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In „Axel, der Held“ entspinnt sich ein Märchenwesternsozialdrama in der vage erkennbaren ostdeutschen Provinz: Heldentum in bescheidenen Verhältnissen.

Axel der Held (2018)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Old Shatterhand im Hühner-Märchenland

Natürlich ist Axel (Johannes Kienast) kein Held. Kein strahlender Prinz in weißer Rüstung, der auf seinem Ross die schöne Prinzessin aus den Fängen eines Drachens befreit. Wie ein Märchen fängt „Axel, der Held“ dennoch an: „Es war einmal…“ Und dann wird die Welt beschrieben, in der sich dieses Märchen bewegt, während die Kamera über ein Modell hinwegfliegt, auf der kleine Figuren die Protagonist_innen repräsentieren.

Das kleine Dorf inmitten von Wäldern, das von seiner Hühnerfarm lebt, und alles – Hühnerfarm, Casino, die meisten Häuser – gehört dem einen König, der hier Manne (Sascha Alexander Geršak) heißt und meist seine Schergen losschickt. In seinem Schlösschen hält er sich außerdem als Prinzessin und zukünftige Königin die junge Jenny (Emilia Schüle), die aber anscheinend auch ganz gerne auf seinem Anwesen in der Sonne liegt.

Das Märchen, man ahnt es schon, ist ein sehr gegenwärtiges; aber kaum wird Axel aus der Träumerei gerissen, mit der er sich in das von ihm gebastelte Modell seines Dorfes hineinbegeben hatte, wechselt Hendrik Hölzemanns Film schon wieder die Erzählweise und lässt Westernmusik im Hintergrund erklingen; Axels Nachbar Heiner (Christian Grashof) flüchtet sich in seinen Gedanken in die Welt von Winnetou und Old Shatterhand, nicht einmal frei assoziierend, sondern wörtlich zitierend aus den Büchern von Karl May.

Und nun ist Axel doch ein Held. Der Held dieser Geschichte, der Held seiner eigenen Geschichte, aber bis er zu Heiners Blutsbruder wird und er sein Schicksal selbst in die Hand nimmt statt nur davon zu träumen, muss so einiges geschehen – seine Spielschulden bei Manne muss er loswerden, damit er von diesem nicht immer zu den erniedrigendsten Arbeiten herangeholt wird, seine Jugendliebe Jenny will er wiedergewinnen, aber die kommt ja auch nicht los von dem Hühnerfürsten. In seiner Phantasie sieht sich Axel Widerworte geben, im Faustkampf oder im Spiel über Manne obsiegen – in der Realität ist das alles etwas komplizierter und vor allem: Allein ist es nicht zu schaffen.

Hölzemann lässt Axel, der Held (zu dem er zusammen mit André Bergelt auch das Drehbuch geschrieben hat) changieren zwischen Realität und Phantasie, zwischen Axels Tagträumen von mutigem Widerstand, deren Parameter ihrerseits wieder verschiedenen Filmgenres entsprungen zu sein scheinen, und der immer noch märchenhaft von der großen Welt abgetrennten Realität des kleinen Dorfs in einem Nirgendwo, das zugleich sichtbar ostdeutsche Provinz ist. Zwischendrin der Möchtegern-Winnetou, der in seinem Kopf komplexe Wurf- und Flugbahnen antizipieren kann. Und natürlich Mannes Schergen, von denen einige dann doch nicht so fest skrupellos sind, wie Manne sich das gerne wünschen würde.

Es flirrt also immer hin und her zwischen Märchen, Western und Sozialdrama; das betrifft auch die Figuren, die mal irreal wirken, mal so sehr in den Realitäten des wahren Lebens verankert, dass man sie kaum aushalten kann in ihrer harten Sachlichkeit. Hinter den phantastischen Momenten des Films versteckt sich halt immer auch ein Blick auf kapitalistische Realität, in diesem Dorf also: auf schlichte Ungleichheit. Die Hoffnungslosigkeit kommt nicht nur davon, dass niemand etwas anderes kennt als das märchenhaft im Nirgendwo verankerte Dorfleben. Ob der Held am Schluss wohl wie im Western in den Sonnenuntergang davonreiten kann?

Seit seinem Abschlussfilm Kammerflimmern aus dem Jahr 2004 hat Hölzemann sich mehr aufs Drehbuchschreiben konzentriert; er lässt sich in Axel, der Held viel Zeit mit der Erzählung und verzichtet auf große Experimente. Das wirkt zwar einerseits positiv, andererseits gelingt ihm der Wechsel in Tonalität und Bildern zwischen Phantasie und Wirklichkeit elegant und wirkungsvoll, auch wenn alles, wie auch die Handlung insgesamt, immer etwas naheliegend, wenn auch nicht ganz vorhersehbar gerät. Man möchte Held wie Regisseur gelegentlich ein wenig schütteln, doch etwas konsequenter, dramatischer, tiefer einzutauchen in die Möglichkeiten, die eigene Zukunft beim Schopfe zu ergreifen. Aber ganz so kraftvoll, wie es in diesem Sommer zum Beispiel Cleo macht, will Hölzemann sich dann doch nicht aus dem Fenster lehnen.

Axel der Held (2018)

Axel ist ein hoffnungsloser Romantiker. Tief verschuldet und ohne Freunde flüchtet er sich aus dem tristen Alltag in eine Traumwelt, in der er der Held seiner Jugendliebe Jenny ist. Als er in seinem wunderlichen Nachbarn Heiner einen Freund findet, beschließt Axel, sich der Realität zu stellen …

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