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Frauen in die Schlacht, lautet das Motto des historischen Action-Thrillers „The Woman King“, der sich um eine einst real existierende weibliche Elitearmee aus Westafrika dreht. Starke Schauspielleistungen und gelungene Choreografien stehen dabei einigen abgegriffenen Plot-Mechanismen gegenüber.

The Woman King (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Die Amazonen aus Westafrika

Nach einer Reise in das westafrikanische Benin im Jahr 2015, so ist zu lesen, zeigte sich die US-Schauspielerin Maria Bello daran interessiert, einen Film über die Agojie-Kriegerinnen zu drehen, die sich einst rückhaltlos in den Dienst des ehemaligen Königreichs Dahomey stellten. Dass dieser saftige, eher ungewöhnliche geschichtliche Hintergrund in Hollywood anschließend erst mal nicht auf fruchtbaren Boden fiel, weil die Studios angesichts einer größtenteils Schwarzen Besetzung Angst vor einem finanziellen Flop hatten, sagt einiges darüber aus, wie viel Weg zu mehr Repräsentation und Gleichberechtigung im Filmbusiness noch zu gehen ist. Angespornt durch den gigantischen Erfolg des Marvel-Abenteuers „Black Panther (2018), in dem eine von der Agojie-Einheit inspirierte weibliche Leibgarde auftaucht, ließen die als Produzentin das Projekt anschiebende Bello und ihre Mitstreiter*innen, darunter Oscar-Preisträgerin Viola Davis, nicht locker und bekamen am Ende doch noch grünes Licht für „The Woman King“, einen historischen Action-Thriller mit handfester Empowerment-Botschaft und einem weitgehend erdachten Figurenensemble.

Den Claim des Kinoplakats – „Diese Frauen wurden Legenden“ – untermauert Regisseurin Gina Prince-Bythewood (The Old Guard) bereits in den Anfangsminuten, wenn sie die von Davis verkörperte Agojie-Anführerin Nanisca und ihre Kämpferinnen als mythisch-archaische, sich aus der Dunkelheit und dem Dickicht erhebende Gestalten inszeniert, die unerbittlich über ein Dorf ihrer Feinde herfallen, um Gefangene zu befreien. Die besondere Rolle der Elitetruppe findet auch wenig später weitere Bestätigung. Dann nämlich, wenn wir erfahren, dass die eigenen Mitbürger*innen die Kriegerinnen nicht direkt anschauen, sondern stets den Blick senken sollen.

The Woman King spielt im Jahr 1823, als mit dem real existierenden Ghezo (John Boyega) ein junger Herrscher auf dem Dahomey-Thron sitzt, der die Unterdrückung durch das Oyo-Imperium, an das regelmäßig Tribute entrichtet werden müssen, nicht länger hinnehmen will. Um für die Auseinandersetzung gerüstet zu sein, braucht es weitere unerschrockene Soldatinnen, die Nanisca und ihre Vertrauten fortan ausbilden. In das Königshaus gelangt eines Tages auch die junge Nawi (Thuso Mbedu), die sich standhaft weigert, sich von ihren Eltern an Männer verheiraten zu lassen, denen eine Frau nur untertan sein soll. Schnell wird Nanisca auf den willensstarken Neuankömmling aufmerksam, der ein vertrauensvolles Verhältnis zu Izogie (Lashana Lynch), einer der Übungsleiterinnen, aufbaut.

Festgehalten werden muss zunächst einmal Folgendes: Es tut unglaublich gut, einen Film zu sehen, der seinen weiblichen Hauptfiguren das zugesteht, was Männer üblicherweise im Historienkino verrichten dürfen. Nanisca schart eine schlagkräftige Einheit um sich. Die Frauen kennen auf dem Schlachtfeld keine Zurückhaltung und sind auch in ihrer Wortwahl erstaunlich martialisch. Inmitten einer patriarchalen Gesellschaft nehmen sie eine Sonderstellung ein, wissen sich zu behaupten. Auf Dialogebene versteigt sich The Woman King aber hin und wieder zu etwas plakativen, sattsam bekannten Wir-halten-die-Ehre-hoch-Parolen und Steh-für-dich-selbst-ein-Slogans. Interessant und bewegend ist vielmehr der regelmäßig spürbare solidarische Geist innerhalb der Gruppe. Vertrauen und Anerkennung drückt sich nicht nur in der Beziehung von Nawi und Izogie aus. Auch das Band zwischen Nanisca und Amenza (Sheila Atim) erweist sich als äußerst stark.

Das System Dahomey nimmt das Drehbuch aus der Feder von Dana Stevens mehrfach in den Blick, lässt beispielsweise durchscheinen, dass Ghezos Reich wie viele andere Mächte Westafrikas zu jener Zeit im florierenden kolonialen Menschenhandel engagiert ist. Struktur und Rituale treten insgesamt jedoch gegenüber den persönlichen, auf emotionale Wirkung abzielenden Geschichten der Protagonistinnen zurück. Auch wenn Nawi einen prominenten Part innehat, erzählt The Woman King vor allem von Naniscas Trauma, das mit einer überraschenden, vielleicht etwas zu forcierten Wendung zusammenhängt. Freimachen von abgegriffen-konventionellen Motiven kann sich der Film leider nicht. Überflüssig ist neben den klischierten Palastintrigen besonders eine zwar behutsam gehaltene, dennoch aufgepfropft anmutende Romanze Nawis. Manchmal tritt sie einfach zu sehr hervor, die oft etwas mechanische Dramaturgie Hollywood’scher Prägung.

Dass einige der im Zentrum stehenden Agojie-Kämpferinnen trotzdem plastisch und vielschichtig sind, liegt an den starken Schauspielleistungen. Viola Davis, die auf eine beachtliche Reihe an zupackend-selbstbestimmten Frauenrollen zurückblicken kann, trumpft mit Autorität und eisernem Willen auf und transportiert auch Naniscas seelische Verletzungen mit der nötigen Überzeugungskraft. Nach ihrer ebenso herausfordernden wie mitreißenden Darbietung in der Miniserie The Underground Railroad legt die Südafrikanerin Thuso Mbedu eine weitere Kostprobe ihres bemerkenswerten darstellerischen Fähigkeiten ab. Heimlicher Star des Films ist allerdings Lashana Lynch, die versiert zwischen Härte und Herzlichkeit wechselt. Unter Izogies rauer Schale sitzt ein weicher Kern, wie ihr einnehmendes Lächeln verrät. Eine gute Figur gibt The Woman King nicht zuletzt in den energiegeladenen Kampfsequenzen ab, die Gina Prince-Bythewood bei aller Dynamik erfreulich übersichtlich in Szene setzt. Übertünchen können all diese Qualitäten indes nicht, dass die ungewöhnliche Agojie-Truppe einen noch eigenständigeren Film verdient gehabt hätte.

The Woman King (2022)

Drama über das alte und einst sehr mächtige afrikanische Königreich Dahomey (heute: Volksrepublik Benin), das Ende des 19. Jahrhunderts unter französische Herrschaft geriet, bis sich ein Stamm mit Kämpferinnen gegen die Fremdherrschaft erhob. 

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Meinungen

Georg Uehlein · 29.02.2024

Dumm nur, dass bei allem feministischen und postkolonialem Schnickschnack etwas untergeht, dass diese Frauentruppe eben nicht gegen die Sklaverei kämpfte, sondern im Auftrag eines der brutalsten Sklavenhändler andere Stämme überfiel, um Sklaven zu erbeuten.

Frank Ruschmaritsch · 15.12.2022

Ein unfassbar starker Film, eine krasse Besetzung, Schauspielerisch ein wahnsinnige Leistung. Total realistisch Darbietung, was die Darsteller alle samt geleistet haben ist Oscar reif....