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Eine romantische Komödie mit märchenhaften Zügen – und zugleich ein wichtiger filmgeschichtlicher Schritt. Jon M. Chus Romanadaption ist in mehr als einer Hinsicht beachtlich.

Crazy Rich (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Girl Meets Boy’s Family

Eine filmische Romanze, die auf einer Bestseller-Trilogie basiert und die Luxus-Welt der männlichen Hauptfigur einfängt? Das klingt erschreckend nach der „Fifty Shades of Grey“-Reihe und weckt vor allem grausige Erinnerungen an Teil 3, welcher „Befreite Lust“ zu zeigen versprach, dann aber mit vulgärer Konsum-Pornografie ohne einen Funken Emotion oder Reflexionen aufwartete. Erfreulicherweise ist „Crazy Rich“ trotz vergleichbarer Prämisse völlig anders.

Der Film von Jon M. Chu ist eine Adaption des 2013 veröffentlichten Romans Crazy Rich Asians von Kevin Kwan, in welchem dieser Erlebnisse seiner Kindheit in Singapur einfließen ließ. Der Mix aus Liebe, Witz und einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Herkunft, Tradition und Klassismus war derart erfolgreich, dass 2015 und 2017 weitere Bände folgten. Der Kino-Bearbeitung wäre eine ähnlich positive Aufnahme zu wünschen – zumal es sich hierbei nicht nur um ein versiert gemachtes, gut gespieltes und mit Bedacht erzähltes Werk handelt, sondern auch um einen filmhistorisch bedeutenden Beitrag: Crazy Rich ist die erste US-Studioproduktion seit Wayne Wangs Töchter des Himmels aus dem Jahre 1993, in der eine zeitgenössische Geschichte mit einem All-Asian-Cast geschildert wird.

Im Zentrum des Plots steht die New Yorker Wirtschaftsprofessorin Rachel Chu (Constance Wu), deren alleinerziehende Mutter (Tan Kheng Hua) einst mit ihr von China in die USA emigrierte. Seit 2 Jahren ist sie mit dem charismatischen Nick Young (Henry Golding) liiert – und nun soll sie ihn zur Hochzeit seines besten Freundes Colin (Chris Pang) in Singapur begleiten und dabei seine (Groß-)Familie kennenlernen. Bereits auf dem Flug, den die beiden zu Rachels Überraschung im Erste-Klasse-Bereich erleben, muss Rachel erkennen, dass Nick aus wohlhabenderen Kreisen stammt, als ihr bisher bewusst war. Von ihrer Studienfreundin Peik Lin Goh (Awkwafina) erfährt sie, dass die Hochzeit als Jahrhundert-Event gilt und dass die Youngs überdies zu den einflussreichsten Dynastien des Kontinents zählen. Nicks verwitwete Mutter Eleanor (Michelle Yeoh) lässt Rachel alsbald spüren, dass sie durch ihr Aufwachsen in den Vereinigten Staaten sowie den Working-Class-Hintergrund ihrer Mutter keine „von ihnen“ und deshalb nicht die Richtige für Nick ist.

Man kann Crazy Rich durchaus als modernes Märchen bezeichnen. Die rundherum liebenswürdige und doch kämpferische Rachel trägt Züge von Aschenputtel, Nick ist ein typischer Prince Charming – und Eleanor lässt sich als böse Hexe interpretieren, die das Glück des Paares zu zerstören droht. Auch Rachels schrill daherkommende beste Freundin und das schwule, betont flamboyant auftretende Familienmitglied Oliver (Nico Santos) fügen sich als Sidekicks, die die Heldin unter anderem mit einer Umstyling-Aktion unterstützen, perfekt in dieses Narrativ. Obendrein gibt es Soap-Elemente wie fiese Intrigen von Ex-Geliebten oder aufgedeckte Affären. Jon M. Chu – der zuvor etwa das Tanzspektakel Step Up to the Streets (2008) oder das Action-Abenteuer Die Unfassbaren 2 (2016) in Szene gesetzt hat – verpackt diese Geschichte in elegante, oft temporeich montierte Bilder.

Gewiss kommt hier eine hochglänzende Feier von eindrücklicher Architektur, schicker Ausstattung, teurer Mode und noch teurerem Schmuck sowie delikatem Essen zum Ausdruck. Anders als Fifty Shades of Grey hat Crazy Rich allerdings eine Haltung zu diesen Dingen beziehungsweise lässt uns spüren, dass diese Dinge nicht einfach nur wilde, gänzlich unbedarft-alberne Fantasien von Reichtum sind, sondern zum Hintergrund der Young-Familie gehören und diese in allem prägen. Während man bei Fifty Shades of Grey nicht eine Sekunde lang glaubt, dass die Figuren jemals einen Finger gerührt haben, um ihren wohlsituierten Zustand zu erreichen, oder auch nur irgendwann einmal über ihre privilegierte Situation nachgedacht haben, ist zum Beispiel Nicks Mutter ein erstaunlich vielschichtiger Charakter, fernab von klaren Gut-Böse-Einteilungen. Diese Frau hat ein Leben hinter sich, das Stoff für mehr als 3 Melodramen böte – und Michelle Yeoh gelingt es, dies zu vermitteln, ohne Eleanors Wunden der Vergangenheit in aller Ausführlichkeit preiszugeben.

Wir wissen natürlich, dass Crazy Rich uns ein Happy End servieren wird. Die Umwege sind jedoch glaubwürdig, die Konflikte differenziert und der Balanceakt zwischen Humor, Herzschmerz und präzisen kulturellen Einblicken zeugt von Könnerschaft. Dass man Rachels Weg trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit stets folgt, ist neben der sympathischen Constance Wu (Fresh Off the Boat) in der Hauptrolle nicht zuletzt Chus Talent für Blickdramaturgie geschuldet: Wie Menschen hier einander ansehen, wie sie einander beobachten, wie sie Dinge betrachten und darauf reagieren – das ist schlicht und einfach klassisches, schönes Kino.

Crazy Rich (2018)

Rachel Chu ist eine asiatisch-amerikanische Wirtschaftsprofessorin, die gemeinsam mit ihrem Freund Nick zurück in dessen Heimatsort in Singapur, zur Hochzeit seines besten Freundes reist. Dort dauert es nicht lange, bis das große Geheimnis an die Luft kommt: Nick stammt aus einer unglaublich reichen Familie, was ihn zum womöglich begehrtesten Junggesellen Asiens macht. Kein Wunder also, dass vor allem die Frauen seiner sozialen Klasse wahnsinnig eifersüchtig auf Rachel sind und sie fertig machen wollen.

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