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Basierend auf Roberto Savianos Roman „Der Clan der Kinder“ erzählt Claudio Giovannesi von dem 15-jährigen Nicola, der zum Boss in seinem Viertel aufsteigen will – und von den unheilvollen Folgen der Verlockung der Kriminalität.

Paranza - Der Clan der Kinder (2019)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die Bande der Kinder

Seit einigen Wochen gibt es immer wieder Meldungen aus Neapel, Rom oder auch Mailand, dass Jugendbanden durch die Städte ziehen, Elf- oder auch Zwölfjährige, die stehlen, mit Drogen dealen, Überfälle begehen. Doch Regisseur Claudio Giovannesi erklärt in einem Regie-Statement, dass es in seinem Film „La paranza dei bambini“ nicht um tatsächliche Ereignisse geht, sondern um die Verbindung zwischen Kriminalität und dem Leben eines Jugendlichen.

Nicola (Francesco Di Napoli) und seine Freunde sind 15 Jahre alt. Sie fahren mit ihren Mopeds durch Neapel, fühlen sich zuhause in ihrem Viertel und legen sich einmal mit einer anderen Gang an. Früher, so sinniert Nicola einmal, war es besser. Als noch ein anderer Clan das Sagen hatte, mussten LadenbesitzerInnen wie seine Mutter kein Schutzgeld bezahlen. Aber auch Nicola und seine Freunde wollen Geld verdienen, also beginnen sie zu dealen. Als sie die Chance wittern, selbst an die Macht zu kommen, zögern sie nicht lange und greifen zu Waffen.

Von Anfang an bleibt die Kamera sehr nah an Nicola und seinen Freunden. Als sie ein Freudenfeuer wegen einer gewonnenen Schlacht gegen ihre Erzfeinde veranstalten, umkreist die Handkamera immer wieder die Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die in Sanità leben. Auf der einen Seite sind sie typische Teenager: Sie verwenden sehr viel Zeit auf ihre Frisur, begutachten sich im Spiegel, träumen von Markenklamotten und wollen in einer Disco angeben. Auf der anderen Seite aber ist die Kriminalität ein völlig selbstverständlicher Teil ihres Lebens. Sie wissen, welche Regeln gelten, und weil er nun einmal nicht Fußball spielen könne, kennt Nicola nur einen Weg zum Geld – und der erscheint ihm verführerisch einfach, zumal in einer Region, in der jeder Zweite zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos ist.

Also ballert Nicola mit seinen Freunden mit automatischen Waffen erst auf dem Dach eines Hauses herum und schießt schließlich auf das Wohnhaus des Mannes, den er vertreiben will. Ohne zu überlegen verkaufen sie Gras, probieren Koks, holen Geld von Prostituierten ab – und abgesehen von zwei älteren Männern wundert sich niemand darüber, dass sie so jung ist.

Es ist auffällig, wie abwesend die Elterngeneration dieser Jungs ist: Nicolas Mutter (Valentina Vannino) schaut einmal ihren Sohn sehr lange an, als sie sieht, wie er ein Bündel Geld aus der Hosentasche zieht. In ihrem Blick liegt das Wissen um seine Taten, um seine Entscheidung. Aber sie sagt nichts dazu, vielmehr räumt sie ihm ein Zimmer leer, damit er seine Ruhe hat. Väter fehlen gänzlich, vermutlich sind sie tot oder im Gefängnis, aber ihre Abwesenheit wird noch nicht einmal thematisiert. Stattdessen haben sie die Illusion, dass das Leben in ihrem Viertel besser wird, wenn sie erst einmal an der Macht sind. Hier klingt die alte, romantische Vorstellung des organisierten Verbrechens durch, die Familie, die sich um die ihren kümmert.

Dank dieser Selbstverständlichkeit auch in der realistischen Inszenierung des Films gelingt es Claudio Giovannesi basierend auf dem Roman Der Clan der Kinder von Roberto Saviano, die Folgen des Aufwachsens in einer Gesellschaft spürbar werden zu lassen, in der Verbrechen ein so fester Teil ist. Sicherlich haben Nicola und seine Freunde dadurch mehr Geld, sie können einmal in einer Disko so richtig aufdrehen und die Korken knallen lassen. Seine erste große Liebe zu Letizia (Viviana Aprea) kann Nicola aber nicht vollends ausleben: Sie wohnt im falschen Viertel, außerdem ist ihrem Vater sehr anzumerken, dass er genau weiß, mit wem sich seine Tochter eingelassen hat. Eine Reise zu einem Festival wird daher immer ein Traum für dieses junge Paar bleiben.

Nach und nach wird Nicola und auch seinen Freunden klar, worauf sie sich tatsächlich eingelassen haben: Dieses Leben ist nicht einfach. Freunde verraten einen. Unschuldige werden getötet. Francesco Di Napolis Gesicht allein macht deutlich, wie hart dieses Leben ist – und dass Nicola spürt, dass für ihn die Jugend schnell vorbeigeht. Aber er ist eben noch ein Teenager, der sich von manchen vermeintlichen Wahrheiten und Traditionen beeinflussen lässt. Und deshalb muss er die Konsequenzen tragen. Ob er jung ist oder nicht.

Paranza - Der Clan der Kinder (2019)

Basierend auf einem Bestseller von Roberto Saviano erzählt der Film von Claudio Giovannesi von einer Gruppe Jugendlicher aus Neapel, die im Auftrag ihres Bosses mit Handfeuerwaffen und AK47-Gewehren durch die Straßen der Stadt ziehen und Angst und Schrecken verbreiten.

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