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Die Geschichte des Bremers Murat Kurnaz und der Kampf um dessen Freilassung als Komödie? Andreas Dresen wagt mit seinem neuen Film genau dies — und gewinnt zumindest die Herzen des Publikums.

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (2022)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Widerstand zwecklos

Im Film geht es vor allem neben vielem anderen um eines — Timing. In dieser Hinsicht ist Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush“ nahezu perfekt. Kurz vor der Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier feierte das Werk im Wettbewerb der Berlinale seine Weltpremiere und ist dennoch keine wütende Anklage gegen die Politik geworden, sondern eine Politkomödie, die ungewöhnliche Wege bei der Aufarbeitung des Stoffes geht. Was nicht allein daran liegt, mit wieviel Humor und Wärme der Fall erzählt wird, sondern auch an der Wahl der Hauptfigur.

Schon von erstem Moment an nimmt Rabiye Kurnaz (Meltem Kaptan), die Mutter des nach Guantanamo Bay verschleppten Murat (Abdullah Emre Öztürk), mit ihrer überbordenden, stets positiven und unwiderstehlichen Art das Publikum für sich ein. Souverän managt sie den Haushalt mit Ehemann und den beiden jüngeren Brüdern, hält den Laden am Laufen und hat die Zügel fest in der Hand. Als die Nachricht von Murats Festnahmen und später von seiner Verschleppung in das Strafgefangenenlager auf Kuba kommt, zögert sie keine Sekunde und wendet sich an den Anwalt Bernhard Docke (Alexander Scheer), der die quirlige Frau zunächst nur schnell wieder loswerden will, der dann aber schnell merkt, dass hier jeder Widerstand zwecklos ist.Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf, denn das ungleiche, aber fantastisch harmonierende Paar wird nichts unversucht lassen, um in den USA gemeinsam mit anderen betroffenen Angehörigen bis vor den Supreme Court zu ziehen und letzten Endes gegen die mächtigste Nation der Welt und deren Präsidenten George W. Bush zu obsiegen.

Eine Komödie über die Suche nach Gerechtigkeit und den konkreten Fall des „Bremer Taliban“ — geht das überhaupt? Und wenn, dann auf diese Weise? Andreas Dresens Bearbeitung und Inszenierung des Stoffes ist nicht ganz unumstritten und ohne Frage eine, die polarisiert. Ganz abgesehen von der Frage, ob die reale Rabiye Kurnaz (die gleichwohl bei den Dreharbeiten beteiligt war) wirklich so eine Person ist (die Bilder allerdings zeigen eine Frau sehr ähnlichen Aussehens), wie der Film sie zeichnet, ist dabei nur die offensichtlichste.

Doch genau dieser „Fehler“ oder diese Irritation erweist sich im Verlauf der Films als dessen große Qualität. Gerade weil diese Rabiye Kurnaz so laut ist, manchmal auch so naiv und dennoch stets unwiderstehlich, folgen wir ihr nicht nur gerne, sondern mit einen Höchstmaß an Respekt und Empathie. Und dass es der Film versteht, aller spritzigen Dialoge zum Trotz dennoch immer wieder auch Momente des Innehaltens, der Traurigkeit und der tiefsten emotionalen Anteilnahme zu erschaffen, denen man sich als Zuschauer*in ebenfalls nicht entziehen kann, unterstreicht die Güte des Drehbuchs (Laila Stieler) und der Herzenswärme und des Humor von Andreas Dresen. Mit Sicherheit hat dieser Film das Zeug zu einem echten Publikumsliebling.

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (2022)

Der Film erzählt die Geschichte der Bremer Hausfrau Rabiye Kurnaz, deren Sohn von den Vereinigten Staaten in Pakistan inhaftiert und schließlich in der Guantanamo Bay Naval Base gefangen gehalten wurde. Die temperamentvolle Deutsch-Türkin kämpfte mit dem eher reservierten Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke vor dem Obersten Gerichtshof der USA um seine Freilassung.

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Meinungen

wignanak-hp · 29.04.2022

Der Film lässt einen erst etwas ratlos zurück, denn die Bedenken, die genannt werden, sind ja nicht von der Hand zu weisen. Aber je mehr man darüber nachdenkt, muss man diese beiseiteschieben. Es ist genau der richtige Ansatz, von dieser Geschichte zu erzählen. Den Mut nicht zu verlieren, auch wenn einem zum Heulen ist, weiterzumachen, auch wenn alle sagen, dass es keinen Sinn hat: Das sind doch Qualitäten, die unschätzbar sind. Und die Grausamkeiten sind unterschwellig immer da. Der Film verharmlost nichts, nur weil er es nicht explizit zeigt.