwar amerikanisch, die regie allerdings britisch und das macht den film innovativer als du denkst. fakt. sehr empfehlenswert.

Verena · 27.01.2010

Der Film war großartig. Extrem eng an der Buchvorlage orientiert - damit leider auch genauso unlogisch und unrealistisch wie Doyles Geschichten. Die Charaktere sind ganz genau aus dem Buch übernommen. Robert Downey jr (mit fettigen Haaren) spielt Holmes so gut, daß es gar nix macht, daß er nicht wie Holmes aussieht.
Dazu noch ein toller Soundtrack und tolle Bilder. Anachronismen sind auch nur ganz wenige drin.

Wer diesen Film nicht gut findet, der hat das Original-Buch noch nie gelesen. Und sollte es dann wohl auch nicht tun, es würde ihm nicht gefallen.

Karsten · 22.01.2010

Ich möcht diese amerikanische Scheisse nicht sehen. Bigger, better? faster and more, Amerikan Bullshit !!! Von Primaten, für Primaten ! Für mich ist SH aus England , konservativ und keine commerziell amerikanische Scheisse. Ich werd ihn mir nie angucken. Fackt!!!