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Neil Marshall zerrt Guillermo del Toros „Hellboy“-Comicverfilmungen der 2000er Jahre auf britisches Festland. Kann das gelingen?

Hellboy - Call of Darkness (2019)

Eine Filmkritik von Daniel Moersener

The Devil’s Playground

Ein von den Nazis als letzter Joker im Zweiten Weltkrieg beschworener Teufel verschreibt sich dem Kampf gegen das Böse, denn mittelalterliche Flüche bedrohen das moderne Großbritannien. Hellboy nennt sich der neuste Streich von Neil Marshall, der mit seinen Filmen immer wieder zwischen den Genres und Epochen springt: Hochtechnologisierte Kletterer etwa ringen in The Descent — Abgrund des Grauens wie archaische Urmenschen ums Überleben und müssen sich dessen erwehren, was in der Finsternis dunkler Höhlen lauert. Futuristische Freibeuter liefern sich in Doomsday — Tag der Rache in einem verwüsteten England der Zukunft Stammeskriege mit tribalistischen Aussteigern. Sieben römische Rächer kämpfen sich in Centurion wie Cowboys durch die schottischen Highlands.

Auch in Hellboy gibt es diese historischen Rekombinationen. Die erste Einstellung setzt im Mittelalter an, die Pest grassiert. Das London der Gegenwart wird später ebenfalls für kurze Zeit von der Seuche heimgesucht und man fragt sich, womit der Film als nächstes aufwarten wird: ob er Marshall-typisch noch einmal kippt, eine andere Richtung einschlägt, sich wie sein partieller Epidemie-Thriller Doomsday (2008) plötzlich entscheidet doch lieber Mad-Max-Hommage sein zu wollen. Zuzutrauen wäre es dem Regisseur, aber dann ist schon alles vorbei.

Man reibt sich etwas verwundert die hörnerlose Stirn und Schläfen, während der Abspann läuft und ist letztlich doch der Gehörnte: Hellboy ist ein Film, dem man wie dem titelgebenden Protagonisten die Hörner gestutzt hat. Gelegenheit sie sich abzustoßen, bietet der Film keine, auch wenn er in alle Richtungen mit dem Pferdefuß ausschlägt. Für Marshall üblich ist der Film voller spritzender Blutfontänen, die hier aber ausschließlich als CGI daherkommen. Einerseits ist der Film klar konzipiert für ein erwachsenes Publikum, voll psychologischer Gewichtigkeit in seiner Disposition eines Antihelden. Und andererseits doch ein Erziehungskonflikt zwischen einem Mittdreißiger, der eben immer noch boy ist, und seinem Vater.

Was also will uns Neil Marshall mit seinem Film vermitteln? Wollte man in Marshalls Filmen ein wiederkehrendes Kernthema ausfindig machen, so wären das am ehesten ein vielgestaltiger Gründungsmythos des Vereinten Königreiches und das Ausloten einer spezifischen, mitunter grotesken britishness, durchaus verwandt mit den allerdings weitaus virtuoseren Danny Boyle, (und als Commonwealth-Kollegen) George Miller und Peter Jackson. In Hellboy sprießen die Mythen des britischen Alltags nur so aus den Bildern hervor, es finden sich Feen, Trolle, Verweise auf Alice im Wunderland, Harry Potter und zu guter Letzt auch noch die Artus-Sage. Dazwischen wandert der Film von Tolkiens so oft beschriebenen grünen englischen Hügeln zu den Londoner Council Estates, mengt durch eine Prise Voodoo-Zauber noch einen Anklang britischer Kolonialvergangenheit bei und ja, natürlich finden bei Hellboy als Nazikreatur, die sich gegen ihre Schöpfer wendet, auch noch der große Winston Churchill und sein erfolgreicher Widerstand gegen die nationalsozialistische Eroberung Europas ihre Erwähnung. Irgendwann steht dann die Pest vor der Tür, London beginnt bereits zu fallen und wie die Agentur zur Beseitigung paranormaler Bedrohungen konstatiert, ist der Rest der Welt genau so in Gefahr.

Wer jetzt daraus einen Kommentar auf die Lage Europas und britische Brexitpläne zusammenzimmern möchte, wird sicher fündig werden. An Zeichen, Spuren und Zitaten lässt es Marshall jedenfalls nicht mangeln. Trotzdem mäandern diese seltsam lose nebenher und bieten ein reichhaltiges ideologisches Buffet für alle Geschmäcker. Eine scheinbare Rückbesinnung auf angelsächsische Traditionen beschwört der Film ebenso wie ein betuliches Plädoyer für Toleranz gegenüber dem Andersartigen, sprich all den fantastischen Kreaturen wie Hellboy, die da vom Normalmenschen mit Häme und Spott bedacht werden.

Diese Beliebigkeit, oder nenne man es wohlwollender ausgedrückt, diese Verworren- und Verschränktheit der Weltanschauungen und Schöpfungserzählungen im Film, muss man ihm aber nicht zwangsläufig zum Vorwurf machen. Vielmehr gibt sie exemplarischen Aufschluss über den Stand des Unterhaltungskinos zu Beginn der 2020er Jahre: Marshalls Hellboy ist wie seine Titelfigur eine aus dem siebten Kreis der Hölle ausgespieene Konstruktion, die sich nicht entscheiden kann, ob sie der guten oder der schlechten Sache, der Solidarität oder der blinden Zerstörungslust, der künstlerischen Autonomie oder dem Diktat von kreativen wie studio-ökonomischen Übervätern dienen soll. Der Film probiert sich ein wenig an allem und enttäuscht am Ende dadurch. Wie bei jedem in den letzten Jahren als Reboot oder Remake wiederaufgewärmten Kinohit alter Tage stellt sich die Frage, ob das nun wirklich notwendig war. Hier zerrt Neil Marshall also Guillermo del Toros verschrobene Hellboy-Filme der 2000er Jahre auf britisches Festland und ist  gezwungen zu Beginn des Films mit einer kurzen Episode in Tijuana den mexikanischen Regisseur der ersten Filme sowohl zu ehren als auch zu beseitigen. Dann wird alles auf Null zurückgestellt und unter Zugabe von zerteilten Menschenleibern und gezwungen coolen aber leider nicht scharfzüngigen Dialogen im Fegefeuer von Hellboys Vaterkonflikt halbgar köcheln gelassen. Milla Jovovich, die als böse Übermutter dem teuflischen Helden das Heilsversprechen eines unbeschwerten Lebens in Andersartigkeit macht, muss sich schließlich dem Votum des guten Übervaters beugen, dessen Ratschläge an den Sohn weitaus direkter sind: „Sei ein Mann und hör auf zu heulen! [sic]“. Hellboy derweil hat erkannt was die Crux an der Hexe Jovovich ist, sie ist nämlich „fucking nuts! [sic]“. Neil Marshall täte vielleicht gut daran, bei einem kleinen, derben Film mit geringerem Budget seinen eigenen frei flottierenden Irrsinn in packendere Formen fließen zu lassen. Hellboy verspricht die Hölle auf Erden, lässt aber weitestgehend kalt.

Hellboy - Call of Darkness (2019)

Basierend auf den Dark-Horse-Comics von Mike Mignola und der filmischen Umsetzung von Guillermo del Toro aus dem Jahre 2004 erzählt „Hellboy“ von einem Dämon mit übernatürlichen wie menschlichen Eigenschaften, der in den Kampf zwischen Gut und Böse hineingezogen wird. 

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Meinungen

martin · 21.04.2019

Krude Story, hölzerne Dialoge, schwache Gags, dunkle Szenerie in der man kaum etwas erkennen kann. Hier wurde irgendwie alles durch den Wolf gedreht. Wer denkt sie ist nur so einen Schwachsinn aus? Kein Vergleich mit den ersten Teilen. Für mich ein Film zum vergessen.