The Bling Ring (2013)

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Shoppen bis der Wachschutz kommt

Tragen, was die Stars tragen. Das wollen viele. Nur wenige setzen es so wörtlich in die Tat um, wie eine Handvoll Teenager in Hollywood. Statt Schaufensterbummel bei Gucci und Versace lieber gleich Selbstbedienung bei Paris Hilton oder Lindsay Lohan. Klamotten, Schmuck und Bargeld im Wert von über drei Millionen US-Dolla ließen Highschool-Kids mit Celebrity-Obsession in den Jahren 2008 und 2009 aus den Häusern der Reichen und Schönen mitgehen. „Das klingt wie ein Film“, dachte Regisseurin Sofia Coppola sofort, als sie in Vanity Fair einen Artikel über die „Bling Ring“-Bande las und sicherte sich die Filmrechte.

The Bling Ring ist ihre Spielfilm-Version dieser realen Geschichte, „die so viel über unsere Kultur heutzutage aussagt“. Eine Welt, in der die Jugend nicht zu den Sternen strebt, sondern sich, verführt und geblendet vom medienvermittelten bling-bling der Stars und Sternchen, nur noch um sich selbst dreht. Du bist, was du trägst. Aussehen, Accessoires und Style als Eintrittskarte in einen Kosmos, in dem Stars und Sternchen, Fanboys und Fangirls eitel umeinander kreisen. Das Gravitationszentrum heißt Hollywood. Kein Wunder, dass hier gelangweilte Highschool-Kids aus gut situierten Familien auf die Idee kommen, Celebrity-Ambitionen, Ego-Tuning und Party-Kick zu verbinden.

So unterschiedlich die Protagonisten von The Bling Ring auch sind, sie definieren sich doch alle über ihr Interesse am Erscheinungsbild und ihren Wunsch irgendwie dazu zugehören. Das coole Scheidungskind Rebecca, der nette, unter Angststörungen leidende Marc (eine wirkliche Entdeckung: Israel Broussard), die affektierte Nicki (Harry Potters Hermine erfolgreich entwachsen: Emma Watson) — für sie alle fungiert Facebook als Spiegel und Schaufenster zugleich.
Das Internet ist wichtigstes Werkzeug während der kurzen Karriere der Bling-Ring-Bande. Google und Twitter statt Dietrich und Brecheisen: Einfach die Adresse googeln und die Umgebung auf Google Earth abchecken, dann abwarten, bis der Star sich über Twitter oder einen anderen Kanal wegen einer Party oder Dreharbeiten als nicht zu Hause outet. Wenn es dann per sms heißt „Let’s go to Paris“, dann geht es nicht zum Shoppen an die Seine, sondern spontan zum Haus der Hilton auf die Hollywood Hills. Paris beehrt der „Bling Ring“ gleich mehrmals, sie lädt ihre Besucher auch geradezu ein: Der Schlüssel zur Luxus-Villa liegt unter der Fußmatte. So dumm kann eigentlich nur eine sein. Aber auch Orlando Bloom hat nicht alle Türen verschlossen – dafür aber gleich eine ganze Rolex-Sammlung im Schrank. Bis die Bestohlenen in ihrem Überfluss überhaupt etwas vermissen, dauert es eine Weile. In der Zwischenzeit prahlen die Teens auf Parties mit ihren Taten und protzen auf ihren Facebook-Fotos mit ihren neuesten Schnäppchen. Der Einbruch ist nur der kleine Kick, die wahre Befriedigung ist es, mit den erbeuteten Luxus-Klamotten das Ego für alle sichtbar aufzuwerten.
The Bling Ring zelebriert zusammen mit seinen Protagonisten die schillernde Oberfläche: Klamotten, Parties, Drogen. Ein repetitiver Reigen von Raubzügen, linear erzählt, aufgebrochen durch Statements der Teens im Angesicht der Strafverkündung. Eine klassische Crime-Story mit exzessivem Soundtrack (der Music Supervisor wird schon im Vorspann genannt). Während aufpeitschende Beats den Leerlauf in dem eitlen Rennen um Anerkennung übertönen, entdeckt der Blick der Kamera doch immer wieder einen Lidschlag von Verlorenheit und Leere in den Gesichtern. Ach-so-aufregende-das-verewigen-wir-mal-für-Facebook-Party-Momente gerinnen zu elegischer Zeitlupe.
Sofia Coppola ist – nicht nur als Tochter von Francis Ford Coppola – von Hause aus Spezialistin für ein Lebensgefühl zwischen Abgehobensein und Alltag. Schon in Lost in Translation oder Somewhere hat sie Glitzerwelt und gähnende Leere dahinter überzeugend in Szene gesetzt. In The Bling Ring mögen manche Dialoge wie schrille Real-Satire wirken, sie sind dabei aber den echten Bling-Ring-Mitgliedern vom Mund abgeschrieben (und tatsächlich in besagtem Vanity-Fair-Artikel, der als Inspirationsquelle diente, nachzulesen). Während – oder gerade weil – sich Sofia Coppola wirklich für die Teenager und ihre Beweggründe zu interessieren scheint, fällt der Blick durchs Lifestyle-Gewand hindurch auf die moderne Gesellschaft weniger bissig und künstlerisch konsequent aus, als vielleicht erwartet.
Neben Harmony Korines thematisch ähnlich gelagerten Spring Breakers präsentiert sich The Bling Ring wie eine zahmere Facebook-Freundin, die sich einen gutbürgerlichen Rest an Moral bewahrt hat. Am Ende schickt der Film (wie eben auch die Realität) die Teenager erstmal mit dem Bus in den Knast, während Korine seine jungen Delinquentinnen konsequenterweise im gestohlenen Lamborghini davonbrausen lässt (wobei sie allerdings für den deutschen Kinomarkt per insertierter Texttafel doch noch vor Gericht gestellt werden).

The Bling Ring (2013)

Tragen, was die Stars tragen. Das wollen viele. Nur wenige setzen es so wörtlich in die Tat um, wie eine Handvoll Teenager in Hollywood. Statt Schaufensterbummel bei Gucci und Versace lieber gleich Selbstbedienung bei Paris Hilton oder Lindsay Lohan. Klamotten, Schmuck und Bargeld im Wert von über drei Millionen US-Dollar ließen Highschool-Kids mit Celebrity-Obsession in den Jahren 2008 und 2009 aus den Häusern der Reichen und Schönen mitgehen.

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Meinungen

Elena · 07.09.2013

Intelligenz ist ohne die Erfahrung bedeutungslos. Gut, dass wir ja hier als Rezensent, Zuschauer und Leser debattieren: Konsum, Bilderrausch und Postadoleszenz als Ersatzreligionen.
All das vermengt sich zu jener satten angenehmen Melancholie, die der Jugend von Natur aus innewohnt, angereichert mit den ersten Anzeichen jener Überspanntheit, jenes heimlichen Stolzes auf das Leiden, das zum Erwachsenwerden gehört. Abgehakt. Nur für ewig Pubertierende als elegisches Klagelied auf die verlorene Blütezeit sehenswert!

Francis · 30.08.2013

Schade, gerade dann, wenn der Film anfängt interessant zu werden, ist er schon zu Ende. Was für meinen Geschmack zu kurz kommt: Wie stehen die einzelnen Mitglieder dieser Clique rückblickend zu ihren Einbrüchen (es sind ja am Filmende nur zwei, die sich dazu äußern dürfen)? Wie sieht's mit Zusammenhalt innerhalb der Gruppe nach Absitzen der Strafe aus? Usw.