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Dekadenter Wohnen im Rheinland: Turbo-Schönheitschirurg Claus (Oliver Masucci) langweilt sich im trauten Luxusheim dermaßen zu Tode, dass er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion kurzerhand eine ungewöhnliche Online-Annonce aufgibt: „Sklave/in gesucht“. Kurz darauf steht Bartos (Samuel Finzi) vor der Tür.

HERRliche Zeiten (2018)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

German Psycho

Agent provocateur heißt eine bekannte britische Dessousmarke, die für ihre opulenten Designs ebenso bekannt ist wie für ihre bewusst provokativ gestalteten Werbekampagnen, für die wiederum regelmäßig die Topstars der Glitzerwelt engagiert werden. Genau diese drei Kriterien gelten auch für Oskar Roehlers bissig-bizarre Filmadaption von Thor Kunkels Skandalroman Subs, der 2011 für großes mediales Aufsehen im hiesigen Literaturbetrieb gesorgt hatte und nun unter dem nicht minder reißerischen Titel „HERRliche Zeiten“ in die deutschen Kinos kommt.

Begleitet von einem verbalen Gezänke zwischen dem inzwischen ausgebooteten Autor rechter Gesinnung, dem alles andere als systemkonformen Regisseur (Suck My Dick, Jud Süss – Film ohne Gewissen, Tod den Hippies –  Es lebe der Punk!) und den offensichtlich überforderten Produzenten, die mittlerweile am liebsten verschweigen würden, dass Kunkel einst an diesem langjährigen Projekt überhaupt beteiligt war. Schließlich ist das derselbe Mann, der im vergangenen Herbst beispielsweise für die AfD im Wahlkampf gearbeitet hatte.

Derart marktschreierisch und grotesk-überzogen geht es dann auch in diesem Filmmonster zu, das bezeichnenderweise auf kein A-Festival der Welt losgelassen wurde. Und mit ihm werden nun sicherlich auch keine herrlichen Zeiten für den deutschen Film anbrechen … Denn alles und wirklich jeder in dieser ungemein grellen Literaturadaption brüllt von vornherein nach Aufmerksamkeit, inklusive reichlicher Effekthascherei in punkto Bildgestaltung (Carl-Friedrich Koschnick), Szenenbild (Ina Timmerberg) und Kostüm (Anne Jendritzko), um nur irgendwie zwischen all den Kinoneustarts der Woche registriert zu werden. 

Dass mit diesem ästhetisch radikalen Ansatz innerhalb der Filmgeschichte durchaus bleibende Meilensteine entstehen können, haben beispielsweise vereinzelte Werke von Fassbinder, Buñuel, Lynch, Argento oder Fellini in der Vergangenheit durchaus bewiesen. Und mit denen will sich Oskar Roehler, das inzwischen reichlich gealterte Enfant terrible des deutschen Autorenkinos, schließlich messen, wie er es selbst schon oft in Interviews erklärt hat. Problematisch ist dabei allein die Tatsache, dass er als Regisseur wie als umstrittener Schriftsteller (Mein Leben als Affenarsch, Selbstverfickung) und kontroverse öffentliche Person in der Zwischenzeit nur noch als künstlerisch-kreativer Krawallmacher wahrgenommen wird: Ohne bleibende Spuren für das (Welt-)Kino. So hatte er beispielsweise zu Beginn des Jahres in der ARTE-Sendung „Durch die Nacht mit …“ sowohl gegen Angela Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik als auch gegen jedes „grüne Multi-Kulti“ in Berlin und um ihn herum gewettert, was ihn prinzipiell sowieso zur persona non grata im deutschen Kulturbetrieb machen sollte. 

Dementsprechend saturiert-selbstverliebt wie autobiografisch gefärbt ist auch seine Hauptfigur Claus in HERRliche Zeiten angelegt. Dabei sucht der zentrale Dr. Müller-Todt (Oliver Masucci) mit ein paar Rotweingläsern intus gleich zu Beginn von Roehlers neuem Film nicht einfach nur nach einer neuen Haushälterin für das protzige Anwesen, sondern – noch ist es Spaß, bald blutiger Ernst – nach einem „Sklaven“ bzw. einer „Sklavin“. 

Wenige Stunden später steht die tablettensüchtige Hausherrin Evi (Katja Riemann), schöngeistige Gartenbauarchitektin im Beruf, kurzerhand vor einer Reihe „ernsthafter BewerberInnen“ in obskuren Lack- und Ledermonturen. Angeführt von einer wunderbar mundfaulen Domina (Katy Karrenbauer). Doch die eigentliche Wahl des selbstsüchtigen Herrenmenschen-Ehemanns, dem Oliver Masucci einen Goebbelschen Singsang in der rheinisch gefärbten Stimme verleiht, fällt dann wenig später auf den ausgesprochen höflich-distinguierten Bartos. Samuel Finzi verkörpert ihn im ersten Teil der rasant beginnenden Roehlerschen Farce ausgesprochen lustvoll und mit sichtlicher Chuzpe im Spiel. 

Zugleich stellt sich in dieser höchst seltsamen „Wir-sind-oben-und-du-bist-unten“-Personenkonstellation von vorherein die Frage: Wo ist da der Haken? Und warum erniedrigt sich ein dermaßen kultiviert wirkender Fremdling mit besten Manieren so urplötzlich vor einem ausgesprochen affektierten deutschen Ehepaar, das neureichen Parvenüs gleicht, die in erster Linie um sich und ihre eigenen Befindlichkeiten kreisen? So charmant-penetrant wie Samuel Finzi seine Rolle angelegt hat, bleibt es selbstverständlich nicht allzu lange, wenn der Regisseur Oskar Roehler heißt. 

Nach einem ebenso törichten wie tödlichen Poolbau-Projekt im Gartenreich der Müller-Todts, inklusive osteuropäischer Tagelöhner in Schwarzarbeit, einer exaltierten Hausparty im Stile „spätrömischer Dekadenz“ – und das ist wörtlich zu nehmen – sowie einer zunehmend engeren Bekanntschaft mit dem ortsansässigen Diktatorensohn Mohammed Al Thani (Yasin El Harrouk) verliert sich Roehlers neuester Versuch, der wahre Agent Provocateur des deutschen Films zu sein, recht schnell in allerhand Sexismus, Xenophobie und ungenießbarem Fäkalhumor. „Schwule“ oder „Schwuchteln“ sind dabei noch die harmlosesten Vokabeln in Jan Bergers wenig fintenreichen Drehbuch. 

Wie schon zweitweise bei Elementarteilchen, erst recht bei Jud Süss – Film ohne Gewissen oder zuletzt bei seinem desaströsen Film Tod den Hippies –  Es lebe der Punk will Oskar Roehler auch in HERRliche Zeiten unentwegt eines: Provozieren, um der Provokation willen. Und so werden in dieser politisch völlig inkorrekten Farce, die als Ensemblefilm durchaus über gute Einzelszenen verfügt, nacheinander sämtliche Plotbausteine satirisch komplett überzeichnet und jede wirre Figurenkonstellation lustvoll über Bord geworfen. Nur trägt dieser permanente Einsatz von Vulgaritäten und Ferkeleien eben nicht gerade dazu bei, dass Roehlers Film zu einer ernsthaften Generalabrechnung mit dem Staat wird, in dem er selbst bürgerlich-saturiert lebt. Und so bleibt es am Ende dabei, dass Oskar Roehler, dieser sich selbst so gerne als „master of bad taste“ inszenierende Ausnahmeregisseur, im Grunde seit Der alte Affe Angst (2003) und Agnes und seine Brüder (2004) keinen wirklich guten Film mehr gedreht hat.

HERRliche Zeiten (2018)

„Subs“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thor Kunkel aus dem Jahr 2011. Darin suchen Evi und Claus Müller-Todt eine neue Haushälterin für ihre große Villa, denn neben ihrem geschäftigen Leben als Landschaftsarchitektin und Schönheitschirurg fehlt einfach die Zeit für das Instandhalten des großen Anwesens. Im Scherz schreibt Claus in der Ausschreibung, sie würden „Sklaven“ suchen, doch die Resonanz ist unerwartet groß und schon bald haben sich die perfekten Untertanen gefunden.

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Meinungen

Willi · 23.02.2019

Ein sehr schlechter Film.