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Jemand klaut das geliebte Trüffelschwein von Nicolas Cage und er würde alles tun, um sein Tier wiederzusehen. „Pig“ klingt wie der nächste „John Wick“ – und ist genau das in grandioser Weise nicht.

Pig (2021)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Unerwartete Zärtlichkeit

Wieder verliert ein Mann sein Haustier und wieder muss er aus dem selbstgewählten Ruhestand zurückkehren, um sich Gerechtigkeit zu verschaffen. Dieses Mal ist es aber nicht Keanu Reeves in John Wick (2014), der seinen Hund rächt, sondern Nicolas Cage, der sein Trüffelschwein sucht. Besser kann es kaum werden. Denn Michael Sarnoskis Debütfilm Pig entdeckt jenseits der endlosen Reihe an Männer-Rache-Filmen eine neue Zärtlichkeit, wo sonst nur Waffengewalt herrscht.

Rob (Nicolas Cage) lebt allein im Wald mit seinem Trüffelschwein. Einmal die Woche kommt Amir (Alex Wolff), ein junger und aufstrebender Delikatessen-Händler, um die atemberaubenden Trüffel zu kaufen, die Robs Schwein aufspürt, und sie mit einem üppigen Gewinn an Restaurants zu vermitteln. Als Rob aber überfallen wird und Unbekannte sein Schwein klauen, gibt er die Isolation und Weltferne seiner Hütte auf und fährt mit Amir in die Stadt. Dort vermutet er sein Schwein, und dort ist er selbst kein Unbekannter.

Eine eigenartige Energie treibt jene verletzten, zurückgezogenen Männer an, die Härte und Schmerz hinter sich gelassen haben, um in Abgeschiedenheit nur noch mit sich allein beschäftigt sein zu müssen. Sie werden plötzlich aus ihrem Eigendasein gerissen und kehren brachial zurück in genau jene Welt, zu der sie eben doch keinen trennenden Schutzschirm aufrechterhalten können. Diese Figuren tauchten in den vergangenen Jahren in verschiedensten Variationen (Keanu Reeves, Liam Neeson, Nicolas Cage) auf und immer bricht eine mühsam zurückgehaltene Energie aus ihrer kontrollierten Reserviertheit, die alles um sie herum in einen Wirbel der Auflösung und Auslöschung zieht.

Pig teilt diese Energie zwar, gibt ihr aber eine ganz und gar andere Grundlage, die sich schon in den ersten Bildern des Films aufbaut, wenn Rob mit bedächtigen Bewegungen Geschirr im Fluss wäscht, Essen zubereitet und sein Schwein krault. Eine kaum begreifliche Zärtlichkeit liegt in der Verbindung zwischen den beiden, in den sanften, bedächtigen Berührungen, mit denen Rob sich auf sein reduziertes Umfeld bezieht. Auch er hat, wie viele dieser Männerfiguren, seine Frau aus unerwähnten Gründen verloren; auch aus seinen Augen, die hinter dichtem Bart und wilden Haaren kaum zur Welt durchdringen können, strahlt eine unendliche Resignation, aber auch eine jenseits aller Worte liegende Zuneigung.

Rob ist nicht getrieben von Rachedurst und Schmerz, die sich nur in Wut und Zerstörung einen Zugang zur Welt verschaffen können. Pig überträgt die eigenartige Kraft der zurückhaltenden Zärtlichkeit in einen anderen Umgang mit jenen Orten und Menschen, die Rob aus der Vergangenheit hervorholen muss, um sein Schwein zurückzubringen. Diese Orte werden in Pig gerade nicht dadurch aufgewühlt und ausgelöscht, dass Rob sich gewaltsam durch sie hindurch bewegt. Er betritt eine Welt, in der es schon keine Auslöschung mehr geben kann, in der alle Figuren, denen er aus der Vergangenheit begegnet, bereits am Ende sind. Niemand kann hier noch etwas gewinnen oder verlieren, Rob kann ihnen nur noch Mitleid und Vergebung bieten.

Was soll eine Waffe hier bringen, was soll all die Gewalt hier bewirken, in einer längst über ihren Abgrund gegangenen Welt? Jenseits der alles erfassenden Selbstzerstörung so vieler anderer Filme, von John Wick über Mandy (2018) zum jüngsten Kate (2021), glaubt Pig nicht mehr daran, dass es noch eine Welt gäbe, die aus den Angeln gehoben werden müsste, um dahinter Gerechtigkeit oder wenigstens Genugtuung zu erlangen. Hinter einer schon nicht mehr rettbaren Sinnentleerung wandeln in Pig Verlorene durch Kulissen, deren gewaltsames Freisprengen niemanden mehr retten könnte, sondern nur weitere Verlorenheit hervorbringen würde. Rob begegnet dieser Welt, indem er mit dem zärtlichsten Feingefühl unsichtbare Risse aufspürt, aus denen er die Erinnerung daran hervorlocken kann, dass es Wege gab, an eine Zukunft zu glauben und zu hoffen.

Pig setzt an die Stelle explosiver Waffengewalt eine überbordende Sinnlichkeit. Nicht ein noch größerer Gewaltakt kann vorangegangene Gewaltakte ausgleichen. Auflösung und Freiheit werden nicht durch noch mehr Trümmer, sondern in der Heilung und im Trost einer gemeinsamen Trauer errungen. Der atemberaubende Höhepunkt des Films ist ein stilles, genussvolles Abendessen, das dabei nicht weniger als jeder noch so krachende Gewaltexzess von unfassbar schreiendem Schmerz erfüllt ist. Im ganzen Film taucht keine einzige Waffe auf und dennoch ist in jedem Moment spürbar, mit welcher Kraft sich die Vereinsamung und Bitternis ihr Recht verschaffen. Es fehlt nur eine zarte Geste des Verstehens, die kleinste Berührung eines anderen Menschen, um plötzlich exakt jene brutale Auflösung zu bewirken, die sonst nur noch mehr Gewalt und Leid hervorbringt.

Dem Film ist durchaus klar, dass damit zahlreiche Erwartungen an einen Schauspieler wie Nicolas Cage und an die Erzählung vom Mann, der sein Haustier rächen geht, unterlaufen und ins Gegenteil verkehrt werden. Doch gerade weil Pig diese Verkehrungen so bewusst sind und sie nicht bloß als Witz entschärft werden, hält sich seine fundamental andere Energie mit so großer Aufrichtigkeit. Damit geht der Film ein Wagnis ein, denn die Grenze zum Abgeschmackten und die Grenze zur Parodie sind auf beiden Seiten sehr nah. Dazwischen aber liegt der feine Grat einer überraschenden Ehrlichkeit, gerade dort, wo Pig grandios witzig sein kann, ohne belanglos zu werden. Es entwickelt sich eine zutiefst spürbare Hoffnung darauf, dass Menschen noch in der Lage sein werden, etwas zu schmecken und etwas zu fühlen, und dass Gewalt, Verrat und Lüge nicht die einzigen Möglichkeiten sind, sich aufeinander zu beziehen.

Pig (2021)

Ein Trüffelsucher, der allein in der Wildnis von Oregon lebt, muss in seine frühere Heimat Portland zurückkehren, um dort nach seinem entführten Lieblingstrüffelschwein zu suchen.

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Meinungen

Coffin Owen · 18.09.2023

Todlangweilig. Dauernd endlos lange Aufnahmen von blöde in die Ferne starrenden Darstellern. Die Hauptrolle hätte auch statt Cave ein ungewaschener Penner spielen können. Düster, langatmig, blödsinnig. Schrott.

herbert jäger · 28.03.2022

langweilig ...der wald kommt nicht richtig vor ..düstere Stimmung , die ( man korregiere mich ..) von Gregory Crewdson , Cathedral of the Pines geklaut ist ... der Inhalt und die Optik passen nicht und dann noch dieses PORTLAND mit seiner ´Streetfood Szene `... stimmt alles nicht , kauft Euch lieber Edgar Wallace Filme ...oder ´FREDDY FILME`