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Mike Newells Romanadaption widmet sich dem Gemeinschaftsgefühl, das Literatur auszulösen vermag: Rezitieren, diskutieren – und sich dadurch weniger einsam fühlen.

Deine Juliet (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Literatur und Liebe

Literatur kann Menschen zusammenbringen. Sie kann Begeisterung schaffen. Und manchmal kann sie sogar Leben retten. Mit diesem raren letzten Fall beginnt das historische Liebesdrama „Deine Juliet“, ehe es im weiteren Verlauf das Gemeinschaftsstiftende des geschriebenen Wortes zeigt.

Als Elizabeth McKenna (Jessica Brown Findlay), Dawsey Adams (Michiel Huisman), Eben Ramsey (Tom Courtenay) und Isola Pribby (Katherine Parkinson) im Jahre 1941 auf der nationalsozialistisch besetzten britischen Kanalinsel Guernsey nach der strikten Ausgangssperre unterwegs sind, werden sie von bewaffneten deutschen Soldaten gestoppt. Um einer Verhaftung zu entgehen, erfindet Elizabeth kurzerhand die Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society – einen sich wöchentlich treffenden Buchclub, der den späten Nachhauseweg erklären soll. Elizabeths Plan funktioniert; fortan muss sich das Quartett jedoch – noch gemeinsam mit Amelia Maugery (Penelope Wilton), deren Haus die Gruppe an jenem Abend aufgesucht hatte, um verbotenerweise einen Schweinebraten zu essen – tatsächlich regelmäßig treffen, um die Notlüge aufrechtzuerhalten. Dabei entwickelt sich die große literarische Leidenschaft – im enthusiastischen Rezitieren, in der hitzigen Debatte und schlicht im Zusammensein in einer Zeit des Krieges, des Hungerns und der Demütigung.

So bleibt der Club auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges bestehen. Als Dawsey im Jahre 1946 einen Brief an die Londoner Schriftstellerin Juliet Ashton (Lily James) schreibt, kommt es zu einem Schriftverkehr, der die junge Frau bald dazu verleitet, nach Guernsey zu reisen, um einen Artikel über den Club zu verfassen – wiewohl ihr Verleger Sidney Stark (Matthew Goode) sie gerade auf Lesereise schicken wollte. Auf der Insel wird Juliet von den Club-Mitgliedern herzlich aufgenommen; von der Gründerin Elizabeth fehlt allerdings jede Spur. Ihre Abwesenheit ist auch der Grund, weshalb insbesondere Amelia gegen Juliets Vorhaben eines Porträts über die Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society ist. Juliet beschließt, länger zu bleiben; allmählich erfährt sie, was in den vergangenen Jahren geschehen ist. Zudem entwickelt sie Gefühle für den Farmer Dawsey – ist jedoch bereits mit dem US-Soldaten Markham Reynolds (Glen Powell) verlobt.

Deine Juliet beruht auf dem gleichnamigen Briefroman von Mary Ann Shaffer, welcher 2008, wenige Monate nach dem Tod der Autorin, veröffentlicht wurde. Shaffers Nichte Annie Barrows hatte die Überarbeitung des Manuskripts im Jahre 2006 übernommen, als Shaffer schwer erkrankte. Der Brite Mike Newell – welcher schon so unterschiedliche Filme wie Vier Hochzeiten und ein Todesfall (1994), Donnie Brasco (1997) oder Harry Potter und der Feuerkelch (2005) in Szene gesetzt hat – bringt die Geschichte auf Basis eines Drehbuchs von Don Roos, Kevin Hood und Thomas Bezucha stilvoll auf die Leinwand. Man könnte dem Ergebnis vorwerfen, dass es beinahe zu routiniert geraten ist: Produktions- und Kostümdesign sind exquisit, die Schauspielführung ist einwandfrei und der Plot wird stimmig erzählt, sodass kein script doctor irgendwelche dramaturgischen Gebrechen diagnostizieren dürfte. Auch die Kameraarbeit von Zac Nicholson ist mustergültig; die Landschaftsaufnahmen animieren dazu, direkt eine Reise nach Guernsey und in die Umgebung zu buchen.

Was dadurch fehlt, sind die Ecken und Kanten im Handlungsverlauf sowie in der Figurenzeichnung und eine gewisse Rauheit in den Bildern, die aus dem Schauplatz mehr als eine einnehmende Kulisse machen. Dass Deine Juliet dennoch nicht nur ein sympathisches, aber glatt-vergessenswertes Durchschnittswerk ist, ist vor allem der Interaktion des Personals sowie den Interpretationen des Ensembles zu verdanken. Wenn der Buchclub zusammentrifft, wird das Diskutieren der Gruppe angenehm chaotisch und belebt gezeigt. Hier wird deutlich, dass ein gemeinsames Nachdenken über Literatur anregend sein kann. Es kann den Krieg nicht vergessen machen, kann die Wunden der Besatzungszeit nicht heilen, doch es vermag ein Gemeinschaftsgefühl zu geben. Diese Passagen zählen zu den stärksten des Films.

Darüber hinaus hat die Darstellung diverser zwischenmenschlicher Beziehungen ihren Reiz: Die aufkeimende Frauenfreundschaft zwischen Juliet und der exzentrischen Isola erzeugt ebenso schöne Momente wie die platonische Liebe zwischen Juliet und dem sehr, sehr britischen Verleger Sidney. Dem Dreieckskonflikt zwischen Juliet, Dawsey und Markham mangelt es indes an Spannung, da das Skript und die Inszenierung auf Ambivalenzen verzichten und ganz klar den einen als den richtigen und den anderen als den falschen Mann für die Heldin präsentieren. Die Chemie zwischen Lily James und Michiel Huisman – die intensiven Blicke, mal direkt, mal verstohlen von der Seite – kann dabei aber einiges wettmachen.

Deine Juliet (2018)

Schriftstellerin Juliet formt eine unerwartete Beziehung zu den Bewohnern der Insel Guernsey, welche ihr von den persönlichen Erlebnissen während der Besatzung durch die Nazis berichten. Mit einer Idee für ein Buch im Kopf reist die junge Autorin schließlich auf die Insel und entdeckt nicht nur neue Freunde sondern auch sich selbst auf dem Weg. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Mary Ann Shaffer und Annie Barrows.

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Meinungen

Brigitte · 06.02.2024

Einem wunderbaren Buch - ein Film, der ihm nicht das Wasser reichen kann. Ich bin wirklich sehr enttäuscht.

Martin Zopick · 10.12.2023

Ein ungewöhnlich langer Titel, der fast zum Zungenbrecher gerät, für einen niveauvollen Plot. Auf der Kanalinsel Guernsey besteht ein Kreis von literarisch interessierten Insulanern, die sich regelmäßig treffen. Und das während des zweiten Weltkrieges, als die Insel von der deutschen Wehrmacht besetzt war. So musste man es heimlich tun. Vor allem, weil es immer etwas zu essen und zu trinken gab und Nahrungsmittel waren streng rationiert, wie man dem Titel entnehmen kann (Kartoffelschalenauflauf! Nur Reste und Abfälle!).
Die Journalistin Juliet (Lily James) reist nach dem Krieg nach Guernsey, um über den sonderbaren Club (Titel!) zu berichten. Jetzt teilt sich die Handlung in drei Richtungen, die Regisseur Mike Newell gut portioniert hat: es geht zunächst um Literatur (1). Hier sei nur das Buch des Ehepaares Charles und Mary Lamb erwähnt, das die Dramen von Shakespeare für Kinder nacherzählt hat. Ein echter Klassiker, den es wirklich gibt. Immer wieder eingeblendet historische Dokumentationen über die bösen Nazi-Besatzer sowie die Résistance gegen sie (2). Und als emotionalem Überbau – (3) eine Love-Story. Drei Männer streifen Juliets Weg: Sidney (Matthew-Brideshead-Goode), ihr Verleger; Mark (Glenn Powell), mit dem sie sich sogar verlobt und der Farmer Dawsey (Michiel Huisman), der die ältesten Rechte hat. Aber auch in den Nebenrollen glänzen Könner/innen Penelope-CalenderGirl-Wilton, sowie Bronagh-TheCommitments-Gallagher als Edelzicke und Nazi Verteidigerin. Auch Eben (Tom Courtenay) geistert als so eine Art Ortvorsteher genial hilflos durchs Bild. So wird das Ensemble amüsant eingerahmt Und alle Zuschauer wissen lange bevor es spruchreif ist, wer Juliet als seine Juliet (Titel) bezeichnen darf. Spannendes Feel Good Movie.