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Um schicksalhafte und zufällige Begegnungen zwischen Liebenden und solchen, die es gerne wären, geht es in dieser Mischung aus Sozialdrama und Tragikomödie des japanischen Regisseurs Ryusuke Hamaguchi. Er erzählt drei Geschichten über Frauen und ihre Sehnsüchte.

Das Glücksrad (2021)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Die Sache mit der Liebe

Magisch sei es gewesen, meint Gumi (Hyunri), als sie ihrer besten Freundin Meiko (Kotone Furukawa) im Taxi von ihrer Verabredung mit einem Mann erzählt. Hört man den Schwärmereien der jungen Frau zu, glaubt man, eine Wiederholung des altbekannten Spiels zwischen den Geschlechtern zu beobachten: Zögerliche Annäherung, Herzklopfen und Unsicherheit über die Absichten des anderen. Das Objekt der Begierde, Kazu (Ayumu Nakajima), weiß offenbar mit Worten umzugehen. Gumi hat er eindeutig Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft gemacht, doch sich gleichzeitig ein Hintertürchen offen gelassen, indem er auf sein Trauma wegen seiner Ex-Freundin, die ihn betrogen hat, verweist.

Wie es der Zufall so will, ist diese Ex-Freundin ausgerechnet Meiko, die dies gleich erkennt, sich im ersten Moment aber nichts anmerken lässt, doch, sobald sie Gumi abgesetzt hat, ins schicke Büro von Kazu eilt. Und ihn auf absurde Weise zur Rede stellt. Wie ernst meint er es mit der Freundin? Liebt er nicht vielleicht doch noch sie? Kurz aber heftig fällt die Begegnung zwischen den beiden aus. Am Ende bleiben ihre Sehnsüchte ungestillt, nur frisches Salz wurde in die Wunden gestreut. 

Auf den Filmtitel anspielend kommt es in Laufe der Handlung zu mehreren solcher unverhoffter Begegnungen. Ob sie dem Schicksal oder eher dem Zufall zuzuschreiben sind, bleibt dahingestellt. In allen drei Episoden des neuen Spielfilms von Ryusuke Hamaguchi geht es um unerwiderte Liebe, um unerfüllte Begierde und um ihre rhetorische Kompensation. Die Verhältnisse sind symptomatisch für eine individualistische Gesellschaft, in der zwischenmenschliche Beziehungen Minenfeldern gleichen und die Liebe ihrem flatterhaften Wesen alle Ehre macht. 

Es sind die Frauen, die hier im Vordergrund stehen. In Wheel of Fortune and Fantasy setzt der japanische Regisseur (Asako I & II), wie es für seinen Stil charakteristisch ist, auf eine präzise Bildsprache, die er mit reduzierten Mitteln umsetzt. Dies heißt aber nicht, dass er den Schauplätzen und der Ausstattung wenig Bedeutung beimisst, denn, schaut man genau hin, sind durchaus viele Details vorhanden, die die Charakterzeichnung unterstützen. Besonders symbolträchtig ist Kleidung der Protagonisten eingesetzt. 

Der weiße Pullover mit Applikationen auf Brusthöhe, den Meiko trägt, lässt sie, genauso wie ihr Haarschnitt, sehr jugendlich, aber auch frech erscheinen. Im Vergleich dazu passen Kazu und Gumi, zumindest optisch, besser zueinander in ihren gedeckten Farben und eleganten Schnitten. Nao (Katsuki Mori) trägt in der zweiten Geschichte des Films ein schulterfreies Oberteil und einen wallenden Rock, die ihr bei der Verführung ihres Literaturprofessors dienen sollen. Im dritten Teil schließlich zeigen sich die unterschiedlichen sozialen Sphären, der beide Frauen angehören, ebenfalls in der Kleidung: Aya (Aoba Kawai) ist eine devote Hausfrau, Natsuko (Fusako Urabe) unabhängige Berufstätige. Dieser ganzen Kleidermetaphorik wohnt eine gewisse Oberflächlichkeit bei, die sich leider auf das gesamte Werk übertragen lässt.

Nicht nur in diesem Element des äußeren Erscheinens widerspiegelt sich die Verwurzelung der japanischen Gesellschaft in der Tradition. Der Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigt sich in vielen Gesten und Haltungen der Protagonisten. Die Rolle der Frau beispielsweise wandelt sich nur langsam. Ihr Lebensziel kulminiert in der Ehe, dafür gibt sie nicht nur die berufliche Laufbahn ab, sondern auch viele ihrer Bedürfnisse, auch das nach sexueller Entfaltung. Von diesem Blickwinkel aus gesehen sind Hamaguchis Figuren alle auf die eine oder andere Weise Außenseiter. Sie sind zu selbstständig. Und was noch viel schlimmer ist, sie wagen es, unglücklich zu sein. 

Über allem, obwohl man sich vielleicht gerade beleidigt oder man erfährt, dass der eine einen hintergehen wollte, liegt eine grundsätzliche Höflichkeit im Umgang miteinander. Dadurch verortet Hamaguchi seinen Film eindeutig in seinen eigenen Kulturkreis, doch öffnet er ihn auf einer übergeordneten Ebene einem allgemeingütigen Verständnis und der breiteren Interpretation. In seiner Form erinnert das Sozialdrama, das nicht frei von Einsprengseln absurden Humors ist, an Werke von Woody Allen oder auch Eric Rohmer. Die Handlung stützt sich auch hier auf lange Dialoge, in denen sich Wesentliches zwischen die Zeilen abspielt.

Es ist weniger das offen Gesagte und Gezeigte, das an Hamguchis Film interessiert, denn das glaubt man, wie bereits angedeutet, bereits zu kennen. Vielmehr drückt er mit dem Ausgesparten, den unterbrochenen Annäherungen und der vermiedenen Konfrontationen eine tiefe Sehnsucht nach Nähe und Verständnis seiner Protagonisten aus, die in einem Netz aus Konventionen gefangen zu sein scheinen. Für den Zuschauer werden sie Projektionsflächen eigener ähnlicher Gefühle. 

Das Glücksrad (2021)

„Wheel of Fortune and Fantasy“ ist ein japanischer Spielfilm von Ryūsuke Hamaguchi. Der Film ist eine Hommage an die Frauen und besteht aus drei Episoden, die die Themen Zufall und Fantasie miteinander verbindet.

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