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Barry Levinson hat eine Filmbiografie über den KZ-Überlebenden Harry Haft gedreht, die eindrücklich über Themen wie Trauma und Schuld reflektiert. In der Hauptrolle ist Ben Foster mit einer ihn körperlich fordernden Darstellung zu sehen.

The Survivor (2021)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Sich durchs Leben boxen

Die Lebensgeschichte des ehemaligen polnischen Boxers Harry Haft, der als Jude Auschwitz überlebte und nach Kriegsende in die USA auswanderte, diente schon einmal 2011 als Inspiration für eine künstlerische Arbeit. In der FAZ erschien damals eine Comicserie, die auf den Memoiren Hafts basiert, die sein Sohn Alan Scott 2006 veröffentlichte. Für seine Filmbiografie stützt sich der US-amerikanische Regisseur Barry Levinson, der seine Karriere auf Filme wie „Tin Men“ (1987), „Good Morning, Vietnam“ (1987) oder „Rain Man“ (1988) begründete, ebenfalls auf diese Vorlage.

Für die Rolle von Hertzko alias Harry Haft verpflichtete er in The Survivor Ben Foster, der selbst jüdische Wurzeln besitzt und sich auf eine ihn körperlich ziemlich fordernde Darstellung eingelassen hat. Foster spielt den verbissenen und traumatisierten Boxer mit einer bleibenden Eindringlichkeit. Wirklich sicher ist man nicht, was man von der Figur halten soll. So besonders sympathisch wird einem Harry nie, trotz aller Empathie in Bezug auf das, was er erlebt hat. Er macht es einem nicht leicht, da er sich mit der Verachtung, die er für sich selbst empfindet, einer Annäherung widersetzt. Zeitgleich wie Harry verarbeitet auch der Zuschauer die von ihm bröckchenweise hervorgebrachten Einzelheiten seiner Vergangenheit.

Mit einer präzisen Struktur, bestehend aus einer wohl dosierten Anzahl an Rückblenden auf drei verschiedenen Zeitebenen, erzählt der Film, wie Harry auf der Suche nach seiner einstigen Verlobten Leah im New York von 1948 bis 1949 eine Karriere als Boxer unterhält. Da die offiziellen Organe, die nach jüdischen Überlebenden ermitteln, trotz der hilfsbereiten Miriam (Vicky Kreps), seines Erachtens nicht effizient genug sind, will er so bekannt wie möglich werden, damit Leah ihn in den Medien sehen kann. Auch wenn das Boxen Harrys Einnahmequelle ist, bedeutet es für ihn auch eine ständige Qual, da es zum Ursprung seines großen Traumas führt. Im Konzentrationslager wurde er von einem SS-Offizier zum „Jüdischen Tier“ gemacht. Zum Amüsement der deutschen Wärter trat er gegen einen mitgefangenen Juden an. Entweder starb man an der Faust des Gegners oder durch einen Schuss der Wachen.

Die Ereignisse von 1948 bis 1949 und 1963 sind in Farbe, alle Erinnerungen Harrys an das Lager in Schwarz-Weiß gedreht. Diese Wahl fühlt sich aus verschiedenen Gründen richtig, geradezu natürlich an. Zum einen sind wir gewöhnt, solche Bilder in Schwarz-Weiß zu sehen, da es angesichts des übermittelten Materials aus der Zeit nicht anders möglich ist. Doch vor allem glaubt man, die Härte, die Ungeheuerlichkeit, die aus den Bildern spricht, in Farbe noch weniger gut ertragen zu können – genauso wie Harry es nicht aushält, es braucht ein Minimum an Distanz. Dennoch brennen sich die Szenen unweigerlich ein. Die Konturen der ausgemergelten Körper zeichnen sich scharf ab, die Gesichter werden zu hässlichen Fratzen.

Der Film findet ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Teilen. Außergewöhnlich gut bewältigt er die Visualisierung des tiefen Traumas der Hauptfigur. Bestimmte Worte, Geräusche oder auch Bilder erinnern ihn an seine Erlebnisse im Lager, versetzen ihn in Panik und schließlich außer Gefecht. Diese Momente gehören zu den überzeugendsten des Dramas, da der Film darauf verzichtet, Harrys Psyche lange zu analysieren oder in den anderen Figuren unbedingt Verständnis für ihn zu erwecken. Das Drehbuch bleibt dem Charakter Harrys, der alles mit sich selbst ausmachen will, bis zum Schluss treu. Was hingegen die schauspielerische Leistung von Ben Forster als Harry betrifft, ist sie immer dann am besten, wenn Foster möglichst wenig macht. An gewissen Stellen riskiert sie nämlich, unterstützt von der aufwendigen Maske, ins Karikaturhafte abzugleiten.

Wenig auffällig ist der Auftritt von Vicky Kreps als Harrys Ehefrau Miriam, doch umso mehr freut einen das kurze Intermezzo mit Danny DeVito, der Harry für seinen großen Kampf gegen Rocky Marciano trainiert. Mit ihm kommt die leichte Ironie ins Spiel, die der Film trotz der grundsätzlichen Ernsthaftigkeit besitzt.

Levinson ist sicherlich mit The Survivor einen interessanten Weg eingegangen, über den Holocaust zu sprechen. Natürlich zielt er auf die absolute Verurteilung der Ereignisse, die der Geschichte als Basis gelten, doch hat er gleichzeitig ein differenziertes Psychogramm einer Figur vorgelegt, die eben auch ihre Ecken und Kanten hat und sie nicht zum bedingungslosen Sympathieträger macht. Nicht zuletzt ist der Film übrigens ein würdiger Zuwachs für das Fach des Sport- und spezifischer des Boxfilms.

The Survivor (2021)

Biopic über einen Boxer, der während seiner Zeit im Konzentrationslager gegen Insassen kämpfte, um zu überleben. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs muss er mit der schweren Last seiner Taten leben.

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