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Regisseur Neill Blomkamp steht in seiner Verfilmung des Lebens von Rennfahrer Yann Mardenborough zwar ständig auf dem Gas, biegt aber einige Male falsch ab. Dass er dann auch noch die Handlung frisiert, macht die Sache nicht besser.

Gran Turismo (2023)

Eine Filmkritik von Nikolas Wolff

Zu viele Norm-Bauteile

Eine Klarstellung gleich zu Beginn: Nein, bei „Gran Turismo“ handelt es sich nicht um eine Videospielverfilmung, da die Rennsimulation überhaupt keine Handlung aufweist. Vielmehr erzählt Regisseur Neill Blomkamp hier die Geschichte des jungen Walisers Yann Mardenborough, der das Spiel derart gut beherrschte, dass er von Nissan in die GT Academy eingeladen wurde, um sein Können einmal in einem echten Rennwagen zu testen statt nur in einem virtuellen. Aus diesem Academy-Besuch wurde schließlich eine Karriere als professioneller Rennfahrer. Ein von einem Videospiel inspiriertes Biopic trifft die Sache also weitaus besser.

Dennoch lässt Blomkamp nichts unversucht, um die Rennsimulation immer wieder in den Film einzubinden. Mal blendet er – wie das Spiel – die Ideallinie auf der Rennstrecke ein, die Yann in seinem Kopf sieht. Mal zerlegt sich virtuell das Auto auf der Rennstrecke in tausend Einzelteile, und die Kamera zoomt auf die Bauteile, die in den kommenden Sekunden eine wichtige Rolle spielen. Das ist ehrenwert, bringt den Film aber nicht wirklich weiter. Dass Yann durch sein jahrelanges Training von Gran Turismo so gut wurde, glaubt das Publikum auch so.

Problematischer als die kurzen Ausflüge ins Spiel ist das generische Skript von Jason Dean Hall und Zach Baylin, die immerhin Werke wie King Richard und American Sniper schrieben. Hier lassen die beiden kein Klischee aus, um den Rennzirkus als schillernde Parallelwelt zu schildern, in der der junge Yann die typischen aus Sportdramen bekannten Ereignisse über sich ergehen lassen muss. Wie auf einer Checkliste in der Boxengasse scheinen die Autoren eine stereotype Szene nach der anderen abzuhaken, was Gran Turismo bei aller Dynamik, die Blomkamp und sein Kameramann Jacques Jouffret auf die Leinwand bringen, zu einer sehr vorhersehbaren Angelegenheit macht. Der Konflikt mit dem Vater, der abweisende Coach, die neidischen Mitbewerber, fehlende Rückendeckung vom eigenen Manager – Dinge, die man in jedem zweiten Film über einen erfolgreichen Sportler oder ein Team zu sehen bekommt. 

Den vielleicht größten Bock schießen sie aber, indem sie einen Unfall, den Mardenborough erst viele Jahre später hatte, in den Beginn seiner Karriere verlegen, um ihn als Schlüsselmoment für den gesamten Film zu nutzen. Nun ist es bei Biopics nicht ungewöhnlich, Inhalte dramaturgisch anzupassen, sodass sie mehr Wirkung entfalten, so wie Bohemian Rhapsody beispielswese Queen-Songs um Jahre jünger oder älter machte, als sie tatsächlich waren. Aber eine derart starke Verfälschung von Tatsachen wie Gran Turismo hat sich ein Biopic schon länger nicht mehr geleistet.

Dass der Film dennoch Unterhaltungswert bietet, liegt an anderen Faktoren. So überzeugt der junge Archie Madekwe als zorniger junger Mann in der Hauptrolle von der ersten Szene an. Orlando Bloom spielt den Manager, der sich mehr als einmal zwischen schnellem Erfolg und Bauchgefühl entscheiden muss, ebenfalls mit viel Herz. Star des Films ist aber Stranger-Things-Star David Harbour, der als grummeliger Ex-Rennfahrer Jack Salter nicht nur die meisten Lacher auf seiner Seite hat, sondern seiner Figur auch am meisten Tiefe verleihen kann. In Harbours Blick erzählt Blomkamp Geschichten, die das Publikum erreichen und berühren, auch wenn der Südafrikaner in vielen Momenten klassisch überinszeniert, damit auch der Letzte merkt, welche Emotion nun gerade übermittelt werden soll. Bei Harbour braucht er das nicht zu tun – es sind Oasen der Ruhe in einem hektischen Film.

Immerhin gestaltet Blomkamp die Rennszenen sehr dynamisch und mitreißend, auch wenn zum Branchenprimus Le Mans 66 von James Mangold noch ein paar PS fehlen. Aber mit gefälligen Schnitten, interessanten Kameraperspektiven und einer ordentlichen Menge Pathos im Tank setzt Blomkamp regelmäßig Adrenalin im Zuschauerraum frei und erweist der Inspiration Gran Turismo seine Ehrerbietung.

So bleiben letztlich gemischte Gefühle. Gute Schauspieler spielen wacker gegen ein von Klischees und Stereotypen durchdrungenes Drehbuch an, das Blomkamp wenigstens in dynamische Bilder kleidet. Fans von Autorennen dürften daher deutlich mehr auf ihre Kosten kommen als Freunde origineller Geschichten.

Gran Turismo (2023)

„Gran Turismo“ basiert auf der unglaublichen aber wahren Geschichte eines Teams von Underdogs, die eigentlich keine Chance auf Erfolg hatten: ein Gamer aus der Arbeiterklasse; ein gescheiterter ehemaliger Rennfahrer; und ein idealistischer Motorsport Manager. Gemeinsam riskieren sie alles, um in der elitärsten Sportart der Welt anzutreten. „Gran Turismo“ erzählt eine inspirierende und spannungsgeladene Story voller Action, die beweist, dass nichts unmöglich ist, wenn man sich mit seiner ganzen Willenskraft dafür einsetzt.

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