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In verrätselten Szenen erzählt Angela Schanelec in ihrem neuen Film von der Sprachlosigkeit einer Familie, den Missverständnissen der Kommunikation, von Einsamkeit, Trauer und Isolation.

Ich war zuhause, aber (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Hund, Hase, Esel oder: Das Sein und das Nichts

Eine von Steinen bedeckte Wiese, über die ein Hase hoppelt. Ihm hinterher rast ein Hund, ganz offensichtlich auf der Jagd nach dem vor ihm laufenden Tier. Immer wieder wechselt die Perspektive, Hase — Hund — Hase — Hund. Bis der Hase irgendwann still verharrt und sich offensichtlich der Gefahr nicht mehr bewusst ist, die da hinter ihm lauert. Schnitt. In einem leerstehenden Gebäude macht sich der Hund über den Kadaver des Hasen her. Ein Esel kommt herein, betrachtet die Szenerie, ohne dass das eine Tier das andere stören würde, dann wendet sich der Esel zum Fenster und schaut hinaus.

Dies ist der Auftakt zu Angela Schanelecs neuem Film Ich war zuhause, aber, der mit ziemlicher Sicherheit das Zeug dazu hat, Fatih Akins Der Goldene Handschuh als ambivalentester Film des Wettbewerbs auf den zweiten Rang zu verweisen. Zwischen überschwänglichem Lob und brüsker Ablehnung jedenfalls scheint nicht viel anderes möglich. Immerhin und im Gegensatz zu manch anderem Werk bei der Berlinale ist Ich war zuhause, aber eines mit Sicherheit nicht — ein Film, der sein Publikum indifferent zurücklässt.

Im Grunde erzählt der Film die Geschichte von Astrid (Maren Eggert) und ihrem Sohn Philipp (Jakob Lassalle) sowie ihrer kleineren Tochter Flo (Clara Möller). Der 13-jährige Junge war gerade für eine Woche spurlos verschwunden, nun kehrt er zurück mit verletztem Fuß und ohne darüber Auskunft zu geben, wo er die letzte Zeit verbracht hat. Astrid ist ebenso ratlos wie Philipps Lehrer, der sich mit seinem Kollegen berät, wie mit dem Schulschwänzer umzugehen sei. Und irgendwann soll wieder so etwas wie Normalität einkehren. Doch ist diese überhaupt noch möglich?

Wie häufig bei Angela Schanelec ist das Nichtgezeigte, Nichtgesagte und vielleicht sogar das Unsagbare, Unzeigbare mindestens ebenso wichtig wie das Offensichtliche, das Seh- und Zeigbare. Wesentliche Informationen, die zum Verständnis des Films wichtig sind (oder wichtig sein können), liegen in der Vergangenheit, im Off, im Nichtgezeigten und Nichtgesagten. Das macht es dem Zuschauer nicht gerade einfach, die Konstruktion der Szenen und deren Beziehung untereinander nachzuvollziehen, und riskiert, dass ein nicht geringer Teil des Publikums außen vor bleibt.

Das allerdings ist eine künstlerische Entscheidung, die — wenn nicht Zustimmung, so doch immerhin großen Respekt abverlangt. Ich war zuhause, aber ist widerständiges Kino, spröde, verschlossen, hermetisch. Es ist ein Kino, das nicht gefallen will, nicht verstanden werden will, es ist ein Kino, das sich den Konventionen verschließt und dabei viel, wenn nicht alles riskiert. Und seien wir mal ehrlich: Filmemacher*innen mit diesem Mut waren bislang wenig zu sehen im Berlinale-Palast.

Das alles bedeutet nun freilich nicht, dass mir Ich war zuhause, aber gefallen hätte. Ich fand die Dialoge entsetzlich papieren und und teilweise so teilnahmslos herunter gesprochen, als würden sie von einem Teleprompter abgelesen — und das von Personen, die dabei ihre Lesebrillen vergessen hätte. Die Starrheit (klar, emotionale Erstarrung), das Vakuum der Gefühle (abgesehen von zwei bis drei Ausbrüchen), die Verstocktheit und Kommunikationsunfähigkeit entsprechen nicht meiner Lebens-und Erfahrungswelt, die extreme Künstlichkeit und Sterilität, die ich bei anderen Regisseur*innen schätze, funktioniert bei mir im Falle von Angela Schanelec selten (in einigen Szenen vielleicht) bis nie und geht mir binnen kurzer Zeit entsetzlich auf die Nerven (pardon my french). Die mit Sicherheit tiefen Gedanken, die jedem Bild, jeder Szene zugrundeliegen, erschließen sich mir nicht, die Figuren kommen mir nie nahe (oder ich ihnen nicht, es gehören schließlich immer zwei dazu) — und fast immer mag ich sie nicht einmal besonders.

Am Ende kehrt der Film wieder zu dem Raum zurück, in dem sich der Hund und der Esel gemeinsam befinden. Der Hund liegt am Boden und hechelt, der Esel schaut zum Fenster hinaus. Dann wendet er den Kopf, schaut in die Kamera. Und fast scheint es mir so, als habe er mir zugezwinkert. Oder zumindest gelächelt. Wer weiß?

Ich war zuhause, aber (2019)

Angela Schanelecs neuer Film erzählt von einem 13-jährigen Jungen, der für eine Woche spurlos verschwindet. Was genau ihn dazu gebracht hat, darüber können seine Mutter und die Lehrer nur spekulieren. War es der Tod des Vaters? Das Verhalten des Jungen jedenfalls ist für alle unerklärbar …

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Meinungen

odji · 13.02.2019

Langeweile in ihrer reinsten Form. Der Film ist so überflüssig wie ein Kropf.